Prolog

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Mein Leben war im Eimer.
Seit dem mein Vater in den Sommerferien nachhause gekommen war und uns von seinem neuen Job erzählt hatte, musste ich zusehen, wie alles ein Stück mehr den Bach runterging.

An jenem Abend war mir das allerdings noch nicht klar gewesen. Ich hatte nichtmal gewusst, dass mein Vater die Firma wechseln wollte. Nachdem er allerdings so begeistert von seinem neuen Job in der Zentrale war, freuten wir uns natürlich mit ihm. Zumindest bis die Worte "Umzug" und "Toronto" fielen. Warum ich nicht gleich darauf gekommen bin, dass es in unserer Kleinstadt gar keine Zentrale gab, weiß ich bis heute nicht.

Nachdem die Neuigkeiten auf dem Tisch waren, ging alles ganz schnell. Von einem Tag auf den anderen standen plötzlich überall Umzugskartons herum. Schränke wurden ausgeräumt, Geschirr und Gläser in Papier gewickelt und schon bald war in unserem Häusschen jede Gemütlichkeit dahin.

Die große Abschiedparty, die meine Eltern veranstalteten, fiel ziemlich schlecht aus. Die meisten meiner Freunde waren mit ihren Eltern in den Ferien, sodass nur wenige kamen. Statt zu feiern, saßen wir mit lagen Gesichtern in den Ecken und versicherten uns gegenseitig, den Kontakt aufrechtzuerhalten.

Der Umzug war die Pest. Es war noch nicht mal richtig hell, als die Umzugswagen vor dem Haus auftauchten. Mit vereinten Kräften waren sie bis zum Mittag beladen und wir konnten uns auf den langen Flug machen. Als wäre das nicht genug, findet der Umzug ein paar Wochen vor meinem Geburtstag statt.

Natürlich hatte auch niemand Zeit gehabt ein Geschenk zu besorgen. Ich konnte auf ein paar Gratulationen zählen und dem Versprechen, sobald alles an Ort und Stelle stand, nachzufeiern. Viel mehr als Geld in die Hand gedrückt, werde ich nicht bekommen. "Kauf dir was schönes" werden sie sagen.

Dort angekommen, schnappte ich mir das Telefon und verzog mich damit in mein Zimmer, um meine beste Freundin Hailee anzurufen. Obwohl wir nur 3 Haustüren voneinander entfernt gewohnt hatten, telefonierten wir ständig. Jetzt doch fehlte es mir zum ersten Mal, nicht einfach herüberzugehen und bei ihr klingeln zu können.

Ich wählte Hailee's Nummer und lauschte dem Klingelzeichen. Plötzlich wurde ich nervös. Wie würde es sich anfühlen, mit ihr zu sprechen, jetzt wo wir nicht mehr beinahe Tür an Tür wohnten? Nach dem dritten Klingeln ging jemand an der Leitung ran.

"Hallo?" meldete sie sich.

"Omg, bin ich froh dich zu hören!"

"Wer ist da?" fragte sie.

"Hailee!" rief ihr, ehrlich entsetzt darüber, dass sie meine Stimme nicht sofort erkannte. "Ich bins!"

"Ach, Charlie" sagte sie.

Klang das, als hätte sie jemand anderen erwartet?

"Natürlich! Wer den sonst?"

"Klar" Darauf folgte eine kurze Pause.

"Und, wie gehts dir in deinem neuen Zuhause?" fragte sie mich.

"Ich hasse es!" meinte ich und verdrehte die Augen.

"Ach komm schon du bist erst seit ein paar Tagen dort" sagte sie.

"Ein paar Stunden, um genau zu sein. Und das ist schon zu viel"

"So schlimm?" fragte sie. Ich fing an zu nicken, doch merkte das sie mich nicht sehen konnte, weswegen ich schnell "Ja" sagte.

"Dir entgeht hier echt was!" sagte sie und lachte.

Sofort plapperte sie drauflos, was sich in meiner Clique so alles tat. Eigentlich hatte ich gedacht, ich wäre noch nicht lange genug weg, um viel verpasst zu haben. Doch ich hatte mich offensichtlich geirrt.
Cameron, der das ganze letzte Jahr hinter mir her gewesen und mir zugegebenermaßen auch nicht gleichgültig war, flirtete plötzlich mit Ally. Hatte der Typ noch nie was von angemessener Trauerzeit gehört? Wie konnte er mich so schnell vergessen?

Mir blieb nicht viel Zeit zum nachdenken, denn Hailee überrollte mich förmlich mit Neuigkeiten. Wer mit wem, wer konnte sich nicht mehr ausstehen und wo bahnte sich was an. Außerdem plannte sie eine Party zum Schulbeginn, und jemand anderes tüfelte schon am alljährlichen Herbstfest, das wegen dem großen Lagerfeuer immer der Hit war.

Mein Leben war ruiniert.

him | s.m.Where stories live. Discover now