• Kapitel 1

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"Hast du alles gepackt?"

Mum stand angelehnt im Türrahmen und musterte mich. Die Sonne blendete durch die heruntergelassene Jalousie meines Fensters und ihre langen orangefarbenen Haare strahlten. Ich verschloss den Koffer, schlüpfte in meine schwarzen Vans, richtete mir noch kurz meine Haare im Spiegel und griff nach dem Fußball, der auf meinem Bett lag.

"Fertig", grinste ich sie an. Sie nahm mich in den Arm und drückte mich fest an sich.

"Versprich mir, dass du dieses Jahr keinen Mist baust, ok?"

"Mum", seufzte ich.

"Bitte!" Ich küsste sie auf die Wange, hob den schwarzen Koffer hoch und schlängelte mich an ihr vorbei.

"Ich kann es versprechen."

"Gut", gab sie erleichtert zurück. Ich hievte mein Gepäck die Treppe runter und sie blieb oben am Geländer stehen und lächelte, die Arme nervös vor ihrem grauen Sweatshirt verschränkt.

"Aber ob ich es einhalten kann, das ist eine Frage."

"Louis!" Ich öffnete die Tür und zog den Koffer hinter mir her."

"Hab dich lieb, Mum!"

Vor dem Haus brummte bereits der Motor von dem Wagen meines Stiefvaters. Der Kofferraum stand auf und ich verstaute mein restliches Gepäck. Kurz darauf nahm ich auf dem Beifahrersitz platz und wir fuhren los, die Mittagssonne im Nacken.

"Aufgeregt?", fragte meine Dad nach einer Weile des Schweigens.

"Nicht wirklich. Eigentlich sogar ziemlich entspannt. Joey hatte letztes Jahr Abschluss, das heißt ich werde Kapitän der Mannschaft. Könnte sogar nicht besser laufen."

"Das freut mich zu hören." Wir schwiegen uns weiterhin an und Dad folgte dem Verkehr durch die Straßen Londons. Es dauerte eine Weile bis wir ankamen und das Auto vor dem großen Eisenzaun zum stehen kam. Ich schaute aus dem Fenster und eine kleine Aufregung durchfuhr meinen Körper. Der Campus war bereits gefüllt und ich strahlte das große Schild 'Kingston University' voller Vorfreude an.

"Soll ich irgendwas helfen?"

"Passt schon. Ach, und Richard? Danke fürs Fahren!" Er nickte und ich merkte, dass es ihn auf irgendeine Art und Weise kränkte, dass ich seine Hilfe nicht annahm. Aber es war mir eigentlich egal. Ich hatte eh nie einen besonders guten Draht zu ihm gehabt.

Ich begab mich zum Kofferraum, kramte meine Sachen raus und klopfte anschließend auf das warme Dach des silbernen Wagens. Richard  hob die Hand und fuhr los. Ich winkte ihm noch kurz durch den Rückspiegel zum Abschied, hing mir dann meinen Rucksack um und schlenderte mit Koffer und Fußball unter dem Arm los in Richtung Eingangshalle. Eine Schlange an neuen Studenten stand bereits an um zu erfahren, wie die Zimmerverteilung aussah und ich war mehr als froh, dass man uns unsere Räume schon in den Sommerferien per Brief zukommen gelassen hat. Ich stellte den Koffer kurz ab, kramte einen Zettel aus der Hosentasche und suchte nach Hinweisen.

'Mr. Louis Tomlinson, Gebäude C, Stockwerk 2, Zimmer 99.'

Ich stopfte den Zettel wieder  in meine schwarze, enge Hose und begab mich dann zu Gebäude C. Der Campus war immer noch voller Leute, die sich unterhielten, verwirrt umsahen oder sich freudig in die Arme fielen. Ich wollte eigentlich nur schnellstmöglich auf mein Zimmer und duschen. Und genau das tat ich auch, doch ich wurde aufgehalten.

"Louis!", rief eine Stimme und ich kniff angenervt meine Augen zusammen. Ich drehte mich um und Allison kam auf mich zu. Ihre langen blonden Haare wehten leicht im Wind und sie kaute aufgeregt Kaugummi hinter ihren stark geschminkten roten Lippen.

"Ich hab dich so vermisst", kicherte sie und platzierte ihren Mund auf meinem, doch ich wich zurück und ich kniff meine Augenbrauen nun noch viel genervter zusammen.

"Allison, hör zu. Wir hatten Sex. Mehrmals. Okay? Aber das war es auch. Ich hab dir schon erklärt, dass ich keine Gefühle für dich habe und du einfach nur ein guter Fick warst. Versteh das endlich."

Sie hörte auf zu kauen und funkelte mich böse an.

"Hör zu, Tomlinson. Ich bin hier sicherlich das beliebteste Mädchen auf diesem gottverdammten Campus und du stehst auch ziemlich weit oben auf der Beliebtheitsskala." Sie platzierte ihren Finger auf meiner Brust. "Wir sind beide heiß und gehören zusammen und das wirst du auch noch verstehen. Früher oder später kommen wir zusammen. Ob du willst oder nicht. Das ist Schicksal. Und jetzt entschuldige mich, ich brauche einen Kaffee Latte." Sie grinste mich verlogen an, küsste mir die Wange und verschwand, während ihre Flip Flops das ganze Gelände beschallten. Ich atmete angestrengt aus und ging weiter. In der Eingangshalle von Gebäude C standen alte Holzbänke, Zettel und Notizen hingen an der Wand und ein paar Getränke- und Snackautomaten standen aufgereiht an der Wand. Erneut stellte ich den Koffer ab und zog den ledernen Geldbeutel aus meiner rechten Po-Tasche. 'Cola 1£' leuchtete blinkend auf dem kleinen Display und ich kramte einen hinaus. Das Geld versank im Schlitz und eine Cola fiel hinunter. Ich nahm einen großen Schluck, verstaute  den Gelbeutel zurück an seinen Platz und machte mich weiter mit meinem Koffer auf die Suche nach meinem Zimmer. Die Korridore waren fast wie ausgestorben und ich schlenderte umher, die Treppe hoch und weiter den Gang entlang, bis ich Zimmer 99 fand. Ich öffnete die weiße Holztür Tür und fand zwei unbezogene Betten vor.

"Gut, noch niemand hier", dachte ich mir zufrieden und legte meine Tasche auf das Bett neben dem Fenster und den Koffer daneben. Den Ball und die Cola stellte ich auf den Nachttisch und starrte hinaus. Von hier aus konnte man das halbe Parkgelände überblicken. Ein klarer Vorteil und wesentlich besser als einen öden Baum direkt vor dem Fenster zu haben, so wie es letztes Jahr der Fall gewesen war. Ich musterte die Umgebung. Ein paar Studenten saßen auf ihren Taschen und warteten, andere spielten Frisbee oder Fußball. Ich drehte mich um und hing meine Jeansjacke über das dunkelrote Flickensofa, welches mitten im Raum stand. Das Ding hatte seine besten Jahre auch schon hinter sich gehabt. Ich ließ mich drauf fallen und die Sprungfedern quietschten leicht. Na wunderbar. Ich sah mich weiterhin im Raum um. Ein kleiner Fernseher stand gut zwei Meter gegenüber vom Sofa entfernt, zwei Schränke aus altem Eichenholz standen an der Wand, ein Foto mit dem Schulwappen ließ den Raum etwas heimischer Wirken und ein paar Regale für Kleinzeug hingen verteilt im Raum. Der übliche Standard. Ich stand auf, kramte meinen iPod aus der Jackentasche, steckte mir die InEars in die Ohren und drehte ganz laut You Met At Six auf. Ich schlenderte rüber zum Koffer, zog die Bettwäsche heraus und find an die Matratze mit dem Laken zu bespannen, während ich weiterhin die Studenten auf der Wiese beobachtete. Ein umwerfend attraktives Mädchen, mit langen braunen Haaren und ziemlichen knappen Hot Pants, stand da und ich malte mir sofort in meinem Kopf aus, wie ich sie hier auf der Stelle auf der weißen Matratze flach legen würde. Ich grinste, öffnete das Fenster und beugte mich heraus. Aus meiner linken Hosentasche zog ich ein Feuerzeug und eine Schachtel Zigaretten und steckte mir eine genüsslich in den Mund, während mein Blick weiter auf sie gerichtet war. Ich wollte mir gerade die Zigarette anzünden, als mich jemand an der Schulter antippte und sie mir aus dem Mund fiel. Erschrocken und sauer drehte ich mich um und starrte in unbeschreiblich grüne Augen, die mich freudig anstarrten.

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