Die Psychiatrie

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Unsere Welt ist voll von bösen Menschen, das ist kein Geheimnis mehr. Doch ich bin fest davon überzeugt, dass in jeder grausamen Person auch etwas Gutes ist, genauso wie in jedem guten Menschen ein Stück Bosheit existiert.

Wer kennt es nicht? Dieses schöne, geborgene Gefühl, wenn man in ein gemütliches Gasthaus geht, sich an den Tresen setzt und dann ein kühles Bier bestellt. Noch schöner ist es, wenn man sich das in Filmen ansieht oder in Rollenspielen. Das Gasthaus zum tänzelnden Pony aus dem Herrn der Ringe oder jede beliebige Bar aus Games, die im Mittelalter spielen. Nach einer langen, schweren Reise legt man eine bequeme Rast ein, mit warmer, köstlicher Mahlzeit. Ein saftiges Stück Rindersteak, mit Kartoffelgratin und dunkler Rahmsauce - das ist die Bestellung. Am besten mit anschließender Übernachtung in einem Zimmer, wo man zudem in aller Ruhe nach draußen auf die Sterne blicken kann und sich allerlei Gedanken durch den Kopf gehen lässt. Fehlt nur noch Irish-Folk, schon ist alles perfekt.

Nun, vielleicht geht es nur mir so mit diesem Fable, aber man kann nicht bestreiten, dass es dieses gewisse Etwas hat. Mir sagte es jedenfalls so sehr zu, dass ich mir schon früh überlegt habe, mal die Rolle der Kellnerin oder der Barkeeperin zu übernehmen. Hier begegnet man vielen verschiedenen Menschen, mal sind es freundliche Reisende, unzählige Betrunkene oder auch einfach nur sehr seltsame Menschen. Schnell habe ich also angefangen, in diesem kleinen Gasthaus zu arbeiten, natürlich nicht hauptberuflich, aber um eben während des Studiums über die Runden zu kommen. Viele behaupten ja, dass die Schule die schönste Zeit war, dabei lassen einem Studium und Arbeit viel mehr Freiheit, man hat genug Möglichkeiten, seinen Platz in der Welt zu finden. Außerdem verdient man Geld und davon träumt man doch schon seit man denken kann.

Anfangs hatte ich wenig Lust darauf, jeden Abend irgendwelche volltrunkenen Idioten zu bedienen, doch hinter dem Job steckt wirklich mehr, als ich erwartet hatte. Ganz einfach aus dem Grund, dass man unter Menschen kommt und fast jeden Tag etwas Neues erlebt. Zumindest passiert es mir.

In etwa einer halben Stunde habe ich Feierabend, ab diesem Moment beginnen auch die interessantesten Gespräche, obwohl es relativ leer ist. Die meisten Leute befinden sich schon auf ihren Zimmern in der Pension. Es befinden sich nur noch vier Gäste hier, zwei davon sitzen zusammen. Die letzten Bestellungen noch wegbringen, dann geht es nach Hause.

Immer, wenn die Inhaber bereits außer Haus sind und ich die restlichen Kleinigkeiten aufräumen muss, werde ich etwas... sagen wir „großzügiger" zu den Gästen. Einige sind recht undankbar oder bereits zu betrunken. Aber das sind schon fast die einzigen Schattenseiten. Ich nehme einen sauberen Krug und zapfe ein frisches Bier, danach nehme ich das Steak und mache ich mich auf den Weg zu dem Tisch, an dem ein etwas jüngerer Mann sitzt und gedankenverloren auf sein leeres Glas starrt.

„Hier, das Bier geht aufs Haus", sage ich mit netter, liebevoller Stimme und stelle ihm den Krug anstelle des leeren Glases hin.

Der Mann lächelt: „Ouh, wirklich? Vielen Dank."

Dann gönnt er sich einen großen Schluck und redet weiter: „Na Hübsche, wann hast du Feierabend? Du könntest mit mir aufs Zimmer kommen."

Oh Gott, bitte nicht.

„In ungefähr 20 Minuten. Und das Bier kostet 1,50€!"

Er fängt kopfschüttelnd an zu lachen, wie man es von den Arbeitern kennt. Ja, an solch simplen Merkmalen lässt sich viel über den Menschen herausfinden, den man gerade bedient. Wahrscheinlich ist dieser hier jemand, der jeden Abend Bier trinkt und mit jeder Frau zu flirten beginnt, die ihm über den Weg läuft. Und fast immer Absagen bekommt.

Dennoch kann ich es nicht lassen, nachzufragen: „Sind Sie ein Bauarbeiter? Also, ein Handwerker?"

Überrascht nickt er. Besser ist es, wenn ich nicht weiter darauf eingehe: „Ich muss eben die restlichen Gäste bedienen. Gute Nacht."

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