Kapitel 13

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'There is love when you want to do something für someone without expending anything at all in return.'

Er stieg von mir herab, hielt mir die Hand hin, wobei ich diese Geste freundlich entgegen nahm und auch aufstand. „Ich pack' nur kurz ein paar Klamotten von mir ein, dann können wir gehen.“, sagte ich und tat so als ob das ganze von gerade eben nicht passiert wäre. Er nickte bloß kurz, während ich mich an meinen Schrank wendete, eine Tasche heraus holte und so viel hinein packte wie rein passte. Ich hing mir die Tasche über und lief auf mein Bett zu, mein Tagebuch lag noch daneben, welches ich mir zu Hand nahm. Zitternd wagte ich es noch nicht einmal aufzuschlagen, weil ich wusste, dass ich das alles hinter mir lassen wollte. Wieder legte ich es da hin wo ich es her hatte und wandte mich an Justin der mich mitfühlend ansah. „Wir können gehen, ich bin soweit.“, meinte ich entschlossen, woraufhin ich mein Zimmer verließ. Doch plötzlich fiel mir noch was ein, was mich sofort zum Stillstand brachte und dazu führte, dass ich die Tasche an Ort und Stelle fallen ließ. Ich lief um die Ecke in das Schlafzimmer meiner Eltern, wo ich die Tür aufriss und hereintrat. Auch hier hatte er wieder alles mitgenommen. Mein Blick fiel auf ein Bild, das Mitten im Raum an eine Wand gepinnt war. Darauf waren meine Eltern zu sehen wie sie sich gegenseitig anlächelten und förmlich strahlten. Beide sahen noch sehr jung aus, war wohl ein altes Bild. Ich schritt näher ran und pinnte es ab. Schade das alles es nicht mehr so war, wie es war. Ich drehte das Bild um, worauf ich eine Aufschrift erkennen konnte: Bernd und Lilli, Flitterwochen 2009. Die Aufschrift ließ mein Blut gefrieren. Erst jetzt fiel mir alles wieder ein, in dieser Woche hatten sie mich zu meiner Oma gebracht, die leider daraufhin an einem Herzinfarkt starb. Wieder stauten sich Tränen in meinen Augen, doch ich wagte nicht los zu heulen. „Madi, was ist denn-“, brach Justin ab als er mich gedankenverloren in dem leeren Raum stehen sah. Ich drehte mich zu ihm, drückte ihm das Bild in die Hand und meinte: „Das hatte mir mein Dad noch hier gelassen.“ Justin betrachtete das Bild, wobei er es dann umdrehte um die Aufschrift zu lesen. „Geht's dir gut?“, fragte er vorsichtig nach, weil er sehen konnte, wie mich das Bild fertig machte. „Klar, mir ging's nie besser!“, meinte ich sarkastisch und schmiss die Hände in die Luft. Gereizt seufzte er, was dazu führte, dass ich das Zimmer verließ, meine Sporttasche schnappte und zum Ausgang lief. Vorsichtig stieg ich über die Glasschiebetür, um mich nicht zu verletzten und wartete auf Justin im Garten. Ganz egal was er mit dem Bild vorhatte. Ich war so durcheinander, wütend, Todtraurig, Enttäuscht und gleichzeitig Verzweifelt. Ich kam mir so verloren vor. Um meine Tränen zu verstecken, vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen und schniefte. Ich ließ von meinem Gesicht ab und sah Justin herauskommen, was mich dazu brachte, was ich so lange schon vor hatte – ich hatte bis jetzt nur nicht den richtigen Zeitpunkt gefunden gehabt. Doch ich wusste, dass war jetzt dieser Moment! Mit einem versuchendem Lächeln im Gesicht, ging ich auf ihn zu und sprang ihm in die Arme. „Wow...!“, stieß er erschrocken hervor, wobei er meine Umarmung erwiderte und ich ein Lächeln auf seinem Gesicht vor mir sehen konnte. Idiot. „Danke für alles Justin!“, stieß ich fast Tränen erdrückt hervor, woraufhin er mich nur noch mehr in seine Arme schloss. „Kein Problem, Kleine!“ Ich ließ von ihm ab und wischte mir über das Gesicht. Es tat echt gut endlich mal an der frischen Luft zu sein. „Kommst du mit? Ich will noch kurz zu Kelsey...