3| Der Prinz und eine Sechs

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Als ich endlich wieder zu Hause angekommen war, empfingen mich dort zwei sehr interessierte Mädchen, die unbedingt alles wissen mussten; was ich machen musste, wie ich dabei aussah und selbst welches Make Up die Stylistinnen verwendet hatten, sollte ich ihnen erzählen.

Nach einer halben Stunde quatschen, kochte ich mit Johanna das Abendessen, während Lucy und Ben den Tisch deckten. Pünktlich als das Fleisch, dass wir von Chloe bekommen hatten, fertig war, kam Dave von der Arbeit.

Er hatte gute Neuigkeiten für uns: „Ich habe heute ein Jobangebot vom Rathaus bekommen. Ich habe natürlich sofort zugesagt, denn wenn ich dort arbeite, verdiene ich genug Geld, sodass ich keine Nachtschichten mehr beim Tischler schieben muss. Und die Arbeitszeiten sind fest geregelt. Nicht so wie auf der Farm. Und das Beste: ich habe jetzt Samstags UND Sonntags frei, also das ganze Wochenende!"

"Super!" Mit Freudentränen in den Augen nahm ich ihn in den Arm. Wenn mein großer Bruder beim Rathaus arbeitete, dann würde er so viel verdienen, dass wir uns wenigsten jede zweite Woche frisches Obst und Gemüse kaufen konnten. Das war immerhin besser als nichts.

Am nächsten Abend saßen wir alle gemütlich vor dem alten Fernseher und schauten den "Bericht". Heute würden die 35 Mädchen des Castings bekannt gegeben werden. Alle saßen gespannt auf dem Sofa und wateten ungeduldig, welche Namen verkündet wurden.

Erst kamen die höheren Kasten, dann die niedrigen. Ich hörte gar nicht richtig hin. Doch als der Name Chloe Maynford fiel, wurde ich hellhörig. Meine beste Freundin wurde genommen? Sie zeigten gerade ein Bild von ihr. Das war sie. Eindeutig. Ich sprang auf, jubelte so laut, dass ich gar nicht mehr die anderen Namen mitbekam.

Doch den Gesichtern meiner Geschwister nach zu urteilen, war ich wohl nicht genommen geworden. "Schade, dass du es nicht geschafft hast." Dave sah mich mitleidig an.

"Ach das macht doch nichts. Ich wäre bestimmt eh nicht so weit gekommen. Der Prinz und eine sechs ? Niemals. Dann könnte er ja gleich..." weiter kam ich nicht denn Jo unterbrach mich:" Aber ich weiß noch, Königin Eadlyns Mutter, America, war auch eine Fünf als sie von Maxon ausgewählt wurde."

Ich schnaubte. "Na gut, aber das war in Illéa und..." schon wieder fiel mir jemand ins Wort:" Kein aber!" Diesmal war es Dave," keine Ahnung warum sie dich nicht genommen haben. Wir können ja jetzt für Chloe hoffen, dass sie weit kommt und ich bin ganz froh, dass du hier bist, denn Jo hätte ganz schön viel zu tun gehabt, wenn du gegangen wärst."

Nickend stand ich auf, räumte das Geschirr weg und verschwand ins Schlafzimmer. Ich war total müde. Wir hatten heute alle zusammen einen Ausflug in den Wald gemacht und dort eine riesen Schneeballschlacht veranstaltet.

***

Am nächsten Morgen wurde ich unsanft von einer Sirene geweckt. "Nicht schon wieder!" Murmelte ich verärgert.

Mussten die andauernd Anschläge verüben? Mann, so langsam nervte es mich nur noch. Ich schnappte mir meine Decke und ein wenig Brot und lief schnell in den Keller. Jo saß mit den Zwillingen auf dem kaputten Sofa und Dave kam gerade verschlafen die Tür herein, als es plötzlich laut knallte.

