10. Du bist zu schnell!

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"Hm? Ciel?", flüsterte Darja, als sie aufwachte und die Leere neben ihr spürte. Sie suchte seinen Platz ab, um zu schauen, ob er ihr möglicherweise eine Nachricht hinterlassen hatte. Nichts. Besorgt stand sie auf und verließ die Hütte, musste sich aber sofort die Hand über die Augen halten, weil die Sonne bereits hoch oben am Himmel stand und blendete. "Ciel?", rief sie, doch bekam keine Antwort. Plötzlich trat sie auf etwas angenehm weiches im Sand. Sie blickte hinunter und fand eine Spur aus Blütenblättern. Darja folgte ihr nun aufmerksam. Die Spur führte sie zu einer wunderschönen Schaukel. Die erstaunlich langen Lianen waren mit vielen verschiedenen Blumen verziert. Das Holzstück war dunkelbraun und passte perfekt zu den farbenfrohen Pflanzen. Unter der Schaukel lagen die Blütenblätter auf einen Haufen verstreut herum und ließen das Gesamtbild noch attraktiver aussehen.

Ein sanftes "Buh" war aus den Büschen zu hören und Ciel kam vorsichtig mit einem zarten Lächeln heraus. "Wow, hast du das gemacht?", fragte Darja ungläubig, während Ciel immer näher zu ihr kam. "So ist es", antwortete der Engländer und ging um die Russin herum, bis er hinter ihr stand. Er legte seine Hände auf ihre Schultern und drückte sie behutsam auf die Schaukel zu. "Setz dich." Die Stimme des Briten hatte sich leicht verändert, so, als ob er wieder Hoffnungen hätte. Sie war nicht mehr so kalt und düster, sondern hörte sich nun warm und freudig, aber auch leicht verführerisch an. Möglicherweise war es aber auch nur Darjas Einbildung, die ihr mal wieder einen Streich spielte. Als sich die Grünäugige hingesetzt hatte, fing Ciel an, sie achtsam anzuschubsen. Die Russin spürte nun langsam den frischen Wind in ihren Haaren und konnte sich ein zufriedene Lächeln nicht verkneifen. Wegen den langen Lianen, die sie und das Holzstück in Sicherheit hielten, fühlte sich Darja so, als würde sie fliegen. Adrenalin schoss durch ihren Körper, als sie immer höher und höher schaukelte. Es fühlte sich so an, als würde sie fallen, doch einen kurzen Moment später wurde sie wieder von Ciels Händen aufgefangen und wieder nach oben geschubst.
Doch plötzlich wurde die Brünette von ihm angehalten. Er umgriff Darjas Taille mit seinen Armen und legte seinen Kopf in ihre Halsbeuge. Der Russin war die augenblickliche Nähe unangenehm, doch sie ließ sich nichts anmerken. "Du weißt nicht, wie glücklich ich gerade bin", nuschelte Ciel gegen ihren Hals. Sie spürte seinen heißen Atem und bekam dadurch eine Gänsehaut. Gleichzeitig bekam sie aber auch ein schlechtes Gewissen, da sie sich eigentlich von seinem Griff befreien wollte, doch er umarmte sie noch fester und fing an, ihre Schulter zu küssen. "Ciel, bitte", nörgelte Darja und versuchte ihn von sich wegzudrücken. "Bitte was?", fragte der Brite lächelnd, nicht ahnend, dass sich seine geliebte Darja unwohl fühlte. "Bitte lass mich los, das geht mir viel zu schnell." Ciel kicherte und dachte, die gesagten Worte waren nur zur Belustigung. "Du bist echt witzig." "Ciel, ich meine es ernst!" Der Brite hörte aber nicht. Betäubt von den Gefühlen und der Nähe zu Darja, auf die er schon seit Ewigkeiten sehnsüchtig gewartet hatte, ließ er seine Arme um ihre Taille und knabberte an ihrem Ohrläppchen, ohne dabei an die Konsequenzen zu denken. "CIEL!" Darja befreite sich gewaltsam aus seinem Griff. Der zornige Blick der Russin brannte sich in das Gedächtnis des überraschten Blauäugigen ein. Ohne ein Wort zu sagen drehte sich die Brünette um und lief davon. Ciel streckte die Hand aus, um sie davon abzuhalten, doch sie war zu schnell. "Darja", hauchte er kaum hörbar, und blickte ihr hinterher, bis sie am Horizont verschwand. Sein geschockter Gesichtsausdruck verschwand und Wut überkam ihn. Er fühlte sich in seinem Stolz gekränkt und ging ziellos in die andere Richtung, nachdem er ein Mal heftig gegen die Schaukel trat.

