Lass uns tanzen

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Geknickt ging ich in den Park. Auch wenn dies ein Umweg für mich war, wählte ich gerne diesen Weg, da ich die Natur liebte. Sie hatte einen beruhigenden Effekt auf mich und hielt meine Gedanken davon ab, aus einem Regen einen Wirbelsturm zu machen. Hier konnte ich einfach ich sein und alles logisch durchdenken.

Auch wenn es schon etwas dunkler war und man keine Menschenseele entdecken konnte, fühlte ich mich hier geborgen. Was konnte mir an so einem friedlichen Ort schon passieren?

Plötzlich entdeckte ich die grasgrüne Bank, auf der ich vor ein paar Tagen mit Ethan gesessen hatte.

Zielstrebig steuerte ich auf sie zu und setzte mich vorsichtig hin. Eine Weile hörte ich dem Klang der Natur zu und schaute in den dunklen Nachthimmel, auf dem schon die ersten Sterne sichtbar wurden. Es war eine klare Nacht.

Da ich so in Gedanken versunken war, bemerkte ich die Schritte, die sich mir vorsichtig näherten, nicht.

Auf einmal versperrte mir jemand den Blick auf die atemberaubende Aussicht der Sterne.

“Ich hab dich weglaufen sehen.“ Mace. “Du sahst nicht gerade glücklich aus.“ Verlegen griff er sich in den Nacken und schaute auf mich herunter. “Ich hab mir Sorgen gemacht.“ Meine Augen wurden groß. Maya hatte nicht einmal bemerkt, dass es mir nicht gut ging und dieser Junge sollte das plötzlich auf 30 Meter Entfernung riechen?

Die Stille wurde langsam drückend und Mace sah mich verunsichert an. “Ich kann auch gehen wenn du möchtest. Wenn du allein sein willst, kann ich das vollkommen verstehen, nur manchmal hilft es, wenn man darüber redet.“

Ich gab ihm ein kleines Lächeln und deutete auf den Platz neben mir. “Ein wenig Gesellschaft kann nicht schaden.“ Erleichtert setzte Mace sich neben mich, so nah, dass ich die Wärme spürte, die von ihm ausging. Aber das störte mich nicht im Geringsten. Ich konnte ein wenig Wärme in meinem Leben gut vertragen.

Eine Weile betrachteten wir nur den Nachthimmel, der immer und immer dunkler wurde, bevor Mace langsam anfing zu summen. Zuerst erkannte ich die Melodie nicht aber als er kurz vor dem Refrain ankam, bahnte sich der zu der Melodie gehörende Text wie von selbst einen Weg in meinen Kopf. Es war eines meiner Lieblingslieder.

“Left your clothes next to the bed
Some pretty pictures in my head
I hope you had a great summer
A great summer away.“

Überrascht sah er mich an. Konnte ich wirklich so schlecht singen? Der Nachthimmel spiegelte sich in seinen Augen. Ich verlor mich in ihnen. Sie waren so schön. Eine Reflektion der Wahrheit.

“Du kennst das Lied.“, ein warmherziges Lächeln lag auf seinem Gesicht. “Natürlich. Es ist eines meiner Lieblingslieder.“ Anerkennend nickte er. “Du hast wirklich einen guten Musikgeschmack May.“ “Dankeschön.“

Wieder kam Schweigen über uns. Aber es war kein unangenehmes Schweigen, eher eines, das alles beinhaltete. Auf einmal griff Mace nach meiner Hand. Völlig perplex sah ich ihn an, aber er blickte weiter stur auf den Boden. Langsam wollte ich sie ihm entziehen, aber sein Griff verfestigte sich nur weiter. Da ich den Moment nicht kaputt machen und ihn in Verlegenheit bringen wollte, beließ ich es dabei.

“Lass uns mal verrückt sein.“ “Hmm.“ Verträumt lehnte ich mich an ihn. “Nein ich meins Ernst May. Das Leben ist so kurz und wir sitzen hier nur rum. Wir sind jung, wir müssen Geschichte schreiben.“ Ernst blickte er weiter gerade aus. “Hmm, du hast wahrscheinlich Recht.“ Wenn ich müde war, benahm ich mich meist nicht sonderlich vernünftig. Das war vermutlich auch der Grund warum ich seinem nächsten Vorschlag zustimmte. “Lass uns tanzen May.“

Und so tanzten wir. Für Stunden. Wir vergaßen die Welt um uns herum und bewegten uns zu den nicht existenten Klängen unserer eigenen Melodie. Und das erste Mal seit Langem fühlte ich mich frei und gehört.

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