Kapitel 6

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"Ardian?" Der Angesprochene zuckte trotz des warmen Tonfalls der Stimme zusammen. "Ist alles in Ordnung bei Ihnen?" Ardy schwieg. Offensichtlich war nicht alles in Ordnung, also warum behandelte Dr. Tjarks ihn wie ein kleines Kind, das von der Schaukel gefallen war? Einen Moment lang wartete der Psychologe noch auf eine Antwort, doch als Ardy demonstrativ den Kopf zur Seite drehte, schien er zu verstehen. "Also gut. Sie haben es gesehen, oder?", wollte der Größere wissen und bewirkte mit diesen Worten, dass sich die Geschehnisse der letzten zehn Minuten erneut vor Ardys innerem Auge abspielten. Der Autor zögerte, dann nickte er kaum merklich, wobei ihn diese winzige Bewegung tausendmal mehr Kraft kostete, als die vorherige. "Ist Ihnen etwas Besonderes aufgefallen?", wollte Dr. Tjarks wissen, woraufhin er ein trockenes Auflachen von Ardy erntete. Meint er das ernst?! Ein Mensch hat sich vor meinen Augen umgebracht und er fragt, ob mir "etwas Besonderes aufgefallen" ist? Ardy antwortete nicht und sah an Thaddeus vorbei, auf ein modernes schwarz-weißes Bild, das an der Wand hing. "Wissen Sie; ich werfe Ihnen nichts vor. Niemand tut das", unternahm der Psychologe einen letzten Anlauf, etwas aus Ardy herauszulocken. Dieser zögerte einen Moment lang, bevor er schließlich den Kopf drehte und direkt in die hellblauen Augen seines Gegenübers blickte. Er fand, dass Dr. Tjarks sehr schöne Augen hatte, da sie den Eindruck erweckten, sie würden leuchten, vor allem, wenn Licht auf das kühle Blau traf. Bei näherer Betrachtung fiel Ardy auf, dass Dr. Tjarks generell ziemlich gutaussehend war. Und jung. Er sah nicht älter aus als 30. "Wie alt sind Sie?", rutschte es ihm heraus und er hätte sich beinahe die Hand vor den Mund geschlagen, wenn er sich nicht zuvor der Blöße bewusst geworden wäre, die er sich damit gegeben hätte. Leider war sein Arm schneller als sein Kopf und schwebte nun auf halbem Weg zwischen der Couch, auf der Ardy sich niedergelassen hatte, und seinem Gesicht. Ratlos sah er seine Hand an, bevor er hilfesuchend zu Dr. Tjarks blickte. Dieser erwiderte den Augenkontakt sofort intensiv, was für Ardy so überraschend war, dass er sich in einem, einer Starre ähnelnden, Zustand wiederfand. Thaddeus erkannte selbige schnell und streckte vorsichtig seine Hand aus. Sanft legte er sie auf Ardys, die immer noch nutzlos in der Luft hing. "Ich bin 27." Was? Dann dämmerte es Ardy. Doch etwas machte ihn noch stutziger als er es zuvor gewesen war. Wie konnte Thaddeus einen Doktortitel und eine eigene Praxis haben, wenn er nicht einmal 30 war? "Sind Sie hochbegabt?", hauchte Ardy ungläubig und war sich in diesem Moment nicht seines seltsamen Verhaltens bewusst. "Kann sein", schmunzelte Thaddeus, "ich habe nie einen Test gemacht." Ardy nickte langsam. Er drehte den Kopf ein wenig nach rechts, wo seine Hand immer noch in der Luft schwebte - oder auch nicht. Wo zur Hölle ist meine Hand?! "W-w-wo?", stammelte der Autor, die Augen panisch aufgerissen. "Alles ist gut. Ihre Hand ist hier", beruhigte Dr. Tjarks den aufgelösten jungen Mann. Er hob seine Hand und darin befand sich tatsächlich etwas, das Ähnlichkeiten mit Ardys verschwundener Hand hatte. "Sie befinden sich gerade in einem sogenannten Schockzustand. Das ist ganz normal, bei dem, was sie gerade durchlebt haben. "Sie haben es auch gesehen! Ich bin nicht verrückt; er hat sich wirklich umgebracht!" Liebend gern wäre Ardy in Freudentränen ausgebrochen, während er laut aussprach, was gerade in seinem Kopf jeglichen Platz für andere Gedanken verdrängte. Doch als Dr. Tjarks weder antwortete, noch eine sonstige Änderung in seiner Mimik zu sehen war, musste der Autor sich eingestehen, dass er nichts gesagt hatte. Stattdessen schafften es nun die ersten Tränen über seinen unteren Lidrand und hinterließen eine salzige Spur auf ihrem Weg hinab zum Kinn. Thaddeus zögerte einen Moment, bevor er seine Hand beruhigend auf die Schulter seines Schützlings legte und murmelte: "Ich werde die Vertrauensperson anrufen, die sie angegeben haben, ja? Dann können Sie bald nach Hause, Ardian." "Danke." Kein Wort kam über Ardys Lippen, was ihn fast zur Weißglut trieb. "Gut, dann informiere ich sie jetzt einmal", bemerkte Thaddeus, nachdem er sich leise geräuspert hatte. Dann verließ er das Zimmer. Warum geht er? Hier ist doch ein Telefon? Die plötzliche Angst, von Dr. Tjarks alleine gelassen zu werden, und das in diesem wehrlosen Zustand der kompletten