14 Trauertage

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Der Nachmittag in der Billardhalle wurde einfach einmalig. Einmalig beschissen! Es reichte nicht, das mich Lucy mit dem Queue ausknockte, nein, hinzu kam, dass Emma mir unwahrscheinlich auf die Nerven ging und es einfach nicht kapieren wollte, das ich kein Interesse an ihr hatte, was dann letzten Endes darin eskalierte, dass mir die Bedienung eine Cola in den Schoß kippte. Ob ausversehen oder nicht lasse ich mal dahin gestellt, denn sie war Emmas zweitbeste Freundin, die hier aushalf.

Als ich mir die Sauerrei auf dem Klo abgewaschen hatte, war ich erneut am überlegen, ob ich mich als Billardkugel auf den Tisch legte und mich von Eros erstechen ließ, oder mich als Ersatzkegel auf der Bowlingbahn zur Verfügung stellte, um mich erschießen zu lassen und wenn das nicht schon alles schlimm genug gewesen wäre, musste ich auch noch alle zwei Minuten zur Tür hinüberschauen.

Okay! Gemusst hätte ich jetzt vielleicht nicht, aber immerhin tat ich es. Leider folgte mir Schneewittchen nicht. Ja, ihr seht, obwohl ich ihren Namen jetzt kannte und sie auch meinen endlich ausgesprochen hatte, hielt ich an ihrem Spitznamen fest.

Und das, obwohl ich alles in meiner Macht stehende dafür tat, nicht an sie zu denken. Was ungefähr zweimal für länger als eine Minute geklappt hatte.

Zuerst, als ich mir jaulend den Queue aus dem Auge zog und zuletzt, als ich die Eiswürfel aus meinem Schritt wühlte, aber seither fehlte jede erfolgreiche Ablenkung. Und erst, als Eros mich feixend fragte, wie ich denn so lange ohne meine Kamera überleben konnte, fiel es mir wie Ascheregen in den Ausschnitt und ich erstarrte schreckensbleich.

"Alles klar Kumpel?", Eros sah mich mit großen Augen an. Ich muss wirklich erschreckend ausgesehen haben, denn er schob mich vom Billardtisch auf einen Stuhl zu und drückte mir ein Wasser in die Hand. Lange blieb ich allerdings nicht sitzen.

"Fuck!", stieß ich fluchend aus, als ich mich wieder daran erinnert hatte, wie man atmete und diesmal war es Eros, der das Wasser ins Gesicht bekam, als ich aufsprang und ihm das Glas in die Hand drückte.

"Ich hab meine Eos liegen lassen!", schrie ich ihm über die Schulter zu, während ich aus der Spielhalle stürmte. Es war Stunden her, dass ich nicht nur Schneewittchen dort zurückgelassen hatte, sondern auch Stunden, die mein Baby mutterseelenallein dort ausharren musste. Doch so allein, schien sie nicht lange gewesen zu sein, denn als ich schließlich, mit zitternden Knien und gänzlich aufgelöst, in die Kirche stürmte, war sie weg.

Und damit meinte ich nicht, dass sie sich irgendwo versteckt hatte, Nein! Sondern weg! So richtig und endgültig verschwunden! Und ich schaute wirklich überall! In jeder verdammten, hölzernen Sitzreihe. Ich rutschte auf Knien zwischen den Bänken herum und hob sogar die Kissen an. Was natürlich absolut hirnrissig war, doch war ich auch gerade nicht zurechnungsfähig, was mir eine ältere Dame dann auch auf den Kopf zusagte, als ich kniend an ihr vorbeirutschte.

"Entschuldigen sie mal!", schrie sie mich empört an, "Also so was! einer Dame unter den Rock schauen! Sie sollten sich was schämen!" Ihre Handtasche, in der sie sicherlich Steine mit sich herumschleppte schlug krachend auf mich herunter und hinterließ ein dickes Ei auf meinem Kopf. Meiner Kamera, war ich jedoch auch unter dem Rock der Dame nicht auf die Spur gekommen.

Fassungslos und mit der Welt am Ende, kniete ich schließlich vor dem Altar und flehte den alten Knacker, dem dieses Haus geweiht war, um Hilfe an.

Leider schien er mein Flehen nicht zu erhören. Weder tauchte ein Engel auf, der mir in einem goldenen Strahl aus Himmelslicht meine heilige Eos aus den himmlischen Gefilden zurückbrachte, noch der kleine Teufelsbraten, dessen Name ich inzwischen wusste, und der vielleicht meine Rettung hätte sein können.

Aber im Grunde bezweifelte ich, das Schneewittchen sich um mein Baby gekümmert hatte, so in ihren Gedanken gefangen, wie sie war. Sicher hatte sie meine Eos überhaupt nicht gesehen. Oder bemerkt, dass ich sie vergessen hatte.

✔Unter dem RegenbogenWhere stories live. Discover now