20. Avancen an die Kaiserin

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Louis POV:

Er musste eine ganze Weile suchen, denn schließlich kannte Louis sich auf der Burg noch nicht gut aus. Erst nachdem er mehrere leere Zimmer betreten hatte, öffnete er eine Tür auf der Südseite der Burg und trat in ein Schlafzimmer.

Zayn hockte im Fenster und sein Umriss zeichnete sich scharf vor dem glutroten Abendhimmel ab. Er hatte die Beine angezogen, um überhaupt in das schmale Fenster passen zu könen und blickte, soweit Louis erkennen konnte, hinaus in den Himmel. Vorsichtig klopfte Louis an den Holzrahmen der Tür und kündigte sein Kommen an. Zayn hob den Kopf. "Kann ich reinkommen?", fragte er leise. "Klar, wieso fragst du das?"
"Vielleicht willst du ja gerade lieber allein sein?" Zayn zuckte die Schultern: "Solange Liam im Wohnzimmer bleibt..." Es war kindisch und das schien Zayn auch bemerkt zu haben, denn als sich Louis zu ihm ans Fenster setzte, konnte er gerade noch die Reste eines flüchtigen Lächelns sehen, dass Zayns Mund umspielte.

Louis lehnte sich ans Fenster und strich mit den Fingerspitzen über das kalte, dünne Glas der Scheibe. Diese Seite des Schlosses war die einzige, die nicht von Wasser umspült wurde und man konnte hinaus auf den Vorplatz sehen.

Die beiden blickten hinaus und sprachen kein Wort. Louis kannte Zayn jetzt lange genug, um zu wissen, dass er in solchen Momenten nichts fragen sollte. Sein Kumpel würde sich schon von selbst öffnen und erzählen, was mit ihm los war. Allerdings haten die letzten Jahrhunderte gezeigt, dass Zayn eher dazu neigte, seine Probleme in sich hinein zu fressen oder sie mit sich selbst zu lösen. Er war kein Mensch, der den Rat anderer suchte.

Also saßen sie still nebeneinander, sahen auf die Baumspitzen, die im Wind des Meeres hin und her wogten und hingen ihren Gedanken nach.

"Wie war der Schlaf eigentlich?", wollte Zayn irgendwann wissen. Ein wenig überrascht, da er auf diese Frage nicht vorbereitet gewesen war, dachte Louis einen Moment nach und sagte dann: "Erholsam und traumlos." Zayn wandte ihm den Blick zu: "Du hättest gerne von Harry geträumt, oder?" Damit hatte er einen wunden Punkt getroffen, von dem Louis bis eben noch nicht einmal gewusst hatte, dass es ihn gab. Doch das Gefühl, das sich nun in ihm ausbreitete, bestätigte Zayns Vermutung. Ja, er hätte Harry gerne im Traum gesehen. Seufzend zog auch Louis die Beine an die Brust und murmelte leise: "Es ist gerade mal zwei oder drei Tage her, dass wir uns gesehen haben und mir kommt es schon wie eine Ewigkeit vor."
"Ich hab schon seit Jahrzehnten das Zeitgefühl verloren, wenn ich ehrlich sein soll", gab Zayn zu und seufzte wehmütig.

Ja, es war schwer, die einzelnen Tage auseinander zu halten, wenn sie so an einem vorbeirauschten, ohne Spuren zu hinterlassen. In der Erinnerung vermischte sich alles dann zu einem einheitlichen Brei. Wie ein Wollknäuel, das niemand mehr aufdröseln konnte.

Ob es Harry auch schon so ging? Oder war er noch zu jung, um schon so zu denken? Louis nahm sich vor, ihn zu fragen, wenn sie sich wieder gefunden hatten.

Die Sonne stand nun so tief, dass die helle Scheibe nicht mehr zu sehen war. Nur noch wenige Strahlen erreichten sie und innerhalb eines Wimpernschlages waren auch sie hinter den Bäumen verschwunden.

Die Blaue Stunde war angebrochen – dieser kurze Moment des Tages, in dem man sich zwischen Tag und Abend befand. Louis mochte diese Zeit gerne, denn der Tag neigte sich dem Ende zu und alles schien ruhiger zu werden.

"Wollen wir mal nachsehen, ob sie jetzt endlich fertig ist?", fragte Louis vorsichtig und versuchte dabei Elisabeths Namen nicht auszusprechen. "Können wir gerne machen, aber wenn Liam an ihrem Rockzipfel hängt, gehe ich sofort wieder und verzichte lieber auf mein Essen, als mir das anzusehen", brummte Zayn und stand umständlich aus seiner Fensternische auf. Strümpfig wollte er zur Zimmertür gehen, doch Louis hielt ihn zurück. "Was ist denn?"
"Findest du nicht, du solltest die Stiefel wieder anziehen? Sie ist immerhin eine Kaiserin." Schnaubend bückte sich Zayn, schlüpfte in seine schweren Stiefel, machte sich allerdings nicht die Mühe, die Schnürsenkel zu binden und schlappte an Louis vorbei aus dem Zimmer.

Sein Kumpel hatte ein wenig Vorsprung und Louis wunderte sich, als er ihn an der Tür zum Esszimmer stehen sah. Die Tür war zu und Zayn hatte ein Ohr dagegen gedrückt. Lauschte er etwa? "Wieso bist du denn nicht reingegangen?", fragte er, doch Zayn hob die Hand und drückte das Ohr noch fester gegen den Spalt zwischen den Türblättern. Sein Gesicht war hart und unlesbar, sodass Louis in die Knie ging um ebenfalls zu lauschen.

"....das freut mich wirklich sehr, dass du das so empfindest, Liam", sagte Elisabeth gerade zuckersüß. "Ja, wirklich. Ihre Schönheit kann man wirklich nicht übertreffen. Sie ist einfach zeitlos." kam es von Liam und von Zayn war ein leises Würgegeräusch zu hören. "Mir kommt ja gleich das Kotzen. Was hat er vor? Will er sie rumkriegen?" Ratlos zuckte Louis die Schultern. Er konnte sich auch nicht erklären, was in Liams Kopf vorging und viel Zeit, darüber nachzudenken hatte er nicht, denn da ging es auch schon weiter: "Ich habe früher auch viele Gedichte geschrieben. Wenn du sie lesen möchtest..." Schritte waren zu hören, dann schien Elisabeth Liam ein Buch in die Hand gedrückt zu haben. "Oh, Sie haben eine wunderschöne Handschrift. Zu meiner Zeit haben die Menschen kaum noch etwas von Hand geschrieben. Dabei ist es so viel persönlicher. Die Art zu schreiben, sagt viel über einen Menschen aus, doch damals hatten alle nur noch am Computer..." Elisabeth unterbrach ihn: "Das klingt wirklich unglaublich interessant, aber es wird Zeit, dass wir etwas Essen, denkst du nicht?"

"Das ist unser Stichwort." Und schon riss Zayn die Tür zum Esszimmer auf und kam mit langen Schritten in den Raum spaziert. Seine Schuhe klackten laut auf dem hölzernen Boden. Liam und die Kaiserin sahen auf. Elisabeth trug einen langen Morgenrock und hatte ihr Haar zu einem dicken Zopf zusammengebunden, der ihr über den ganzen Rücken reichte und so dick war, wie ein Seil. "Ihr habt sicherlich auch Hunger", sagte sie zu Louis und Zayn und deutete auf den bereits gedeckten Tisch.

Sie nahmen Platz, wobei Liam sorgsam darauf achtete, Elisabeth den Stuhl zurecht zu rücken, bevor er sich selbst setzte. Sie ging nicht auf seine freundliche Geste ein, sondern wandte sich an Louis: "Konntest du dich ein wenig ausruhen mein Lieber?", fragte sie und er nickte. "Ja, er hat den ganzen Tag verschlafen. Wir haben uns in der Zeit hier ein wenig umgsehen. Die Burg ist wirklich traumaft und so geschmackvoll eingerichtet. Besonders gut hat mit die Bibliothek gefallen, oder Zayn?", mischte sich Liam wieder ein. Wie es aussah konnte er es nicht haben, wenn die Kaiserin jemand anderem ihre Aufmerksamkeit schenkte. Louis biss sich auf die Lippe, um sich daran zu hindern, ihn zurecht zu weisen, während Zayn scharf einatmete und sich ein wenig aufrechter hinsetzte. Vielleicht half ihm das dabei, die Ruhe zu bewahren.

Der kleine Butler kam wieder mit einer Schüssel auf einem Servierwagen angefahren und schöpfte allen das Abendessen auf den Teller. "Oh, das riecht wirklich gut", fing Liam an und in dem Moment schnellte Zayn von seinem Platz hoch, als hätte er auf einem Schleudersitz gesessen. Er kippte den Inhalt seines Tellers in ein Glas, wobei einiges daneben ging und sagte: "Ich esse auf meinem Zimmer."

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