#9 Meine Freundin Wendy

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Jenna POV

Als ich hörte wie der Junge die Stufen hochrannte und die Tür schloss, konnte ich wieder aufatmen.
Ich hatte garnicht gemerkt, das ich die Luft eingehalten hatte.
Mein Herz raste. Was hast du gerade getan Jenna? Hast einfach einem völlig Fremden geholfen.
Doch ich musste grinsen.
Ich wusste zwar nicht wo er hinwollte und warum.
Vielleicht hatte er ja einen Auftritt oder einen Termin, so etwas.
Ich helfe gerne. Auch wenn ich blind bin.
Das gibt mir umso mehr das Gefühl dass ich, auch wenn ich nicht sehen kann, trotzdem in der Lage bin Leuten zu helfen.
Ich saß mich mit meinem Gehstock nochmal auf eine Bank und hörte dem Zwitschern der Vögel zu und wartete darauf dass der Turm wieder läutete.

Heute holte mich Wendy ab und ging noch ein wenig mit mir spazieren.
Der Wind wehte stark und mein Schal wehte weg.
"Unnie! Dein Schal! Warte hier ich ..."
-"Lass ruhig. Der Schal hat sowieso nicht zu mir gepasst." sagte ich zu ihr.
"Aber woher weißt du das? Ich meine..."
Sie hörte im Satz auf zu reden.
"Es tut mir leid, Unnie."
-"Ich bin es gewohnt." Antwortete ich nur knapp.
Ich sagte immer nur dass ich es gewohnt bin. Nie 'kein Problem' oder 'ist nicht schlimm'. Denn es war für mich ein Problem und schlimm war es auch. Und für alle die es bis jetzt noch nicht verstanden haben, ich bin älter als Wendy, weshalb sie mich als "Unnie" bezeichnet.
"Ich hatte einfach das Gefühl das er nicht zu mir gepasst hat. Das war's." erwiderte ich jedoch nach einer Weile, da ich merkte dass ich Wendy vollkommen verstummen ließ.
"Okay." antwortete sie und ich hackte mich wieder unter ihrem Arm ein.
"Wie war die Schule heute?" fragte ich sie.
"Langweilig. Glaub mir. Heute hat der Riese der Klasse mal wieder unserem Streber Milch über den Kopf geschüttet. Ich bin dazwischen gegangen und hab alles abbekommen."
Ich blieb stehen und versuchte ihren Arm zu suchen.
"Unnie, mein Arm ist hier."
Ich drehte mich weiter nach rechts und schlug auf sie zu.
"Hey! Was sagst du mir das erst jetzt?! Du kannst bei solchen Sachen doch nicht einfach dazwischen gehen!" fuhr ich sie wütend an.
"Unnie. Was hätte ich denn sonst machen sollen? Ihm einfach tatenlos dabei zusehen wie er leidet? Es hatte sich richtig angefühlt ihm zu helfen."
-"Das machen doch alle, Wendy. Stell dir vor du bist in der Situation. Würde sich jemand für dich interessieren und dir helfen?"
Ich hörte wie Wendy ausatmete.
"Unnie. Musst du an deine Vergangenheit denken?"
-"Wendy. Wir gehen." unterbrach ich sie.
Ohne auf sie zu warten lief ich blind weiter und hörte auch schon ihre Schritte, die mich schnell wieder einholten.
Den Rest des Weges verloren wir kein Wort mehr über das Thema.

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