Bewegungsunfähigkeit, schlug über Ardy zusammen wie eine Stumwelle und raubte ihm die Luft, nach der verzweifelt zu schnappen begann. Gerade, als sein Kopf sich anfühlte, als würde er gleich explodieren, spürte Ardy zwei Hände auf seinen Schultern, die ihn sanft festhielten. "Ardian! Hören Sie mich? Alles ist gut! Beruhigen Sie sich!", drang Dr. Tjarks' Stimme an sein Ohr und vor Überraschung vergaß er, wie ein Fisch auf dem Trockenen zu zappeln. Jetzt erst nahm er die Unmenge an Luft wahr, die seine Lunge zu sprengen drohte. Kräftig atmete er aus, wobei er plötzlich starkes Halsweh verspürte. Vielleicht hab ich meine Luftröhre zerfetzt? Quatsch, kein Wunder, dass mir bei all den Atemzügen der Hals wehtut.
"Alles ist in Ordnung. Sie ersticken nicht, Sie haben nur das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Versuchen Sie einfach, ruhig ein- und auszuatmen. Obwohl Ardy gleichzeitig verwirrt und wütend auf Dr. Tjarks war, zweifelte er keine Sekunde an seiner Kompetenz, auch wenn sein eigenes Gehirn ihm etwas Anderes befehlen wollte. Während sich also seine Fingernägel immer tiefer in die Haut an Thaddeus' Unterarm bohrte, zwang Ardy sich dazu, jetzt langsamer und kontrollierter zu atmen. Nach einigen Minuten, in denen laute Atemgeräusche das Einzige waren, das die Luft des Raumes erfüllte, merkte der Autor, dass er langsam wieder klarer sehen konnte und auch die Kontrolle über seinen Körper zurück gewann. "Danke" kam es beinahe lautlos aus Ardys Mund. "Gern geschehen", antwortete Dr. Tjarks und Ardy hatte diese Worten selten so ehrlich wahrgenommen. Einen Moment lang herrschte Stille, obwohl er dem Psychologen ansehen konnte, dass dieser nachdachte. Er wollte Ardy keine weitere Frage zumuten, weswegen er nun schweigend zum Telefon griff und die Nummer wählte, die er zuvor aus der Akte des Autoren herausgesucht hatte. "Sie sprechen mit Büttinger, wie kann ich Ihnen behilflich sein?", ertönte es nach nur zweimaligem Wartesignal aus dem Hörer. Thaddeus räusperte sich und warf einen vorsichtigen Blick über seine Schulter, nur um festzustellen, dass Ardy ihn ebenfalls beobachtete. "Guten Tag, Herr Büttinger. Hier ist Dr. Thaddeus Tjarks. Ich bin der behandelnde Psychologe Ihres Freundes Ardian Bora." "Was ist mit ihm? Geht es ihm gut?", schnitt Manuel Büttinger ihm beinahe das Wort ab. Dieser Mann war entweder sehr besorgt oder hatte etwas zu verbergen, das wusste Thaddeus sofort, auch ohne ihm jemals ins Gesicht gesehen zu haben. "Er stand bis eben unter Schock, da sich ein schockierender Vorfall direkt vor seinen Augen abgespielt hat, aber er ist nicht verletzt und auch sonst wohlauf", beeilte der Psychologe sich zu erklären, um den besorgten Freund seines Schützlings schnellstens zu beruhigen. "Ich werde ihn sofort abholen. Ich bin in zwanzig Minuten da. Danke Dr. Tjarks." Bevor Thaddeus etwas entgegnen konnte, hatte Manuel bereits aufgelegt und zu panisch zu seinem Auto geeilt, wobei er wohl etwas lauter fluchte als nötig. Auch Thaddeus legte nun das Telefon beiseite und wandte sich Ardy zu, der ihn aufmerksam anblickte. "Herr Büttinger wird in etwa zwanzig Minuten hier sein. Ich werde schnell draußen nach dem Rechten sehen, dann bin ich sofort wieder bei Ihnen, in Ordnung?", erklärte er dem Autoren, der nur leicht nickte. Man sah dem Kleineren an, wie erschöpft und müde er war. Thaddeus versprach sich selbst, sich zu beeilen, um so bald wie möglich wieder für Ardy präsent sein zu können. Mit einem angedeuteten Winken verließ der Psychologe den Raum, um nach seiner Assistentin und dem Mann zu sehen, der sich selbst hatte umbringen wollen. Doch obwohl dieses Ereignis so nervenaufreibend war und Thaddeus sich wirklich über wichtigere Dinge, wie beispielsweise den Ruf seiner Praxis, Sorgen machen könnte, beschäftigte ihn im Moment nur Manuel Büttinger, der am Telefon einen seltsamen Eindruck auf ihn gemacht hatte. Wahrscheinlich irrte er sich und der Mann war einfach nur ein guter Freund von Ardian. Natürlich sorgten Freunde sich umeinander, und die Tatsache, dass er vom Psychologen seines Freundes angerufen wurde, hatte Herrn Büttinger einfach zutiefst beunruhigt. Trotzdem  hatte er bei dem Gedanken an Ardys Freund, eine bisher noch gesichtslose Person, die den Namen "Manuel Büttinger" trug, ein unangenehmes Gefühl.

[1374 Wörter]

Ich weiß selbst, dass der Anfang des Kapitels total dämlich ist und es erst etwa ab der Hälfte lesbar wird. I'm sorry. But tired.

-Ra

missing words - [tardy]Where stories live. Discover now