Kapitel 3 - Menschen sind zerbrechlich

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Ich wachte durch das laute Bellen von Arkani auf. Sofort wurde ich hellwach, als ich Solgaleo auf dem, taubedeckten Boden der Insel sah. Es stand einfach nur da und sah sich um. Die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen und tauchte die Insel in ein oranges Licht. Gladio war nicht mehr bei mir und auch Amigento konnte ich nicht entdecken, doch ich sah Gladios Kleidung immer noch in der Ecke liegen, als ich aus der Höhle lief.

»Komm her!«, hörte ich Gladios Stimme über mir. Mit schnellen Schritten hastete auf das Podest. Das Feuer brannte und Gladio sah von oben zu Solgaleo herab. »Sollen wir angreifen?«, fragte ich verunsichert und sah Gladio an. Zögernd schüttelte dieser den Kopf. »Wir sollten abwarten. Es ist gerade erst aufgetaucht.«, antwortete er. Plötzlich fing Solgaleo an zu brüllen und löste sich in dem Moment in Rauch auf, als der letzte Sonnenstrahl sich auf dem dunklen Himmel ausbreitete.
»Was war das denn?«, fragte Gladio, doch ich schaute genauso verdutzt wie er auf die Stelle, an der gerade noch das legendäre Katzentier gestanden hatte. Ich schüttelte den Kopf, als ob ich es dadurch glaubwürdiger machen könnte und sah nochmal genau hin. Doch da war nichts mehr. Als wir einsahen, dass es durch das Starren nicht logischer werden würde, wandten wir uns ab. Ich wurde erneut auf das brennende Feuer aufmerksam.

»Hast du überhaupt geschlafen?«, fragte ich Gladio dann besorgt, denn es brannte wohl schon länger. Als Antwort schüttelte er nur den Kopf und ich seufzte. Er musste sich in der Nacht aus dem Schrank andere Kleidung genommen haben, denn er trug nicht mehr das, was ich ihm gegeben hatte, sondern einen dunklen Rollkragen Pullover und eine graue Jeans.

»Die Schlüssel...«, fing Gladio dann an, um das Thema zu wechseln. »Ich kann dich zu den Schlössern bringen... – Naja nicht zu allen, aber dennoch. Von mir aus können wir gleich los.« Ich nickte. »Ich möchte mich nur noch kurz umziehen.«, antwortete ich, denn über Solgaleo schienen wir in dem Moment nichts herausfinden zu können. Ich räumte gerade die Decke wieder in den Schrank als Gladio in die Höhle kam. Ohne wirklich Notiz von mir zu nehmen zog er sich meinen Pullover aus und seine Kleidung wieder an. Für einen Moment musterte ich ihn erneut. Als er zu mir sah, drehte ich mich weg, um den Schrank zu schließen. Dass etwas herausgefallen war, bemerkte ich erst, als Gladio sich bereits davor gekniet hatte und nun das kleine Medaillon in seinen Händen hielt. Aufwandslos hielt er mich zurück, als ich versuchte es ihm wegzunehmen.

»Gladio, gib es mir wieder!«, jammerte ich. »Ist das etwa geheim?«, fragte er herausfordernd. »Ja!«, murrte ich gespielt beleidigt und griff nach der Kette, doch Gladio schaffte es gerade noch sie in die Höhe zu ziehen. Schmollend ließ ich von ihm ab und er grinste nur.
»Noch ein Grund mehr«, sagte Gladio und ließ die Kette wieder sinken »es mir anzusehen.« Er blickte auf das kleine Bild, im Inneren. Es zeigte ihn, mich und seine Schwester. Die beiden Blonden lehnten rechts und links von mir, an meinen Schultern und schliefen. Ich, in der Mitte, ebenfalls.
»Tali hat das Bild gemacht. Das war nach dem Fest mir zu Ehren. Du warst letztendlich ja doch noch dabei.«, erklärte ich dann, wieder ruhiger. »Tali hatte sich tierisch gefreut, von uns so ein Foto gemacht zu haben.«, meinte ich dann und lachte still.
»Er hat sich auch tierisch gefreut, dass du nach zwei Gläsern total weg warst und nur noch getanzt und gesungen hast.«, entgegnete Gladio leicht lachend, während er um mich herumging, um mir von hinten die Kette umzulegen. »Erinnere mich bloß nicht dran! Das mach ich nie wieder. Zumindest nicht vor so vielen Menschen.«, murmelte ich und war beruhigt, dass er hinter mir stand und nicht sah, wie rot ich in dem Moment war.

»Okay.«, sagte er dann »Wir sollten los.« Ich nickte, holte meine Pokémon zurück und verstaute Knakrack und Guardevoir wieder auf der Box. Als Glurak auf der Insel landet nahm Gladio vorne Platz. Er reichte mir die Hand, welche ich jedoch ignorierte und gekonnt aufsprang. »Ich fliege öfter, als du denkst.«, erklärte ich nur grinsend, höre Gladios Warnung mich festzuhalten aber ein wenig zu spät. Beinahe wäre ich hinuntergefallen, konnte mich aber gerade noch so auf dem Sattel halten.

»Ach, ja?«, fragte er ebenfalls grinsend und drehte sich ein wenig zu mir um. Als er jedoch sah, dass ich das überhaupt nicht lustig fand, und ihn böse ansah, wurde seine Miene wieder düster und er sah wieder nach vorne. Irgendwann schien aber auch er sich wieder gefasst zu haben, denn er fing an, Glurak in einen Steilflug nach unten zu lotsen. »Was soll das denn?«, brüllte ich Gladio empört entgegen, den es nicht im Geringsten störte, dass ich mich wie eine Irre in seine Jacke krallte. »Das war ich nicht. Das war Glurak!«, verteidigte er sich wie ein kleines Kind es tat und zog Glurak kurz vor der Wasseroberfläche wieder hoch, sodass wir nun über dem Wasser glitten. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich mich während des Sturzes dicht an Gladio gezogen hatte und mich krampfhaft an ihm festhielt. Mein Herz raste. Mehr wegen des vertikalen Fluges als anderem. Ich wollte Gladio keine Unannehmlichkeiten bereiten, weshalb ich schon dabei war meine Hände zurückzuziehen, doch Gladio hinderte mich daran, in dem er seine Hand für einen Moment auf meinen Arm legte. Streng sah er zu mir nach hinten.

»Ich fliege öfter, als du denkst.«, murmelte ich die gleichen Worte, die ich vor einigen Minuten schon mal gesagt hatte. Etwas peinlich berührt von der Situation lehnte ich mich gegen seine Schulter und starrte auf das Meer.

Erst jetzt viel mir auf, wie klar das Wasser heute war. Der Regen schien alles rein gewaschen zu haben, denn man konnte ganze Schwärme Lusardin beobachten und sogar am Meeresboden Corasson und Sterndus erkennen. Beeindruckt von den Dingen die ich sah, bemerkte ich zuerst gar nicht, wie wir dem Æther-Paradies immer näherkamen. Erst als wir landeten realisierte ich, wo wir waren. Gladio sprang ab und ging ohne ein Wort zum Eingang. Ich beeilte mich abzuspringen und ihm hinterher zu eilen.

»Und wofür sind jetzt die Schlüssel?«, fragte ich ihn dann, als ich ihn eingeholt hatte. »Wenn ich mich nicht irre sind zwei der Schlüssel für die Labore im Keller. Aber, warum Bromley die hatte, kann ich mir selbst auch nicht erklären.«, meinte Gladio und steuerte auf den Fahrstuhl zu. »Weißt du was drin ist?«, fragte ich ihn dann aus Neugier und er nickte nur. »Es könnte dich aber erschrecken. Das möchte ich dir nur im Vorhinein sagen.«, sagte er vorwarnend und ich nickte ebenfalls. Ich folgte ihm stumm, bis ich meine Frage nicht mehr für mich behalten konnte. »Woher weißt du eigentlich was in den Laboren ist? Ich dachte da wäre Aus- und Eingang streng geregelt.«, platzte ich heraus. Gladio blieb stehen, sah mich aber nicht an. Ich wäre beinahe in ihn hineingelaufen. »Samantha hat früher in diesen Laboren gearbeitet und – «, er sprach nicht weiter. Als ich um ihn herumging um ihn anzusehen, wirkte er bedrückt, als würde er darüber nicht sprechen können. Ich hob meine Hand um sie ihm tröstend auf die Schulter zu legen, doch er schlug sie weg. Ich richtete meinen Blick verzeihend nach unten und ging einen Schritt zur Seite, damit er vorgehen konnte, doch er rührte sich nicht.

»Entschuldigung. Aber, ich hasse Mitleid.«, sagte Gladio leise und sah mir in die Augen. Ich nickte nur verstehend, bevor er sich in Bewegung setzt und ich ihm nachdenklich folgte. Seine Mutter hatte er sogar mit ihrem Vornamen genannt.

Irgendwie konnte ich mir denken, warum manche Menschen kein Mitleid wollen. Einfach nur deshalb, weil sie Angst haben. Angst vor Zurückweisung. Angst vor dem, was passieren könnte, wenn ihre harte Schale fällt und man ins Innere sehen kann und sehen könnte, dass die Person doch nicht so stark ist, wie sie vorgibt zu sein. Doch ich denke, dass genau diese Menschen am meisten Nähe und Zuneigung brauchen, damit man ihnen zeigen kann, dass es egal ist, wie schwach man sein kann, denn wir Menschen sind zerbrechlich. 

Honig.Where stories live. Discover now