9. Vergangenheit

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"Meine Geschichte?" Ciel nickte eifrig. "Nun ... " Darja zögerte einen kurzen Moment lang. "I-Ich glaube nicht dass meine Geschichte so interessant ist", meinte die Brünette und lachte verlegen. "Erzähl sie mir trotzdem." Die Russin seufzte und fing an ihre Erinnerungen herauszukramen und sie richtig anzuordnen. "Es begann eigentlich schon im Kindergarten ... ich war die beliebteste und mir wurde ständig gesagt, dass ich doch ach so hübsch und süß sei ... Mann, hört sich das eingebildet an." Darja kicherte kleinlaut und versteckte ihr Gesicht hinter ihren Händen. Vorsichtig deckte Ciel ihr Gesicht wieder auf und lächelte einfühlsam. "Nein, erzähl weiter."

"Da gab es einen Jungen. Sein Name war Boris." Ciel kniff seine Augen bei dem Gedanken, dass Darja etwas mit einem anderen Jungen hatte, zusammen und seine Augenbrauen zuckten. "Ich war mit ihm seit dem Kindergarten befreundet und wir haben immer zusammen gespielt. Auch in der Grundschule waren wir ständig zusammen." Darja kicherte. "Ich kann mich noch erinnern wie er mich immer küssen wollte und ich daraufhin vor ihm weglief. Boris hat mich immer Mama genannt und wollte auch, dass ich ihn Papa nenne, aber ich habe das nie getan." Das nostalgische Lächeln der Russin verschwand langsam bei ihren nächsten Erinnerungen. "In der Mittelschule war er dann ein Jahr lang im Krankenhaus. So wie ich das mitbekommen habe lag er im Koma, aber den Grund habe ich nie erfahren. Nachdem er wieder in der Schule war, haben wir für ca. zwei Jahre nicht mehr geredet, bis er mich dann nach einem Date gefragt hatte. Ich stimmte natürlich zu, weil ich ihn schon irgendwie vermisst hatte und war froh, endlich wieder was mit ihm zu unternehmen. Anfangs war es ziemlich schön. Er hat selber etwas gekocht und wir haben dann gemeinsam gegessen und uns über die Zeit, in der wir nichts miteinander zu tun hatten, unterhalten." Ihr Gesicht verfinsterte sich. "Als ich auf der Toilette war, hat er den Abwasch gemacht und dabei telefoniert. Ich habe natürlich alles mitgehört. Boris hat mit seinem Kumpel darüber gesprochen, wie er mich flachlegen möchte und wie er damit jeden Jungen neidisch machen könnte, da ich ja ach so begehrt war. Erst dachte ich, ich habe mich verhört und blieb bei ihm, bis er mir ständig über die Oberschenkel fuhr, als wir einen Film geschaut hatten. Ich bin dann, bevor es zu irgendwas kam, gegangen. In der Schule hat er mich nur zornig angeschaut, weshalb ich mich nicht getraut habe, mit ihm zu reden. In der Pause bin ich mit einer Freundin herumgegangen, weil sie mir etwas wichtiges erzählen wollte. Plötzlich spürte ich, wie mir jemand den Rock meiner Schuluniform herunterzog. Ich habe ihn sofort wieder hochgezogen und habe mich umgeschaut, um herauszufinden, wer es war. Dann sah ich Boris, der mich dreckig angrinste und seinen Kumpel mit einer Kamera in der Hand. Zu Hause habe ich dann eine Nachricht von ihm bekommen. Es war das Bild von mir mit heruntergezogenem Rock, ausgedruckt und mit einer seltsamen Flüssigkeit oben drauf. Zuerst dachte ich, das wäre irgend eine komische Milch, bis ich seine nächste Nachricht las ... "Wenn ich dich schon nicht bumsen darf, dann diene mir wenigstens als Wichsvorlage", hatte er geschrieben. Ich habe ihn blockiert ... mehrere Male, doch er hat es irgendwie immer wieder geschafft mir solche Bilder zu schicken. In der Schule hat er mich bei jeder Gelegenheit angefasst und Fotos von mir gemacht. Die Lehrer und die anderen Mitschüler haben das mitbekommen und halfen mir auch immer, aber es hat nie etwas gebracht. An jenem Tag, hatte er sich überhaupt nicht mehr unter Kontrolle gehabt. Er hat mich mit zwei Freunden von ihm in das Jungenklo verschleppt und hat mich dort ausgezogen, während seine Kumpels mich festhielten. Zuerst hat er dutzende von Fotos gemacht, doch dann hat er selber seine Hose heruntergelassen und hat seinen Penis an meinen Oberschenkeln gerieben. Er war kurz davor, ihn in mich einzuführen, als Plötzlich der Feueralarm losging. Er und seine Kumpels ließen mich zornig fallen und hauten ab. Später erfuhr ich, dass eine Freundin von mir den Alarm ausgelöst hatte, als sie meine kläglichen Schreie hörte. Seitdem mache ich regelmäßig Kraftsport und habe mich in einem Kampfsport Verein angemeldet, aber ich konnte mich trotzdem in der Schule, ... nein ... allgemein in meinem Heimatland nicht mehr wohlfühlen, auch wenn Russland sehr groß ist. Also habe ich meine Eltern dazu überredet nach Großbritannien zu ziehen ... und hier bin ich nun." "Wow", sagte Ciel, als er seine Freundin mit geschockten Augen anstarrte. "Und seitdem hast du niemanden mehr an dich herangelassen?" "Nein, niemanden." Darja blickte beschämt zur Seite. "Naja, niemanden bis auf dich."

"Bist-". Die Russin räusperte sich unsicher. "Bist du eigentlich noch Jungfrau?", fragte sie schließlich. Ciel schüttelte seinen Kopf. "Nein, schon lange nicht mehr." "Und wie war es für dich?", wollte Darja wissen und warf dabei einen neugierigen Blick auf den Briten. "Naja, es war ... seltsam. Ich habe die Person nicht wirklich geliebt und sie mich auch nicht." Ciel sah zu seiner Freundin und ihre Miene verriet, dass sie alles und jedes einzelne Detail hören wollte. Der Blauäugige seufzte nur und begann ganz am Anfang.
"Lizzy kannte ich schon, als ich noch ganz klein war. Unsere Eltern waren befreundet und als wir älter wurden, haben sie schon Pläne geschmiedet, wie sie uns verkuppeln könnten. Dann wurden meine Eltern ermordet und ich wurde gekidnappt, aber diese Geschichte kennst du ja schon. Nachdem ich wieder zu Hause war, haben mich Lizzy und ihre Familie sofort besucht und mich mit Geschenken, Essen und so weiter verwöhnt und haben auch bei mir übernachtet. In der Nacht ist Lizzy zu mir ins Schlafzimmer gekommen und hat sich zu mir gelegt. Da haben wir beschlossen, ein Paar zu werden und ich hatte mit ihr meinen ersten Kuss. Ein paar Jahre später haben alle unsere Freunde von ihren ersten Malen erzählt und das hat uns dann auch dazu getrieben. Wir haben es dann noch einige Male getan, bis Lizzy echte Gefühle für einen anderen Jungen entwickelt hatte und mit mir Schluss machte. Mich hat das irgendwie nicht gestört, ich hatte ja schließlich auch keine Gefühle für sie, aber wir haben das viel zu spät realisiert." Es folgte eine unangenehme Stille, in der nur das Rauschen des Meeres und einige Grillen und andere Insekten zu hören waren.

"Dascha, hast du denn Gefühle für mich?", fragte der Brite zögerlich. Darja überlegte, doch sie war sich nicht sicher. "Ich ... weiß es nicht." Ciel blickte in ihre blau umrahmten, grünen Augen, die hinreißend im Mondeslicht glänzten, bevor er sich langsam ihren Lippen näherte. Die Russin spürte seinen heißen Atem auf ihrer eisigen Haut. Die Lücke schloss sich. Ciel bewegte seine Lippen zärtlich, während er seine Hand auf Darjas Wange legte. Darja traf es wieder wie ein Blitz. Ihr ganzer, zuvor noch frierender, Körper heizte sich auf und ihr Herz pumpte das Blut in ihrem Leib, welches sich allmählich in ihrem Gesicht sammelte, mit einer rasanten Geschwindigkeit durch die Adern. Ciel unterbrach den Kuss und sah seine Freundin mit erwartungsvollen Augen an. "Wie fühlst du dich?", wisperte er in die salzige Meeresluft. "Mir ist ... warm und ... mein Herz es ... -" "Ich höre es", fiel er ihr ins Wort. Der Brite lächelte Darja befriedigt und ehrlich an, bevor er seinen Arm um ihre Taille legte und so mit der Russin ins Land der Träume eintrat.

We have to surviveWhere stories live. Discover now