2. Kapitel

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 Perspektivwechsel

Nach dem seltsamen Ausflug betreten wir wieder die Wohnung. Es ist eine unangenehme Stille zwischen uns. Er geht ohne ein Wort der Erklärung. Es fühlt sich seltsam an. Aber ich will selbst nichts dazu sagen. Vielleicht braucht er etwas Raum. Das Ganze ist seltsam, als wäre es nur ein Traum. Ich fühle mich scheiße.

Als es mir so richtig bewusstwird, entscheide ich dem ein Ende zu setzten. Nicht umsonst hatte ich sie gehortet, denn man wusste ja nie. Ja das hatte ich immer gedacht, jetzt war dieser Punkt erreicht. Ich nehme die Packung in die Hand.

Wie viele muss man nehmen, um nicht mehr aufzuwachen?

Ich gebe diese Frage an die Suchmaschine weiter. Um es nicht zu offensichtlich zu machen, formuliere ich es ein wenig um. Damit ich keine Hotline angezeigt bekomme, die mich noch eben schnell retten soll. Das ist jetzt einfach zu spät, es ist gekommen, wie es kommen sollte.

Aus dem Netz entnehme ich, dass es auf das Medikament ankommt und die Empfehlung zum Einschlafen ein bis zwei Tabletten sind. Ich blicke auf die Packung; Verschreibungspflichtig aber abgelaufen. Pi mal Daumen würde ich zur Sicherheit einfach die zehnfache Menge nehmen. Ich entscheide mich also mit 1 ½ Packungen anzufangen und sollte es keine Wirkung zeigen, würde ich es eben nochmal probieren.

Das sind viele, denke ich aber nehme ein Glas Wasser dazu, um sie besser runterzukriegen.

Einen großen Schluck und Schwubs die erste Ladung war weg.

Ein zweiter großer Schluck und sie waren alle weg.

Ich schicke Sue eine Nachricht. Meine allerletzte an sie. Dann gehe ich ins Bad, wo die Badewanne langsam vollläuft. Ich lege mich mit Klamotten hinein.

Es ist etwas eklig, als die Klamotten nass werden, aber so fühle ich mich. Eklig.

Ich lehne meinen Kopf an den Wannenrand und merke, wie ein warmes Gefühl von meinem Bauch ausgeht. Ein Prickeln an meiner Zungenspitze. Sanft merke ich, wie meine Fingerspitzen anfangen zu kribbeln. Es ist das Mittel, das seine Wirkung zeigt.

Mein Kopf beginnt plötzlich zu kreisen. Mein Körper scheint mir auf einmal so schwer. Meine Arme, meine Beine, es wird plötzlich alles so schwer. Ich habe das Gefühl, dass die Welt auf mich niederdrückt und mich zu Boden drängt.

Mein Sichtfeld verschwimmt und die Decke kommt mir gefährlich nahe, obwohl ich hier nur liege. Ich höre, wie mein Handy ein Geräusch macht, die Taschenlampe blinkt sogar. Ich vermute, dass es Sue ist. Ich merke, dass es am Klingeln ist.

Aber ich bin jetzt zu schwer.

Alles so schwer, denke ich mir nur und schließe meine schweren Lieder.

Ich merke, wie meine Augenglieder schwer werden.

Ich drehe mich um und lehne mich mit dem Rücken gegen die Wand. Mein Blick geht nach oben zur Decke. Ich erkenne die Lampe nicht, sie verschwimmt wie flüssiges Quecksilber vor meinen Augen. Nur wenn ich mehrfach blinzle, geben sie sich mir zum Vorschein, die Sterne. Mein Atem scheint mir plötzlich so schwer und meine Brust fühlt sich an, als wäre sie voll mit Blei.

Doch schleicht sich ein anderes Gefühl als Entspannung empor. Plötzlich bekomme ich Angst. Angst davor ins Nichts zu fallen. Angst davor Theo zu verlieren.

Meine Glieder werden wieder schwer und ich versuche mit aller Mühe meine Augen offen zu halten. Verzweifelt verdrehe ich sie, um dem Drang der Müdigkeit zu entfliehen. Vergeblich. Ich schließe mein rechtes Auge.

Ach, denke ich und merke, wie mir alles egal wird. Es zerfließt einfach. Alles vermischt sich mit dem Wasser und verflüchtigt sich.

Erleichtert spüre ich wie die Anspannung von meinen Schultern weicht. Erneut wollen sich meine Augen schließen und spüre eine angenehme Wärme mich umschließen.

Es ist sinnlos dagegen anzukommen. Ich kann nicht mehr.

Erschöpft gebe ich mich in dem Kampf geschlagen, gebe mich der Müdigkeit hin und schlafe mit einem warmen Gefühl um mich herum ein. 

Herzen aus GlasWhere stories live. Discover now