“ „Hältst du das wirklich für eine gute Idee?“, fragte er mit ruhiger Stimme und sah zu Boden, woraufhin er seine Hände in die Hosentasche stopfte. „Eigentlich nicht. Aber ich hab mein Handy noch in der Klinik liegen und deswegen kann ich mit ihr ja schlecht schreiben und wenn wir schon hier sind, können wir ja kurz vorbei kommen...“ Entschieden lief ich ums Haus, wieder auf die Straße und 2 Blocks weiter, wo mir Kelsey's Haus entgegenkam. Justin war mir gefolgt, worauf ich auf ihn wartete, bevor ich klingelte. Herz klopfend trat ich zurück und sah Justin unsicher in die Augen. Und wenn es doch ein Fehler war hierher zukommen? Plötzlich sprang die Tür auf und ein total übermüdetes Mädchen stand vor mir. Kelsey. Überrascht sah sie mich an, wobei ihr Blick zu Justin und dann wieder zu mir schweifte. Völlig überfordert fiel ich ihr in die Arme, während sie vor Schmerz auf winselte, jedoch versuchte meine Umarmung zu erwidern. Wir lösten uns aus der Umarmung, was mich dazu brachte sie genau zu mustern. Irgendwas stimmte hier nicht. „Was ist mit dir passiert?“, fragte ich sie besorgt. „Die Frage muss anders klingen. Was ist mit dir passiert? Und seit wann hängst du mit unserem Kidnapper – falls du das nicht vergessen hast, ab?“ „Du meinst Justin? Lange Geschichte... Er ist in Ordnung. Glaub mir... Ich erzähle dir alles, wenn wir noch irgendwann dazu kommen werden... Also, was ist mit dir passiert? Was haben sie aus dir gemacht?“ Sie nickte verständnisvoll und musterte Justin, bevor sie sich wieder an mich wandte. „Auch bei mir ist viel passiert, Madi...“, sie brach ab. Ich verstand nicht ganz... „Sind deine Eltern da?“, fragte ich. „Nein. Sie kommen erst in ein paar Stunden wieder... Kommt rein, wir reden drinnen weiter.“ Einladend winkte sie uns hinein, was wir freundlich entgegen nahmen und ihr ins Wohnzimmer folgten, wo wir es uns auf der schwarzen Couch bequem machten. „Ich hab dir geschrieben Madi, hast du es etwa nicht gesehen?“ „Ehm.. mein Handy hab ich in der Klinik gelassen, hab's vergessen. Sorry!“ „Wie lange willst du das Spielchen denn noch spielen Madi? Du wirst von der Polizei gesucht verdammt nochmal und willst es mir echt nicht erzählen wie und warum du von da abgehauen bist? Die Bullen haben sogar mein ganzes zu Hause auf den Kopf gestellt, weil sie dachten ich würde dich hier vor ihnen versteckten...“ „Ich-“ „Nein, vergiss es! Ich will es gar nicht so genau wissen.. Hier!“, weichte sie aus und holte einen weißen Briefumschlag hervor, den sie mir schließlich in die Hand drückte, „Den hat dein Vater bei uns noch abgegeben, bevor er – wie du bestimmt schon weißt, abgehauen ist.“ Total schockiert starrte ich den Brief an, doch ich wusste das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dazu war ihn zu öffnen. „Danke.“, nuschelte ich und verstaute ihn in meiner Hosentasche. Beide zeigten Verständnis dafür, dass ich den Brief noch nicht öffnen wollte, wofür ich ihnen sehr dankbar war. „Also... Also, warum siehst du so fertig aus?“, fragte ich mit zitternder Stimme und war mir nicht sicher, ob ich es wirklich wissen wollte. Sie seufzte schwer, was mich schon fast zittern ließ. „Sie pumpen mich mit Medikamenten voll... Jeden verdammten Abend! Ich glaube mein Körper macht das nicht mehr lange mit...“, sie versuchte zu Lächeln. „Oh mein Gott!“ „Eigentlich bin ja nicht mehr ich die, die eine an der Klatsche hat, sondern die in der Klinik... Hab mich schon gefragt ob die überhaupt eine Ausbildung hatten...“ „Hast du es den deinen Eltern erzählt?