Erschrocken zuckte ich zusammen. Dave knallte die Schusssichere Tür zu und verriegelte sie. Da öffnete sich die Falltür zum Geheimgang, der zu den anderen Häusern führte, und unsere Nachbarn, ein Paar mit zwei Söhnen im Alter von Johanna, kletterten herein. "Unser Haus ist gerade eingestürzt." Erklärte mir Mr.Bright.

Das war ein Schock. Ich schaute in die Gesichter der Kinder. Tränen strömten über ihre Wangen, ihre Haare standen in alle Richtungen ab und ihre schmutzige Kleidung hatte große Löcher. Wobei die Löcher wahrscheinlich schon seit einiger Zeit da waren.

Unsere Nachbarn, waren noch ärmer als wir. Mr.Bright arbeitete Tag und Nacht um die Famlie zu ernähren, da es seiner Frau aufgrund einer schwerwiegenden Krankheit, die ihre Sehkraft einschränkte, nicht möglich war, zu arbeiten. Die Kinder konnten, dank Chloe, zwar zur Schule , waren aber sehr ausgehungert und lachten selten.

Es war schrecklich. Um ihr Haus wieder aufzubauen brauchten sie so viel Geld, dass Mr. Bright dafür wahrscheinlich um die 15 Jahre arbeiten musste. Und sie brauchten in dieser Zeit ja noch etwas zu essen und ein Dach über dem Kopf. Vorallem die Kinder taten mir leid, so ein Leben war nicht einfach.

Sofort schlug ich ihnen vor, vorerst bei uns einzuziehen, was sie dankend annahmen. Wir setzten uns alle auf meine Decke und aßen das Brot während wir versuchten die bedrückte Stimmung ein wenig mit Witzen, Klatsch und Tratsch aufzulockern.

Nach 5 Stunden erklang eine Durchsage: „Sie dürfen nun die Schutzräume verlassen, alles ist gesichert. Im Bericht kommt jetzt eine Reportage über den Angriff" und diese wiederholte sich immer wieder.

Zu Neunt in einer Wohnküche, die gerade mal für fünf reicht, ist es ziemlich eng. Die Zwillinge quetschten sich mit den Kindern der Brights auf die kleine Couch. Dave, Mr. und Mrs. Bright saßen auf den Stühlen und Jo und ich hatten es uns mit ein paar Kissen und einer Decke auf dem Boden gemütlich gemacht.

Der "Bericht" zeigte Bilder des schrecklichen Attentats, dei dem etwa 200 Menschen ums Leben gekommen waren und große Teile unserer Stadt verwüstet wurden.

"Und wir haben noch etwas bezüglich
des Castings für sie: Eins der Mädchen ist abgesprungen! Chloe Maynford, ist aus peröhnlichen Gründen gegangen, da ihr Vater bei dem Anschlag ums Leben gekommen ist. Und deshalb wird jemand nach rücken! Und das ist niemand anderes als Kimberly Rose!"

Ich blickte fassungslos auf den alten Kasten. Einerseits, da Chloes Vater gestorben war, andererseits, weil sie so dreist waren und sie einfach ersetzten und dann auch noch mich auswählten. Doch ich hatte nicht lange Zeit um darüber nachzudenken, denn es klingelte schon an der Tür und ein Chauffeur des Königshauses wollte mich abholen.

Ich zog mich mit Dave ins Bad zurück um ihm zu erklären, dass ich nicht mitgehen würde, wenn er mich brauchte und es ohne mich nicht klappen würde, wenn es zu viel werden würde. Doch er versicherte mir, dass er alles im Griff hätte und ich diese Chance nicht verstreichen lassen sollte.

Also packte ich mein Zeug zusammen, verabschiedete mich innig von meinen vier Geschwistern und stieg in die Kutsche ein. Diese fuhr mit einem ruckeln los. Ich schaute hinten durchs Fenster zu meiner Familie. Sie wurde immer kleiner und kleiner, bis wir abbogen und ich sie gar nicht mehr sah. Eine Träne rollte mir über die Wange.

Selection ~ The brave #WatticalAward2017 #PlatinAward18Where stories live. Discover now