Darja rannte in den Dschungel hinein und fand sich beim Wasserfall wieder. Sie flüchtete in die Höhle und hoffte, dass Ciel nicht den selben Weg wählen würde. In der Grotte setzte sie sich an die Felswand und zog ihre Beine an ihren Oberkörper; so wie sie es auch zuvor beim Sturm tat. Die Russin konnte ihre Tränen nicht zurückhalten und ließ sie auf ihre Knie tropfen.

Warum? Warum ist jeder Mann, der mir in die Quere kommt, immer so gierig? Wieso können sie ihr Handeln nicht kontrollieren? Wieso ist Ciel auch einer von diesen Männern? Ich dachte er wäre anders. Er war doch sonst auch immer vorsichtig und er war immer so lieb zu mir. Jetzt mutiert er auch zu einem rücksichtslosen Perversling; und das ausgerechnet dann, nachdem ich ihm meine Geschichte erzählt habe ...
Ich hätte ihn nicht küssen sollen. Wieso habe ich das überhaupt getan? Wieso habe ich ihn geküsst? Bin ich etwa auch ein Perversling ohne Kontrolle? Bin ich die Art von Mensch, die ich selber verabscheue?

Der Brite ging weiterhin am Strand entlang und dachte dabei an nichts. Er hatte bereits die halbe Insel umrundet, er war eine gefühlte Ewigkeit gelaufen, aber er wusste immer noch nicht, was er tun sollte. Sein Blick war stets auf den Boden gerichtet. Er sah seinen nackten Füßen dabei zu, wie sie in den weichen Sand traten und dabei einige Sandkörner durch seine Zehen hindurch kamen. Der Blauäugige wagte einen Blick nach vorn und bemerkte ein heruntergekommenes, gelbes Zelt, welches nahe am Dschungel aufgeschlagen wurde. Neugierig trat er in das große Zelt ein und der Geruch von antiken Büchern stieg ihm augenblicklich in die Nase. Im Zelt sah er zwei Schlafsäcke, die ausgerollt und unordentlich auf dem Boden lagen. Das Zelt schien schon lange verlassen zu sein, denn ein Dutzend Insekten haben es sich hier gemütlich gemacht. Der Brite schenkte seine Aufmerksamkeit nun dem Plastiktisch, der jeden Moment zusammenbrechen könnte, würde man nicht vorsichtig genug mit ihm umgehen. Auf ihm lagen lauter beschriftete, vergilbte Seiten, die aus einem Buch herausgerissen wurden. Ciel näherte sich dem Tisch und las sich die Seiten durch. Das meiste war auf französisch, doch es gab auch einige englische Notizen. Es handelte sich wohl um verschiedene Pflanzenarten, deren Herkunft, deren Wirkung auf den menschlichen Körper und so weiter. Ciel sah sich noch einmal um und entdeckte eine Kiste in einer dunklen Ecke. Er machte sie langsam auf und fand darin eine große Ansammlung von Büchern. Der Brite schnappte sich gleich das obere und warf wissensdurstig einen Blick hinein.

>> Journal de Oliver Morin<<

"Interessant."

Der Name des Franzosen war fett und in Schönschrift auf die erste Seite geschrieben. Ciel blätterte weiter und begann nun, ein uraltes Tagebuch eines damals sehr erfolgreichen, französischen Abenteurers und Archäologen zu lesen. Das würde ihn wohl eine Weile lang ablenken.

We have to surviveTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon