》VII《

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Wie jeden Morgen saß Will angezogen auf ihrem eigenen, kleinen Turm und beobachtete den Sonnenaufgang. Zwischen ihren Zähnen steckte eine Zigarette und in ihren Händen hielt sie ihr Buch. "In den Sternen von morgen" war so atemberaubend, dass Will es nach nur einem Tag durchgelesen hatte. Doch sie war so verzaubert, dass sie es erneut begann. Das war ihr Untergang. Nun wusste sie es. Hätte sie es doch bloß einige Tage eher gewusst. Sie schloss die Augen und ließ sich im Wind wiegen. Dieser drückte sie auf das Platoon des Turmes. Seit Tagen überlegte sie, wie sie aus dem Todeskreis herauskam. Doch man kam nicht heraus. Es gab kein Entkommen und das wusste sie. Trotzdem versuchte sie es kläglich immer und immer wieder. Noch nie in ihrem Leben war das Mädchen so armselig und verzweifelt wie jetzt gewesen. Als ihre Zigarette nur noch ein Stummel und die Sonne ein gelber Feuerball war, verließ Will den Turm und lief die Treppen herunter zur großen Halle. Ihr Buch hatte sie in ihrer Tasche. Sie hoffte, dass es niemals jemand finden würde, denn dann würde sie ohne wenn und aber getötet werden, oder schlimmer: Askaban. Auf ihrem Rücken bildete sich eine Gänsehaut, die in einer Welle ihren gesamten Körper einnahm.

Vor den Türen der großen Halle wartete Luce schon auf sie. Sie lächelte sie an, als sie Will sah. Manchmal fragte Will sich, ob Luce sie noch immer anlächeln würde, wenn sie die Wahrheit wüsste. Ob sie noch immer zusammen essen würden. Wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich würde Will dann nie wieder essen können, wenn Luce es wusste. Dieses Mädchen, das sich selbst ihre Freundin nannte, war zu unloyal, um ein Geheimnis dieser Größe bewahren zu können. Das wusste Will.

"Guten Morgen.", sagte Luce.

"Guten Morgen.", sagte Will. Gemeinsam setzten sie sich an den Ravenclawtisch. Luce setzte sich demonstrativ so, dass ihr Rücken dem Gryffindortisch zugewand war. Als ob es Sirius interessieren würde, dachte Will, hielt jedoch den Mund.

"Du riechst heute ziemlich nach Rauch.", wies Luce sie auf ein irrational kleines Problem hin. Will zuckte nur mit den Schultern.

"Ich habe heute eine mehr geraucht als sonst.", antwortete sie. Eigentlich mochte sie Luce nur, weil diese nicht zu viele Fragen stellte. Hoffentlich fing diese jetzt nicht damit an. Doch zum Glück stellte Luce keine weiteren Fragen und sie konnten beide getrost essen. Also Luce konnte getrost essen. Will spürte zwei stechende Augenpaare im Gesicht. Sie musste nichtmal aufblicken, um zu wissen, dass es nur Sirius Black und James Potter sein konnten, die sie da musterten. Er hatte seinem besten Freund also von dem vorherigen Abend erzählt. Es war traurig, dachte Will, dass Leute heute keine Geheimnisse mehr hüten konnten. Schon allein des Ansehens wegen plauderten sie alles aus, was sie wussten. Und Will konnte sich nicht helfen, sie empfand einen Teil Enttäuschung, dass jemand, der sich selber Rumtreiber nannte und daher einige Geheimnisse bewahren sollte, auch nur ein plaudernder Mensch war, der es auf Ansehen abgesehen hatte.

Will spürte die scharfen Blicke, als sie sich Kaffee eingoss, auch noch, als sie ihr Brötchen mit Käse belegte. Manchmal war es nur Sirius, der sie kurz musterte. Manchmal starrten beide sie an. Es störte. Schnell aß sie auf und verließ die große Halle. Luce fragte nach, doch Will erzählte ihr, dass sie noch ein Buch vergessen hätte. Somit verschwand Will aus der Schussbahn der beiden Jungen und lief stattdessen schonmal langsam zum Unterricht. Es war Freitag, also hatte sie jetzt Alte Runen. Sie hasste dieses Fach, ganz nebenbei gesagt.