“, fragte ich und meine Hände begannen zu Zittern. „Natürlich, aber die meinen das gehört dazu... Ach meine Fresse, die wollen das alles einfach nicht verstehen, dass ist deren Problem... Ich bezweifle stark, dass ich echt so eine hohe Dosis am Abend brauche.“ „Ich weiß nicht was ich dazu sagen soll... ich habe für dich nicht einmal einen Rat. Tut mir Leid Kelsey!“, mein Blick schweifte enttäuschend zu Boden. „Du hast dich verändert Firestone. Komisch dass das gerade aus meinem Mund kommt, aber du scheinst so abwesend. Sicher das nichts weiter ist?“, fragte sie mich durchbohrend mit ihren Blicken. „Ich-... Ich-...“, ich leckte mir über die Lippen und sah sie an, „Ich bin nur etwas müde, konnte gestern nicht sehr gut schlafen...“ Ihr Blick sah verstörend aus und ich wusste, dass sie mir nicht glaubte. „Also ich glaube ich und Justin sollten jetzt gehen... ehm... Justin kommst du?“, fragte ich ihn und sah ihn absolut verloren in die Augen. Mir wurde das alles zu viel! Wir liefen in Richtung Tür und ich merkte schon wie ich vor mich hin taumelte. Mir wurde Schlecht von diesem Ort. Ich wollte nur weg. Weg von all dem! Ich schnappte nach meiner Tasche, die ich in den Flur gestellt hatte, umarmte Kelsey zur Verabschiedung und verschwand durch die Tür. Ich schnappte panisch nach Luft. Jetzt verstand ich alles. Ich wusste wer an alldem Schuld war. Ich. Ich war daran Schuld, dass es Kelsey nun so schlecht ging. Ich hatte uns in diese miese Lage gebracht. Durch mich kam sie auch in die Klinik und schließlich endete es so mit ihr. Total am Ende. Genau wie ich. Ich könnte mir dies nie verzeihen. Niemals. „Hey-... Hey Madi! Alles okay bei dir?“, fragte Justin besorgt und nahm sanft mein Gesicht in seine Hände. Tränen stauten sich und ich seufzte Lächelnd auf. „Ich-... Ich kann das nicht mehr.“, ich drückte ihm meine Tasche entgegen und rannte los, aus der Richtung aus der ich kam. „Madi! Warte!“ Ich wollte alleine sein, einfach etwas Ruhe. War das zu viel verlangt? Weinend bog ich in eine Gasse, die in den nächstgelegenen Wald führte. Ich näherte mich einer alten Hütte, an der ich mich nieder ließ und auf wimmerte. Justin war nicht mehr mitgekommen, stellte ich fest, denn er war nicht in meiner Nähe. Ich ritt mich mit jeder weiteren Dummheit die ich begann, nur noch mehr in die Scheiße. Ich konnte ja noch nicht mal feststellen ob ich das gleiche fühlte wie Justin für mich. Und dann auch noch dass mit Kelsey. Wäre ich doch einfach nur vernünftig gewesen und nicht von zu Hause abgehauen um mit Kelsey im Wald zu campen, würden wir jetzt nicht da sein wo wir sind. Nämlich am Arsch. Wiedermals hatte ich versagt und gab mir jegliche Schuld, wobei die Hälfte davon auch berechtigt war. Ich hatte es so satt, mit der ständigen mitleiderrei. Justin hatte Recht, ich muss lernen mich dem Schmerz zu stellen, auch wenn es Tage, Momente gibt, an denen ich meine Balance verliere. Ich wischte mir die restlichen Tränen vom Gesicht und zog den zusammengefalteten Brief aus meiner Hosentasche. Schniefend riss ich den Brief auf und faltete ihn auseinander. HIC RWAS! UCHA UD STIRW TSBENRE SMÜSNE! Stirn runzelnd starrte ich den Brief an. Was zum Teufel soll dass denn jetzt bedeuten? Verdammte scheiße, warum ist mein verdammtes Leben bis jetzt ein verficktes Rätsel? Verzweifelt ließ ich den Brief zu Boden sinken und versuchte nicht wieder in Tränen auszubrechen. Was meint mein Vater damit? Will ich es überhaupt wissen? Ich schüttelte die Gedanken ab, steckte den Brief wieder ein und versuchte erst gar nicht mich darüber aufzuregen. Wütend kickte ich einen Stein aus meinen Weg und machte mich in Richtung Justin's zu Hause. Hoffentlich suchte er nicht nach mir und war schon nach Hause gegangen.

