Prolog

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Dienstag, 17.01.2017 (nach Menschenrechnung)

berichtet von Ni

Das Klingeln der Schulglocke ließ eine sichtbare Welle der Erleichterung durch die Schülerreihen fahren. Während alle aufstanden verkündete Herr Frank, der Lehrer meiner Klasse, brüllend die Hausaufgaben. Die Schüler fingen an Mäppchen, Bücher und Hefte in die Taschen zu packen, dabei unterhielten sie sich lautstark. Was der Lehrer herum schrie interessierte nur noch die Streber. So auch Liv. Sie saß immer noch auf ihrem Platz und notierte die Hausaufgaben fein säuberlich in ihr Hausaufgabenheft. Die Hälfte der Klasse war bereits an der Tür und einer umfasste schon die Klinke also klappte Herr Frank seinen Mund mit einem genervten Schnauben zu. Su hatte ebenfalls innerhalb weniger Sekunden den Raum durchquert und wartete ungeduldig an der Klassenzimmertür. Schon seit Schulbeginn hatte sie immer wieder auf die Uhr über der Tür gestarrt und sich ausgerechnet wann die Schule wieder aus war. Su mochte den Unterricht eigentlich, aber an manchen Tagen konnte sie wie ein quängelndes Kleinkind sein. Ihre Leidenschaft war das Zeichnen. Sie konnte sich stundenlang darin verlieren. Es gab Phasen in denen sie kaum zeichnete und widerum welche in denen sie tagelang nichts anderes tat. Momentan arbeitete Su an einem Bild und war fast nicht davon wegzubekommen. Ich mochte die Schule ebenfalls doch heute ging es mir wir Su - ich wollte hier raus. Meinen Kater schnappen und mit ihm in den Wald um dort Insekten und Vögel zubeobachten. Trotzdem mochte ich nicht wie meine Klassenkameraden zur Tür rennen. Ich wollte Herrn Frank zeigen, dass manche Jugendliche noch etwas Anstand besaßen. So steuerte ich auf die vollgeschrieben Tafeln zu. "Su hilf mir die Tafel zu putzen!", rief ich ihr zu. "Liv braucht noch." Susen verdrehte ihre grünen Augen und seufzte. Kommentarlos nahm sie den den Schwamm in die Hand, ihr Blick fiel auf die Liste mit den Namen des jeweiligen Tafeldienstes. Sie öffnete den Mund um zu protestieren. Diese Woche waren Marco und Stefan dran, doch als sie sah wie Herr Frank verzweifelt versuchte seine Unterlagen in die Tasche zu stopfen - dabei rutschte die Hälfte der Blätter aus seinen Händen und wirbelten durcheinander - bekam auch Su Mitleid und schloss den Mund ohne ein Wort. Da beide Jungs schon weg waren hätte Herr Frank auch noch die Tafel putzen müssen. Aber so tollpatschig und verzweifelt wie er war hätte das nur in einem Disaster geendet. Keine Ahnung wie der Lehrer geworden ist.
Su, Liv und ich verließen das Klassenzimmer als letztes. "Bin ich froh wenn diese dämliche Schule vorbei ist.", - genervter Tonfall von Su. "Ich auch, trotzdem, es sind nur noch vier verdammte Monate und dann stolzierst du durch die Straßen von Sidney.", antwortete ich ihr. Su hatte während ihrer Realschulzeit immer wieder Minijobs angenommen um sich ein Work-and-travel-year in Australien zu finanzieren. Das war dann ihr Geschenk an sich selbst für den gelungenen Abschluss- falls sie ihn bestand, was trotz ihrer Faulheit ausser Frage stand. "Ihr seid echt unmöglich Leute. In ein paar Jahren werdet ihr sehnsüchtig an die Schule denken.", tadelte Liv uns. "Natürlich freu ich mich auch hier wegzukommen", fügte sie hastig unter unseren skeptischen Blicken hinzu. "An Eines werde ich immer denken, aber eher voller Abscheu als vor Sehnsucht.", bemerkte Susen trocken. Ich schaute ratlos zu Liv. Die schien auch nicht zu wissen von was Su redete. "Der Anblick natürlich", Su fing an zu lachen. " Ach man! Iiih! Warum kommst du jetzt damit, ich hatte es fast verdrängt!", lachend schlug ich Su mit meiner Tasche auf ihren Arm. Einmal hatte Herr Frank sich vor unseren Tischen gebügt um eine Kreide aufzuheben. Dabei war seine Hose ein wenig runtergerutscht. Naja es war defenitiv zu viel zu sehen. Wir lachten und verließen das Schulgebäude. Kaum waren wir um die Ecke standen wir auch schon zwischen den ganzen Rauchern. Da wir drei zu sehr damit beschäftigt waren nicht zu viel von dem Zeug einzuatmen brach das Gespräch ab. Auf der Straße wechselte ich dann das Thema auf irgendetwas belangloses - was genau weiß ich heute nicht mehr, es ist schon zu lange her. Wahrscheinlich ging es dabei um Trump, denn das war das große Thema.
Am Rathausplatz umarmten wir uns. "Heute joggen? Diesselbe Uhrzeit wie immer?", fragend blickte Su in die Runde. "Kann nicht. Ich hab boxen.", Liv sah sie entschuldigend mit großen Augen an. " Geht auch eine halbe Sunde früher? Ich hab noch eine Besprechung vom Tierschutz." , fragte ich. Su nickte.
Da wir nicht in derselben Straße wohnten, trennten sich hier unsere Wege.
Sobald ich alleine war begann ich die Besprechung vom Tierschutz im Kopf durchzuspielen. Es gab mal wieder Einiges zum diskutieren.

Am Abend

Susen brachte mich nach dem Joggen nach Hause, wo ich mich rasch duschte und umzog. Dann holte ich mein geliebtes Skateboard aus der Garage und fuhr über einen Radweg vernab der Straße in die Stadt. Ich war als Erste da, schloss auf, machte Licht, holte Getränke. Obwohl ich schon oft bei einer Besprechung dabei gewesen war, wurde ich nervös. Irgendetwas lag in der Luft. Und heute musste ich alles moderieren, denn meine Chefin war im Krankenhaus bei ihrem Mann. Da das nicht geplant war stemmte ich alles spontan.

"Ni! Warum bin ich überhaupt gekommen? Die Besprechung war vollkommen für den Arsch. Hätte ich das gewusst wäre ich einfach zu Hause geblieben und hätte was sinnvolleres gemacht", wütende Augen funkelten mich an. "Dann hör auf zu meckern und geh einfach. Verschwend doch nicht noch mehr Zeit,indem du hier herumstehst und zickst.", bekam Lena zur Antwort. Sie machte auf dem Absatz kehrt und verschwand. Ich konnte noch hören wie die Haustür unter mir zugeknallt wurde. Wenige Minuten später folgte ich ihr die Treppe runter. Unten angekommen musste ich feststellen, dass mein Skateboard weg war. "Lena! Alter mein Board ist mein Heiligtum! Okay Süße du bist zu weit gegangen! Du kannst nur hoffen mich nie wiederzusehen!"
Ich stapfte durch die Dunkelheit und war so sehr damit beschäftigt Lena in Gedanken zu verfluchen, dass ich nicht mehr auf meine Umgebung achtete. Erst als ich schnelle, sich nähernde Schritte hörte, blickte ich nach hinten. Da standen sechs Männer einer stärker als der Andere - Jeder bewaffnet mit einem Schlagstock. Panik stieg in mir hoch. Ich konnte mir zwar nicht sicher sein, ob sie tatsächlich hinter mir her waren, vielleicht warteten sie auf jemand anderen. Aber ich hatte sie gesehen und war damit eine Gefahr. Also rannte ich los. Hauptsache ich erreichte das erste Haus um zu klingeln oder auch nur um zu schreien. Aber ich schaffte es nicht mehr. Die Unbekannten schlugen mich nieder. Der Schmerz war überall. Sie prügelten auf meinen Rücken, meine Arme und meine Beine ein. Als ich davon kriechen wollte trat mir jemand auf die Hand. Meine Finger brachen mit einem lauten Knacken von dem mir übel wurde. Lachen! Die Männer lachten über meine Tränen! Einer packte mich bei den Haaren und zog mich über den Teer. Erst riß meine Kleidung, dann meine Haut. Nach ein paar Metern blieb er stehen, ließ mich aber nicht los. " Ich finde ihr Gesicht blutet noch zu wenig, meint ihr nicht?", ein etwa 20-jähriger grinste mir blöd ins Gesicht. Ich sammelte meine Spucke und rotzte ihm in seine hässliche Fratze. "Schlampe!", zischte er, "Das wir dir noch leid tun!" Er zog mich an meinen Haaren auf die Knie. Mir tat alles weh und ich wankte ein wenig. Ängstlich blickte ich zu Boden. Aber es passierte nichts. Die Männer waren vollkommen still, aber ich wusste, sie waren noch da. Vorsichtig hob ich den Blick und sofort traf mich eine Faust auf die Nase. Sie fing an zu bluten, aber war immerhin nicht gebrochen. Ich senkte den Blick schnell wieder. Jemand - ich glaube, der den ich angespuckt hatte- rammte mir sein Knie in die Wirbelsäule. Mir blieb die Luft weg. Um wieder besser atmen zu können beugte ich meinen Oberkörper über meine Knie. Ein Zweiter nutzte die Gelegenheit und schlug meinen Kopf so fest auf den Boden, dass er dröhnte. Ich spürte wir mir Blut über die Stirn lief. Plötzlich fiel etwas neben meinem Kopf zu Boden. Im Lichtschein einer Straßenlaterne erkannte ich mein Skateboard. Es war in der Hälfte auseinander gebrochen.
Dann hören die Erinnerungen an diesen Tag auf...

The no-name-revoluotionWhere stories live. Discover now