Ein ruhiger Abend

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Hermine stand vor ihrem Spiegel und betrachtete sich. Ihr Kleid für den Abschlussball passte ihr perfekt.

"Mine, bist du fertig?", ertönte die Stimme ihrer besten Freundin Ginny. "Ja, komm mal kurz, ich krieg das Kleid nicht zu, bitte...", antwortete sie.

"Bin schon da, ich-"
Ginny trat ein, doch sie blieb stehen und flüsterte: "Hermine... Bist du das? Du siehst... umwerfend aus."

Sie schaute an Hermine herab. Sie mussten am Ball eine der vier Jahreszeiten darstellen, Hermine hatte den Winter gewählt. Das Kleid war schneeweiss, bodenlang und schulterfrei. Von der Brust bis zur Taille war es eng anliegend und mit silbrig weissem Glitzer besetzt. Nach unten hin fiel es fein und leicht, schmiegte sich an ihre Beine und betonte die Figur.
"Wow... Unsere kleine Löwin ist zu einem zarten Schwan geworden...", murmelte Ginny.

Hermine drehte sich vom Spiegel weg und schaute Ginny nun ebenfalls an. Ihr stockte der Atem. Sie sah aus wie ein wunderschöner, stolzer Pfau. Das Kleid war gleich wie ihres geschnitten, doch es war grün und war statt mit Glitzer, mit farbigen Stickereien überzogen, die Pfauenfedern darstellten. Sie stand für den Frühling.

Ginny bat sie nun mit auf den Ball zu gehen.
"Ich bleibe noch kurz hier. Geh du schon mal und warte dort auf mich", sagte Hermine jedoch, sodass Ginny nickte und durch die Tür verschwand.

Hermine seufzte. Langsam trat sie an das Fenster heran und öffnete es. Kühle, nächtliche Luft wehte ihr entgegen und sie atmete tief ein bevor sie auf den Balkon trat.

Heute war ihr letzter Tag in Hogwarts. Dann würde sie ihr Zuhause nie wiedersehen... Wie die Zeit verging... Und was wäre danach? Was würde sie tun? Ihre Eltern erinnerten sich nicht an sie, sie hatte kein Zuhause, zu Ron konnte sie nicht weil sie vor einem Monat Schluss gemacht hatten... Ach, es war so kompliziert. Doch was sie am meisten traurig machte und ihr Schmerzen zufügte war einfach nur die Tatsache, dass sie Hogwarts so liebte und doch verlassen musste.

Heute war der letzte Tag, der letzte Abend. Danach war Hermine frei wie ein Vogel. Eine Träne kullerte ihre Wange hinunter. Sie war eiskalt, und doch brannte sie auf ihrer Wange. Leise fing Hermine an zu summen. Der Wind wehte durch ihr lockiges Haar, strich an ihren rosigen Wangen vorbei und nahm die leise und stille Melodie mit sich mit. Er wehte sie genau an das Fenster eines anderen Schülers, der still dem Trauerlied lauschte und kaum glauben konnte, dass dieser schöne Gesang von ihr stammte.

Er sah sie. Wie sich an das Geländer klammerte, den Wind durch ihre Haare wehen liess und sang. Ihr weisses Kleid flog nur so um sie herum und liess sie majestätisch und zerbrechlich zugleich wirken. Oh ja, sie war wunderschön. Er hatte sie schon immer bewundert, doch noch nie so, wie er es nun tat.

Leise stimmte er in ihre Melodie ein, welche der Wind ebenfalls zu ihr wehen liess. Als sie ihn hörte blickte sie zu ihm auf und starrte ihn mit leeren, traurigen Augen an. Jegliches Glänzen der vergangenen Tage war aus ihnen verschwunden. Das einzig glänzende an ihr waren das Kleid und ihre Tränen. Mittlerweile hatte er verstanden, warum sie so viel weinte.

Sie wollte in Hogwarts bleiben. So wie er. Hier war er glücklich und sie ebenfalls. Dass ihr Herz auch so an Hogwarts hing, machte ihn noch glücklicher. Doch heute war sein letzter Tag hier, sein letzter Abend. Und er würde ihn geniessen bis zum bitteren Ende.

"Geniesse es, so gut du kannst. Heute oder nie...", flüsterte er in die Nacht hinein. Sie schaute zu ihm hoch und nickte. Leicht lächelnd winkte sie ihm noch einmal zu, dann verschwand sie wieder ins Innere. Das einzige was man noch sah, waren die wehenden Vorhänge ihres Zimmers.

Er beschloss auch hinein zu gehen, denn wie gesagt, er wollte jeden einzelnen Augenblick dieses Abends nutzen, denn er sollte unvergesslich werden. Ja, tief im Inneren spürte er es. Heute würde es ein spezieller Abend werden. Und dabei sollte er nicht Unrecht behalten.

»Nur ein Tanz« [dramione] Kde žijí příběhy. Začni objevovat