Kapitel 51

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Stralsund

Februar, dienstagnachmittags

Polizeidienststelle




An diesem Nachmittag waren zwei Herren in Jan Holschers Büro. 

Der eine Herr fein gekleidet, mit einer schwarzen Lederweste über dem weißen Hemd, sowie einer dunklen Stoffhose und einer eleganten weinrot- farbenen dickeren Stoffjacke. Der andere Herr mit Jeans, einem buntem Sweatshirt und einem Parker in dunkelgrün mit Ledereinarbeitungen an den Ellenbogen.

„So Herr Deulert. Nun noch Ihre Unterschrift unter das Herausgabe- Protokoll und diese Sachen gehören wieder Ihnen. Bitte, Sie können sie gern auf deren Vollständigkeit hin prüfen." Erklärte Jan Holscher , seinen Blick zwischen Marcel Deulert und dessen Rechtsanwalt Herr Lederlein hin und herfliegend.

„Herr Holscher, wir bedanken uns für diesen doch sehr zeitnahen Termin. Ich bin der festen Überzeugung, dass mein Mandant alle aufgelisteten Unterlagen vollständig hat." Kommentierte Herr Rechtsanwalt Lederlein, die Unterschriftsleistung seines Mandanten Deulert auf dem Protokoll.

„Aber gern doch- in Anbetracht der Umstände Ihres Mandanten. Herr Deulert, sie werden aus Norddeutschland weg ziehen, wie ich hörte?" hinterfragte Jan Holscher bei Marcel Deulert.

„Ja. Und das so schnell als möglich." Marcel Deulert schien genervt zu sein. Möglicherweise verunsicherte ihn der Umstand, dass er vor längerer Zeit im Nachbarbüro saß und als Beschuldigter vernommen wurde. Vielleicht war es auch nur diese augenscheinlich schmalzige Höflichkeit, die dieser Polizist Holscher heute aufgesetzt hatte. Dja, Herr Holscher- Anwälte öffnen mir doch alle Türen.

Marcel Deulert schnappte sich den nun an ihn zurück gegebenen Unterlagenstapel unter den Arm. Jan Holscher nahm dies aus dem Augenwinkel mit Zufriedenheit wahr. Marcel Deulert wendet sich seinem Anwalt zu: „Können wir dann?"

Ein kurzer Blick von Herrn Rechtsanwalt Lederlein zu Jan Holscher, der mit einer lang ausgestreckten Arm- Geste zu seiner Bürotür zeigt.

„Bitte nach Ihnen! Ich werde sie natürlich persönlich hinunter begleiten, meine Herren."

„Danke!" sagt nur Herr Lederlein, der als erster im Flur ist. Marcel Deulert folgt seinem Anwalt aus dem Raum und überholte Herr Lederlein sogleich auf dem Weg zum Treppenhaus. Jan Holscher folgt als Letzter.

„Oh! Herr Deulert. Bitte warten sie. Ihnen ist dort wohl etwas aus ihren Unterlagen gefallen!" ruft Jan Holscher den beiden Vorgegangenen hinterher. Als Sich die Herren umdrehen sehen sie Jan Holscher am Boden kniend beim wieder aufstehen. Er hält einen Brief mit blau markiertem Schriftzug in der Hand und zeigt ihn hoch. „Das kann schon einmal passieren, wenn man keine Tasche mitbringt und sich alles ganz schnell so mitnehmen möchte." Ergänzt Jan Holscher in Richtung Herr Lederlein höflich lächelnd. Herr Lederlein lächelt zurück.

Jan Holscher hält den Brief in Richtung Marcel Deulert, dann wirft er- wie flüchtig und nebenbei- einen Blick darauf.

„Interessant! Herr Deulert, finden sie nicht auch? Eine Rechnung von Herrn Psychologen Doktor Parz an Sie, nicht wahr? Seltsam?" schien sich Jan Holscher selbst zu fragen.

Marcel Deulert schien wie angewurzelt stehen geblieben zu sein. Er hatte dann einen kurzen und hektischen Blick zu seinem Anwalt.

Herr Rechtsanwalt Lederlein tappte in die kleine Fragefalle von Jan Holscher voll hinein: „Was ist seltsam? Es ist nur  eine Rechnung?"

„Ja, das ist vollkommen richtig, Herr Lederlein- nur eine Rechnung." Aus dem freundlichen Blick von Jan Holscher zu Herrn Lederlein wurde im nächsten Moment ein stahlharter Blick des Polizisten in die Augen von Marcel Deulert. „Seltsam ist, dass einige Kollegen dieser Rechnung von Herrn Parz mehr Bedeutung beimessen, als andere es wahrnehmen könnten. Ich zum Beispiel bin solch ein Kollege hier im Hause, Herr Deulert. Und mittlerweile auch noch weitere Kollegen hier im Hause, wie sie sich sicherlich auch denken können, Herr Deulert."

Jan Holschers Blick und die weniger herzlich gewählte Tonart an Marcel Deulert verfehlten ihre Wirkung nicht.

Herr Lederlein stand dabei und nahm dies auch wahr, jedoch konnte er mit dieser seltsamen Ansprache nichts anfangen. „Wie meinen sie das, Herr Holscher?"

„Nichts Herr Lederlein. Ich riet ihrem Mandanten soeben nur diese offene Rechnung bei Herrn Doktor Parz noch zu bezahlen, bevor ihr Mandant wegzieht aus unserem schönen Bundesland, vielleicht Herrn Doktor Parz vergisst. Wir wollen doch nicht, Herr Deulert, dass sie und Herr Doktor Parz sich vielleicht doch noch einmal vor Gericht wiedersehen, oder?" Jan Holschers Worte trafen Marcel Deulert wie Schwertstreiche eine Übungspuppe.

„Herr Holscher, drohen sie meinem Mandanten etwa?" Herr Lederlein baute sich auf. Marcel Deulerts Augenflogen zu seinem Anwalt und dann wieder zu Jan Holscher.

„Ich? Nein. Wie gesagt, ich habe nur Konsequenzen aufgezeigt, wenn jemand noch eine offene Rechnung mit Herrn Deulert haben sollte."

„Herr Holscher?" setzte Lederlein nach.

Und Jan Holscher setzte noch eins drauf: „Natürlich meine ich nur Herrn Doktor Parz damit, oder dachten sie, ich drohe ihrem Mandanten, Herr Lederlein?"

„Also wirklich..."

„Aber Herr Deulert, ich hätte noch eine kleine letzte Frage: Ist da noch etwas, was sie mir vielleicht jetzt sagen möchten?" fragte Jan Holscher schnell in Richtung Deulert- noch bevor sein Anwalt reagieren konnte.

„Ich? Ähm? Nein, denke ich."

„Schade!" sagte Jan Holscher abweisend. „Hier ihr Brief!"

Jan Holscher streckte die 'heruntergefallene' Rechnung weit und entschlossen in Richtung Marcel Deulert. In dem Moment als Marcel Deulert zaghaft zu griff und den Brief nahm, schaute ihn Jan Holscher nochmals mit stahlhartem, vernichtendem Blick an.

„Auf Wiedersehen, meine Herren. Wie mir grade eingefallen ist, habe ich noch einen weiteren, wichtigen Termin wahrzunehmen. Ich bin überzeugt, sie finden auch allein aus dem Gebäude."

Holscher drehte sich auf dem Absatz einfach weg- schritt in die Richtung seines Dienstzimmers, an welchem er jedoch vorbei ging den Flur weiter hinunter.

Ein verschüchterter Herr in Jeans, Sweatshirt und Parker mit Leder an den Ellenbogen sowie ein verdutzter fein gekleideter Herr mit Weste und eleganter, weinrot- farbener Stoffjacke blieben sich anschauend allein im Flur zurück. Drehten sich dann jedoch dem Treppenhaus zu und gingen.

Jan Holscher indessen ging in die Geschäftsstelle der Dienststelle, an den zwei Damen dort vorbei und zum Fenster. Von hier aus hatte er einen hervorragenden Blick auf den Ausgangsbereich- und er sah Marcel Deulert und seinem Rechtsanwalt hinterher, wie sie wortlos davon zogen.

„Herr Holscher? Können wir helfen?" fragte eine der Damen im Geschäftszimmer.

„Ach, ich wollte nur einmal in mein Postfach schauen- sonst nichts." antwortete Jan, immer noch den zwei Besuchern hinterherschauend.

'Und ein wenig laut und einschüchternd mit dem Säbel rasseln', dachte der Polizist so bei sich. Und Jan Holscher war sich sicher, dass diese Botschaft auch zu einhundert Prozent den richtigen Adressaten und im richtigen Ton getroffen hatte.

Scanning -Communitas Infernalis-Where stories live. Discover now