Kapitel 21

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Stralsund

Donnerstag: The Day after



Es wird heute wie ein Gang nach Canossa sein.

Allein das Aufstehen fiel Frank Hartung heute Morgen schon sehr schwer. Es war, als wollte Frank Hartung Blei am ganzen Körper wieder zurück ins Bett reißen. Nur die nachdrücklichen Aufforderungen von Ellen haben ihn dann aufstehen lassen- so nach dem vierten Klingeln des Wecker und nach mehreren Nachfragen, ob Frank denn nicht langsam zur Arbeit muss.

Noch immer konnte Frank Hartung die Umschnürungen seiner Brust zu spüren. Diese furchtbare Last und Angst vor dem, was noch kommen könnte. Die Ungewissheiten hatten eine Mauer der Sorgen um ihn herum aufgebaut, eine Mauer- von der er hoffte, dass andere Personen sie nicht sofort wahrnahmen.

Im Badezimmer stand Frank Hartung - schon wieder- sehr lange unter der Dusche und später dann vor dem Spiegel. Der Wunsch, alles abzuwaschen und durch den Wasserablauf fortzuspülen war nicht gewichen.

Und immer diese Fragen.

Im Spiegel sah Frank ein besorgtes und fassungsloses, farbloses Gesicht- sein eigenes Gesicht.

Man sollte sich ja eigentlich nicht über die Ermittlungsgestaltungen von Kollegen aus anderen Fachkommissariaten, also deren Arbeit, Gedanken machen. Alle Kollegen verstehen ihr Handwerk wirklich gut, Frank Hartung war sogar der eigenen Auffassung, dass seine Stralsunder Behörde in vielen Bereichen ausgezeichnet und im Vergleich zu anderen Dienststellen super aufgestellt ist. Es sei denn, die Ermittlungen betreffen einen Fall, in welchem man selbst und die eigene Familie betroffen ist. Frank bezweifelte nicht, dass dies jeder seiner Kollegen ebenso sehen würde. Wenn man sich vorstelle, die Frau eines Kollegen wäre die Geschädigte eines Unfall mit Fahrerflucht geworden, dann wäre sich Frank sicher, dass der Kollege auch wissen möchte, wer denn dabei der Unfallverursacher war und was die Kollegen vom Unfallermittlungsdienst schon alles ermittelt haben. Frank erinnerte sich noch an einen Fall, wo unbekannte Täter in einer Kleingartenanlage mehrere Lauben aufgebrochen hatten und Werkzeuge sowie Technik gestohlen hatten. Dieser Fall hätte zumindest in seinem Kommissariat niemanden wirklich interessiert, wären die Täter nicht auch in Wilfried Dramenz Garten eingestiegen. Seinerzeit hat Wilfried eine Menge von Telefonaten geführt und mit irgendwelchen Sachbearbeitern, Kriminaltechnikern und Chefs gesprochen, um zum Einen irgendwelche neuen Informationen abzuschöpfen und auch zum Anderen irgendwie den Ermittlungen einen Effet in die eine oder andere Richtung zu geben. Die Täter sind seinerzeit nicht ermittelt worden, Wilfried war stocksauer, als er von der Einstellung des Verfahrens erfuhr, aber irgendwo auch zufrieden, weil er wusste, dass Alles erdenkliche ausgelotet worden war.

Jan Holscher macht gute Arbeit, dessen war sich Frank Hartung ganz sicher. Aber das Gestern hat sicherlich auch Jan geschockt. Da fährt er raus zur Durchsuchung nach Waffen- findet Undefinierbares und dann wird noch eins draufgesetzt- die erhängte Leiche einer Frau.

Jan Holscher wird sich schon drehen, um Licht ins Dunkel zu bringen. Leichensachen sind soundso nicht ohne, da wird er Mann und Maus mobilisieren.

Frank denkt, es ist für jeden logisch, Informationen erhalten zu wollen über die Ermittlungen.

Für Jan. Für sich selbst. Für Wilfried damals mit dem Laubeneinbruch.

Und auch, für einen Polizisten ist dies- soweit es Ermittlungen betrifft- besonders wichtig, irgendwo sich beteiligt sehen zu wollen oder die Ermittlungen der anderen Kollegen in eigener Sache transparent für sich zu haben. Dies wäre Frank Hartung auch wichtig.

Informationen sind wichtig, für Jeden.

Es ist die Natur des Menschen neugierig zu sein, sich durch Informationen über alles Mögliche eingebunden zu fühlen. Jeder giert danach, selektiert und filtert die Informationen auf Relevanz oder Unwichtigkeit und reflektiert Informationen in seinem Umfeld, egal in welcher Art und Weise. Wenn Fußball für ihn interessant wäre, würde er die Ergebnisse wissen wollen und gezielt auf Quellen zugreifen, die mit Fußball zu tun haben und eine Gier nach Informationen befriedigen. Dann würde man diese Informationen als wichtig erachten und würde sich mit Dritten über Fußball austauschen. Wenn man Forscher im Bereich Gentechnik wäre, würde man Fachliteratur aus diesem Bereich gezielter suchen und Informationen aus diesem Themenbereich eher wahrnehmen als vielleicht Fußballergebnisse, nur um diese Informationen mit anderen Forscher kontrovers oder sachlich zu diskutieren oder bei der Arbeit zu beachten.

Scanning -Communitas Infernalis-Where stories live. Discover now