Auf einem der leeren Flure kam ihr eine Person entgegen. David Morgan lief direkt auf sie zu. Er war ein Gryffindor, der leidergottes sein Herz an das Mädchen verloren hatte. Zusammen gingen sie auch auf den Herbstball.

"Hast du noch mein Shirt?", fragte er sie, als er direkt vor ihr stehen blieb. Will musterte ihn von unten bis oben. Das rote Wappen seines Hauses prangte auf seiner Brust.

"Kann sein.", gab sie zu und zog einen Mundwinkel hoch. Lächeln war bei ihr irgendwie nicht mehr, sie zog immer nur noch einen Mundwinkel hoch. Doch David, der konnte lächeln! Wenn er lächelte hatte er überall kleine Lachfältchen, seine Augen strahlten, als wäre er der glücklichste Mensch auf Erden und seine warme Aura erfüllte mit nur einem Lächeln den ganzen Raum. Er war der komplette Gegensatz zu Will.

"Behalt' es.", gab er zurück und setzte sich wieder in Bewegung zu seiner Klasse.

"Hätte ich eh getan.", rief Will ihm noch hinterher. Sie hörte ihn lachen, dann war er um die Ecke verschwunden und Will stand wieder alleine im Schulflur.

Es hatten unglaublich viele Jungen das dunkelblonde Mädchen gefragt, ob sie mit ihnen auf den Ball gehen würde. Doch Will hatte alle simpel aber bestimmend abblitzen lassen. Sie wollte nämlich gar nicht erst auf den Herbstball gehen. Es war nichts besonderes in ihren Augen, nur ein großer Raum, der jedoch viel zu klein für alle Schüler und Schülerinnen war, dazu die eben schon erwähnten zu vielen Schüler und der Hauch von Platzangst, der in Will herumspukte waren wohl die Hauptgründe. Doch als der fette Mönch Will eines Nachts erzählte, dass eine gewisse Pflicht bestand, auf den Ball zu gehen, musste sie wohl oder übel beim nächstbesten Jungen einwilligen. Zugegeben, hatte sie danach immer noch einige Abfuhren erteilt, weil sie dachte, dass sie vielleicht trotzdem nicht gehen müsste, wenn sie kein Date hätte, doch eines Tages draußen am See; Will saß mal wieder im Gras und war gerade dabei ihr Buch ein zweites Mal zu lesen, setzte sich David Morgan neben sie. Er erzählte ihr, er hätte kein Date, möchte aber seine Ex-Freundin eifersüchtig machen, die ihn vor wenigen Tagen verlassen hatte. Will war zuerst skeptisch, doch als David ihr das Mädchen zeigte, welches nur mal eben gesagt, grauenvoll eingebildet war, hatte sie zugesagt. David meinte, sie würden auch nur als Freunde hingehen, woraufhin Will entgegnete, dass sie keine Freunde wären. David nahm dies kommentarlos hin und verließ die Wiese und Will.

So hatte sie ihr Date kennengelernt. Ihr Kleid würde sie dieses Wochenende in Hogsmeade kaufen, zusammen mit Luce, die erzählt hatte, dass sie sich ein extra schönes Kleid rausssuchen werde, um Sirius eifersüchtig zu machen. Will wollte erst sagen, dass sie daran zweifelte, dass Sirius überhaupt noch Luce's Namen kannte, doch sie biss sich auf die Zunge. Schließlich gab Luce auch nie Kommentare zu Wills Verhalten ab, oder stellte Fragen, wobei Will ihr unbewusst oft genug Gelegenheit dazu gegeben hatte.

Sirius Black | dark artsWhere stories live. Discover now