Du wirst morgen sein, was Du heute denkst.
Der rote Schleier in meinem Blick wurde von Sekunde zu Sekunde intensiver und mittlerweile war mir auch das Feuer komplett egal. Es interessierte mich nicht mehr die Bohne und da war ich auch nicht wirklich die Einzige, denn der Mann vor mir, scherte sich definitiv auch nicht darum. Irgendwie fühlte ich mich auch durch das Wesen, welches ich nicht nur in mir trug, sondern auch nach außen zeigte, um Einiges stärker. Kurz huschte doch etwas über das Gesicht des Fremden. Nichtsdestotrotz war es nicht wie erwartet Angst, sondern etwas anderes. So, als freute er sich darüber, mich so zu sehen. Immerhin war ich größer, als die anderen weiblichen Wölfe unserer Art. Ebenso stärker, auch wenn ich noch nicht richtige Übung darin besaß, jemanden um die Ecke zu bringen.
Ungeachtet dessen wusste ich auch, dass ich mich auf meine Wölfin verlassen konnte. Ich machte einfach das, was sie wollte; ließ mich von ihr leiten. So funktionierte das am besten, da ich vom Kämpfen keine Ahnung hatte. Schwarze undurchschaubaren Augen starrten mich anbei weiterhin amüsiert an. »Es ist gut, dass du nicht so eine bist, die sich einfach ergibt. Das macht die ganze Sache viel reizbarer, als alles andere. Aber irgendwann wird jemand auch dich brechen. Egal wer es sein wird. Jonathan wird mir da sicherlich den Vortritt liebend gern überlassen.« Das sagte er mit solch einer Überzeugung, dass sich unwillkürlich mein Nackenfell aufrichtete.
Er kannte mich nicht. Auch wenn ich innerlich zerbrach, sollte er weiterhin denken, dass ich jemand war, der sich nicht unterbuttern ließ. Nun ja. Eigentlich war es allgemein nicht so und das musste auch Duncan lernen. Man konnte vergessen mich erneut einzusperren. Weder von meinem Vater, noch Dan. Von keinem. Lieber sterbe ich den Tod und das auch nicht kampflos. Ungeduldig scharrte ich weiterhin mit den Pfoten auf dem schon ausgebrannten Boden herum. Die Hitze dabei im Rücken. »Ich werde niemals tun, was du willst«, knurrte ich in seinen Kopf. Keine Ahnung, wie das funktionierte, aber es klappte eindeutig und im Anschluss leckte er sich über die schmalen Lippen, schaute kurz auf den Boden und streckte seinen Hals schlussendlich nach oben, um diesen knacken zu lassen.
Ich hörte es klar und deutlich. Innerlich zuckte ich deswegen sogar zusammen, ließ mir aber nichts anmerken. Die Genugtuung gab ich ihm mit Sicherheit nicht. Ich war doch nicht bescheuert. »Es wird mir eine Freude sein, dich zu zähmen.« Anbei spürte ich eine Präsenz die mich schaudern ließ. Das hieß er war gewillt mich zu unterwerfen. »Das kannst du vergessen«, gab ich sauer zurück und ich konnte klar und deutlich die Stimme des Tieres wahrnehmen, was sich nach außen projizierte. Es war eigenartig, weil ich mich selbst hörte, aber auch wiederum nicht. Natürlich schüchterte es meinen Gegenüber trotz alledem überhaupt nicht ein, aber spurlos ging es auch nicht an ihm vorbei.
Das bemerkte ich, da eine Gänsehaut über seine Arme huschte. »Du bist viel stärker, als du denkst. Vielleicht kann ich Jonathan doch davon überzeugen, Teil unseres Rudels zu werden.« Das ließ mein Vater niemals zu. Ich wollte es auch nicht. »Das kannst du vergessen«, brummte ich. Will er mich etwa verarschen, oder was? Ich ließ doch nicht alles hinter mir, würde nicht mein Kind verlieren, nur in der Hoffnung, dass ich vielleicht einen kleinen Funken bekam, um zu überleben. Wer gab mir die Garantie? Niemand. Außerdem konnte ich nicht das hergeben, was ich besaß. Womöglich waren Wölfe meines Vaters so und ließen sich auf irgendwelche Deals ein, aber ich war nicht wie er und das vergaß auch definitiv der Typ vor mir.
Niemals wurde ich so. Koste es was es wolle. Kapiert er das denn nicht? So wie es aussah auf keinen Fall. Aber das war eigentlich auch komplett egal. »Du hast die Wahl. Shane wird eh bald sterben. Ich bin nun der Beta deines Vaters und kann ihn bestimmt dazu bringen, dass du bei uns bleiben kannst und auch dafür sorgen, dass dir nichts passiert, wenn du kooperierst.« Sein Blick glitt wieder zu meinem Bauch. »Du müsstest uns nur etwas entgegenkommen.« Klar, als Geburtsmaschine, dachte ich. »Was soll das werden? Willst du mich totquatschen oder mich holen?«, fragte ich nun, wohingegen er wieder kalt wie ein Stein wurde.

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White Moon - Kiss of the Wolf
WerewolfSpringlight Award 2020: Platz 2 in "Vampire / Werwölfe" Passion Award 2019: Platz 1 in "Zauberhafte Welten" Goddess Award 2018: Platz 3 in "Vampire und Wölfe" Desire & Lust Award 2017: Platz 1 in "Werwolf" Was würdest du tun, wenn alle um dich herum...