3.

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Nachdem Theo mich zuhause abgesetzt hatte, lief ich die knarzende Treppe hoch, kramte meinen Schlüssel aus der Tasche und schloss die Tür auf, die ein schrecklich quietschendes Geräusch von sich gab, als ich sie aufdrückte.
"Sav?", rief mein Vater vom Wohnzimmer aus, machte sich aber nicht die Mühe aufzustehen.
Vermutlich konnte er sich denken, dass ich fuchsteufelswild war.
"Ja", brummte ich, ließ die Tür geräuschvoll ins Schloss fallen und hängte meine Jacke neben der Tür auf.
"Wie war es?" In seiner Stimme lag ein Hauch von Vorsicht und ich blieb regungslos im Flur stehen.
"Ich werde nicht nach Georgia fliegen", sagte ich, anstatt ihm eine Antwort auf seine Frage zu geben. Die hatte er nicht verdient. Nicht nach der Aktion mit dem Flugticket.

Plötzlich hörte ich das schlurfende Geräusch seiner Schlappen und ein paar Sekunden später, lehnte er im Türrahmen und sah mich nachdenklich an.
"Wieso lässt du dich nicht einfach darauf ein, Sav?", fragte er mich ruhig, als wäre er ein Psychodoktor und ich seine Patientin. Ich schnaubte aufgebracht auf und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Ich will nicht zu Mum. Und ich will auch nicht an den Arsch der Welt!"
"Ausdrucksweise", warnte er mich und ich verdrehte die Augen.
"Na schön, ich will halt nicht mitten ins Nirgendwo und eins auf glückliche Familie machen. Ich möchte mit ihr nichts mehr zu tun haben!", rief ich und spürte Tränen aufkommen.
Na toll, wieso musste ich bei diesem Thema auch unbedingt so sentimental werden? 

"Savannah, sie ist deine Mutter. Du kannst sie nicht einfach so, nicht mehr an deinem Leben teilhaben lassen."
"Das hat jetzt fünf Jahre einwandfrei funktioniert. Meinetwegen können es auch noch weitere fünf Jahre werden", zischte ich leise und machte Anstalt in mein Zimmer zu gehen. Doch Dads Worte ließen mich inne halten.
"Wieso siehst du das ganze nicht einfach als Abenteuer?" Mein verwirrter Gesichtsausdruck ließ ihn weiterreden.

"Sieh es nicht als Besuch an. Sondern als Gelegenheit deinen Horizont zu erweitern. Du fliegst auf einen anderen Kontinent, lernst eine neue Stadt kennen, eine neue Lebensart und neue Leute. Denk nach, Savannah. Denk wie eine Schriftstellerin. Du musst neue Gebiete erforschen, um das beste aus deinen Werken herauszuholen. Ein Schriftsteller ist die Summe seiner Erfahrungen. Und die wirst du nicht machen, wenn du mit deinem Sturkopf hier bleibst."

Da er wusste, dass ich nun wirklich Zeit brauchte, um seine Worte zu verarbeiten und eine Entscheidung zu treffen, schlurfte er zurück ins Wohnzimmer und widmete sich wieder dem Baseball-Spiel. Ich hingegen lief in mein Zimmer, stolperte auf dem Weg zu meinem Bett ungeschickt über einen Stapel Bücher und fluchte leise vor mich hin. Unordnung. Ich hasste Unordnung. Bevor ich mich also in mein Bett kuschelte, fing ich an meine Bücher ins Regal zu räumen, achtete dabei auf eine chronologische Reihenfolge und sah mich nach einer guten viertel Stunde zufrieden in meinem aufgeräumten Zimmer um.

Nun konnte ich mich mit ruhigem Gewissen ins Bett legen und nachdenken. Hatte Dad vielleicht Recht? Würde die Reise nach Georgia meinen Horizont erweitern? Würde sie mich zu einer besseren Schriftstellerin machen? Nachdenklich kaute ich auf meiner Unterlippe rum, griff dann nach meinem zerfledderten Notizbuch und schlug eine freie Seite auf. Zu schreiben hatte mir schon immer geholfen, um nachzudenken.

10:00 pm

Irgendwann kommt man an den Zeitpunkt, da kann man die Menschen in genau zwei Kategorien einteilen.
Die erste Hälfte hat ihre 20er genutzt, um zu lernen und zu wachsen. Sie haben sich selbst gefunden und sind ihren Träumen gefolgt. Diese Menschen wissen was funktioniert und was nicht; sie haben sich bis hoch an die Spitze gekämpft.

Die andere Hälfte wiederum hängt mit aller Kraft an der High School oder am College. Sie vertreiben ihre Zeit, mit Jobs die sie hassen, weil sie zu sehr Angst haben sich einen neuen zu suchen. Sie teilen ihr Leben mit Lebenspartnern die zwar gut, jedoch nicht großartig sind, nur weil sie sich davor fürchten alleine zu sein.
Sie nehmen sich vor, vertraute Freundschaften zu entwickeln. Sie nehmen sich vor, mit dem Trinken aufzuhören, so als wäre ihr Leben eine anhaltende große Studentenverbindungsparty.
Sie nehmen sich so viele Dinge vor, aber tun es im Endeffekt doch nicht. Und genau aus diesem Grund ziehen sie ihre Jugendjahre in die Länge; leben entfernt vom erwachsen werden.  

J A X X || gxg || Leseprobe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt