Tattoo

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Müde aber voller Vorfreude lief Mia über die Straße. Sie war auf dem Weg zu Miriam ins Tattoostudio.

Nach einigen Wochen Pause, denn sie konnte es sich nur leisten, weiter stechen zu lassen, wenn das Trinkgeld stimmte, würde es heute endlich weiter gehen. Ihr Tattoo war ein großes Projekt, dass schon einige Stunden Zeit und eine Menge Geld gekostet hatte.

Geld was sie eigentlich nicht hatte. Ihr Job im Club hielt sie gerade so über Wasser, aber eisern sparte sie das Trinkgeld, auch wenn sie es sich nicht leisten konnte, um das Projekt voran zu treiben.
Mia seufzte auf, sie konnte einfach nicht anders. Besser so, als,...

Müde strich sie sich über die Augen. Das Wetter war heute warm. Für Ende April und Londoner Verhältnisse ungewöhnlich warm.
Nachdenklich sah sie in den Himmel, der sogar mal die Farbe blau zeigte. Für diese Jahreszeit war das eher selten. Die Sonne stand am Himmel, wurde aber gerade von einer kleinen Wolkengruppe verdeckt.

War es schon warm genug, um im Biergarten zu sitzen? Sie musste zwar noch ein Jäckchen tragen, denn der Wind war noch sehr kühl, aber jeder Sonnenstrahl musste genutzt werden.

Ja, nach der Sitzung würde sie mit Miriam das Wetter nutzen. Der Biergarten war windgeschützt, da würde es sich sicherlich aushalten lassen. Mal davon ab, konnte es nicht schaden etwas zu essen. Heute hatte Mia noch nicht viel gegessen. Schuldbewusst zog sie den Kopf ein.

Sie konnte regelrecht die Predigt von Miriam in ihrem Kopf hören.

„Vor jeder Sitzung musst du viel schlafen, essen und vierundzwanzig Stunden vorher, kein Alkohol mehr!"

An nichts davon hatte sich Mia diesmal gehalten. Das sollte sie wohl besser gar nicht erst erwähnen.

Ihr Handy vibrierte und sie sah auf die Nachricht im Display.

Wann sehen wir uns wieder? Ich fand den Abend echt toll! LG Max

Mia verdrehte die Augen. Das Fiasko von gestern! Aber es hätte ihr auch vorher schon klar sein müssen.

Mit Max würde es definitiv nichts werden, sie hatte ihre Prinzipien. Jeder One-Night-Stand blieb auch einer.

Wiederholungen durfte es nicht geben, denn das verkomplizierte einfach immer alles.
Hatte man mehrmals etwas mit einer Person, führte es meist dazu, dass eine Seite mehr wollte als die andere.

Darauf hatte sie aber definitiv keine Lust. Nach 13 Jahren Beziehung, wenn man es so nennen wollte, genoss sie die Freiheit, machen zu dürfen, was sie wollte. Mia war niemandem Rechenschaft schuldig und konnte selbst bestimmen, wer oder was ihr weh tat.

Die Woche muss ich viel arbeiten, sorry!

Mia wusste, dass er bemerken würde, dass sie ihn abwimmelte, aber das war ihr egal. Sie hatte von vorne herein mit offenen Karten gespielt. Wenn er das nicht verstand, war dies sein persönliches Pech.

Endlich stand sie vor dem Studio.
Es war eine schöne Straße in einem Vorort von London. Das Haus war ein altes Fachwerkhaus und hatte Charme. Es passte perfekt zu Miriam. Das Gebäude war älter und wirkte irgendwie urig. Ein bisschen blätterte die Außenfassade ab und ein paar Dachziegel wirkten nicht mehr ganz so stabil, aber angeblich war alles sicher, auch wenn Mia das zwischendurch bezweifelte.

Die Tür war schief und krumm, auf ihr hatte sich jemand mit Spraydosen verewigt. Miriam machte sich aber gar nicht erst die Mühe, das zu entfernen und sicherlich lag sie damit gar nicht verkehrt. Der Aufwand lohnte sich wohl kaum, da die Tür wohl schneller beschmiert sein würde, als man gucken konnte, wenn man sich hier umsah. Es gab kaum eine Wand die nicht bemalt war.

Lost in me (Band 1) Where stories live. Discover now