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Ich lief den Vorhof entlang, die Treppe der Veranda nach oben und klingelte. Mein Herz raste und mein Kopf war voll mit jedem erniedrigten Gedanke. Logan öffnete mir freundlicherweise die Tür und ich erstarrte. „Hey.“, quietschte ich. „Hey.“, kam gelangweilt über seine Lippen, während er am Türrahmen lehnte. „Logan ich-“ „Nein schon gut... komm rein. Ich erwarte keine Entschuldigung.“ „Doch Logan. Es tut mir Leid wie ich heute Morgen einfach abgehauen bin, ich war einfach so durch den Wind und hab einfach nicht beachtet, dass ich dir mein Leben verdanke.“, leise schloss ich hinter mir die Tür und lief Logan wie ein Hündchen hinter her, doch er blieb einfach nicht stehen, „Logan bitte... Es tut mir Leid! Und ich würde mich gerne jetzt bedanken. Wirklich! Danke Logan!“, als er endlich stehen blieb und sich entschloss mir zu zuhören, ergriff ich die Möglichkeit und umarmte ihn Freundschaftlich. Er erwiderte Gott sei Dank meine Umarmung. „Kein Problem! Aber hey, sieh zu, dass du in Zukunft besser auf dich aufpasst.“ „Dafür hab ich doch dich, dachte ich?“, schmollte ich und wir lösten uns aus der Umarmung. Er kicherte und strich mir verlegen eine Strähne aus dem Gesicht, während er sich wieder seinem Bier zu wandte, dass er davor anscheinend trank. „Pass auf dich auf Madi!“, kicherte er und nahm einen Schluck aus seinem Bier. Ich drehte mich zur Treppe die zu Justin's Zimmer führte und öffnete ängstlich die Tür. Der Kopf in den Nacken gelegt, Augen geschlossen saß er an der Wand gegenüber seinem Bett. „Wo warst du?“, fragte er, jedoch die Augen fest geschlossen. „Ich wollte allein sein, ich musste nachdenken, wie dass alles weitergehen sollte. Tut mir Leid.“ Ich schloss die Zimmertür hinter mir und bewegte mich langsam auf ihn zu. „Über was nachdenken?“ „Justin du-“ „Sag's mir!“, bellte er gereizt. „Ob es richtig war mich auf dich einzulassen! Ich fragte mich, ob ich überhaupt das gleiche empfinde wie du für mich! Oder ob es eigentlich meine Schuld war, dass es Kelsey jetzt so schlecht ging! Ich weiß einfach nicht mehr weiter Justin, bitte... lass mir Zeit...“, schrie es aus mir. Er erhob sich vom Boden und sah mich an. „Wieso lässt du mich dir nicht helfen?“ „Justin ich-“ „Schon klar, du brauchst Zeit.“, stellte er niedergeschlagen fest und verließ den Raum. Ich erstickte fast an dem Klos in meinem Hals und wusste wieder nicht weiter. Ich hatte es so satt von allem wegzulaufen. Tränen erstickt rannte ich ihm hinter her, öffnete die Tür und sah mich im Gang um. Leer. Ich lief die Treppe ins Wohnzimmer hinunter, wo Logan es sich mit seinem Bierchen in der Hand bequem machte. „Hast du Justin gesehen?“ Er deutete mit seiner Bierflasche in Richtung Terrasse, was mich spurten ließ. Entschlossen öffnete ich die Tür, kühle Luft kam mir entgegen und brachte mich zum Zittern. Der Garten schien in Topform, nur das Wetter ließ einen düsteren Schein darauf ruhen. Ich sah mich suchend um, wobei er nicht lange auf sich warten ließ. Er saß auf einer der Gartenbänke die sich in der Mitte des Gartens befand. Trotz dessen das er mit dem Rücken zu mir saß, konnte ich den Geruch von seiner Zigarette wahrnehmen. Unmittelbar näherte ich mich ihm und setzte mich neben ihn. „Es tut mir Leid.“, nuschelte ich und sah zu Boden. Er blies seinen Zigarettenrauch aus und schaute weiterhin Löcher in die Luft. „Ich weiß nicht ob ich dir glauben kann. Ich will dir nur helfen, glaub mir. Es ist echt scheiße gelaufen in deinem Leben und ich versuche dir das ganze echt nur zu erleichtern, aber wenn du mich nicht lässt, kann ich dir nicht helfen.“ „Weißt du... In manchen Sachen bin ich einfach auf mich gestellt, da kannst weder du noch sonst wer mir helfen. Da muss ich selber raus kommen... Und glaub mir wenn ich dir sage dass es mir Leid Tut, denn zur Zeit wirst du das nicht immer von mir hören.“, sagte ich. Ich sah zu ihm auf und bemerkte wie er mich die ganze Zeit schon musterte. Ich versuchte zu Lächeln und kam ihm bedrohlich nahe, bevor ich meine Hand auf seiner Wange ruhen ließ und meine Lippen auf seine legte. Er zog mich enger an sich und unser Kuss wurde von Augenblick zu Augenblick wilder. Konnte ich das Liebe nennen? Oder tat ich das nur aus purem Mitleid?

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So, hier ist das lang ersehnte neue Kapitel, hoffe es gefällt euch. Und falls ihr noch nicht mitbekommen habt, warum das neue Kapitel erst so spät kommt: Ich musste ein wichtiges Referat halten und da ich das nun hinter mir hab, kann ich mich ruhig wieder meiner Geschichte zu wenden. Hoffe ihr habt Verständnis und wünsche euch noch alles gute ♥

- Jessi xx

All is a LieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt