Kapitel 28

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„Haaaaaiiiii“, posaunte Dener und fiel uns einfach um den Hals. Ich war etwas verwirrt. „Was machst du denn hier?“, fragte Steffen sofort und auch ich wartete gespannt auf Deners Antwort: „Disse von Schweden abholen und Rune auch… bin sowieso verletzt“, grinste er. „Seit wann bist du verletzt?“, wollte ich skeptisch wissen, da ich nirgendwo was von einer Verletzung gelesen habe. „Seit ich mir den linken Finger in der Autotür eingeklemmt habe“, lachte er. Er war verrückt. Nein, Dener war mehr als verrückt! Er war gestört! Aber ich hatte nie was gegen ihn. Nur wenn er und Disse zusammen waren, war das echt nicht so produktiv. Das sind zwei Menschen gleicher Sorte. Es war zumindest immer sehr anstrengend.
„Niko und Steffen, meine Freunde!“. Mit offenen Armen kam Disse auf uns zu gerannt und schmiss dabei seine Vase von der Kommode runter. „Die war eh hässlich“, sagte Dener kalt und zog uns mit ins Wohnzimmer. Disse hielt sich noch immer seine Hand. „Was hast du denn jetzt schon wieder gemacht?“, fragte Rune mit hochgezogenen Augenbrauen. Er hatte es sich auf der Couch mit einer Flasche Bier bequem gemacht.
„Aber Disse, jetzt mal im Ernst… wie bescheuert seid ihr eigentlich und was habt ihr wirklich gemacht?“, stellte Steffen die Frage, wegen der wir hier waren. „Ähm… also, wenn ich das noch wüsste“. Disse kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Du hast mit so ner heißen Frau rumgemacht hast du gesagt“, mischte sich Dener in das Gespräch ein. „Wie viel habt ihr bitteschön gesoffen?“, fragte ich weiter und diesmal antwortete Rune: „Viel… am Spielplatz erst so ein paar Bier und dann hatten diese Mädchen halt noch so härteres Zeug dabei und dann sind wir in so nen Club und was man da so trinkt, weißt du ja selber“. „Was man trinken kann, weiß ich auch, Schlaumeier, was man am Ende aber dann trinkt, bleibt jedem selbst überlassen“. Steffen blieb echt souverän und hatte irgendwie immer eine passende Antwort parat. Das faszinierte mich schon wieder.
„Bei Nikos Blicken gerade will ich gar nicht wissen, was ihr so getrieben habt“, zwinkerte uns Disse zu. *Dem musste aber auch nichts entgehen*. Natürlich lief ich rot an. Was anderes habe ich ja nicht erwartet… „Tja, wenn ihr das wüsstest“, meinte Steffen mit einer unglaublichen sexy Stimme, die mich noch mehr aus dem Verstand brachte. „Ohhhhh“, rief Dener.
Später hat sich herausgestellt, dass Herr Jaanimaa keinen Plan hatte, worum es überhaupt ging. Hauptsache mal „ohhhhh“ sagen. Dener, Dener, Dener…
„Aber mal im Ernst: Niko, Steffen, gebt doch einfach zu, dass ihr aufeinander steht… damit wäre doch allen geholfen“. „Steffen hat ne Freundin“, warf Rune ein. Das Gespräch driftete mir etwas zu weit ab. „Jaaaa“, kam es zögerlich von Steffen.
Daran habe ich ja irgendwie gar nicht gedacht… bei all den schönen Momenten mit ihm habe ich seine Freundin ja total vergessen!
„Danke Disse, aber du musst mir keine Beziehungstipps geben“, meinte Steffen kalt. Was wollte er damit jetzt sagen? Was bildete ich mir eigentlich schon wieder ein? „Ich will euch nur helfen“, grinste unsere Nummer 15 frech und trank den letzten Schluck seines Biers. „Krieg erstmal deine eigenen Probleme in Griff“, motzte Steffen und langsam wurde es heikel. ICH! ICH, Nikola Bilyk, beendete die Diskussion: „Ist doch jetzt scheißegal, Jungs. Ich habe keinen Bock, dass wir uns morgen wieder alle nur wegen so einem Schrott angiften. Wir kümmern uns alle erstmal um unsere eigenen Probleme, und da wird es schwer genug sein, die in Griff zu bekommen! Das hat doch keinen Wert, wenn wir uns hier nur anzicken!“
Ich war selbst erstaunt über meine Wortwahl und auch ein bisschen stolz auf mich… okay, vergessen wir den letzten Teil!
„Niko hat Recht“, sagte Rune barsch. „Worum geht’s denn?“. „Alter Dener, bist du eigentlich taub?“, schrie Disse seinen Kumpel an. Er meinte es aber nicht böse. „Sorry, hab nicht aufgepasst“, rechtfertigte sich der Melsunger und spitzte seine Ohren zur Hälfte. *Der war ja noch schlimmer als ich*.
Dann war es ruhig. Erstaunlicherweise. Zu ruhig.
„Wie lange bleibst du hier, Dener?“, brach Steffen die Stille. „So schnell wirst du mich nicht los“, grinste der Este zufrieden und deutete auf seine vollgestopfte Tasche, die neben dem Fernseher stand. „Ich verstehe“. Mit hochgezogenen Augenbrauen warf Steffen ein Blick auf diese Monstertasche und nickte Dener skeptisch zu.
•••
Die Zeit verging. Wir trainierten ziemlich viel, und dass alles ohne Rune und Disse. Alfred zog da sein Ding durch. Die Freundschaft zu Steffen bestand weiterhin, jedoch versuchte ich immer krampfhaft ihm nicht in die Augen zu schauen, weil ich mich sonst eh wieder nur drin verfangen würde. Wie es halt immer so ist. Mit Lukas und seiner Freundin unternahm ich auch ab und zu mal was, oder wir chillten einfach bei mir auf der Couch rum und zogen uns Serien rein. Er war echt ein guter Freund inzwischen.
Heute war es endlich soweit: Das Rückspiel gegen Paris Saint Germain. Wir haben vor zwei Wochen in Paris nicht nur die Punkte verloren, sondern auch jede Menge Anerkennung und Respekt. Das war echt das peinlichste Auftreten einer Mannschaft, das ich je erlebt habe und ich war Teil davon. Egal. Hinspiel hin oder her. Jetzt musste es anders werden… besser!
Ich fuhr dieses Mal alleine mit meinem Auto zur Sparkassenarena, parkte und betrat die Halle. Wir versammelten uns nochmal im Pressekonferenzraum und Alfred richtete noch seine üblichen Worte und letzten taktischen Besprechungen an uns. Wir waren bereit. Alle. Wir wollten gewinnen. Alle. Wir waren fit, wir waren ein Team, wir waren motiviert und heiß auf die zwei Punkte… heiß auf eine Revanche… heiß, es nochmal Paris zeigen zu können… es besser zu machen.
Ich streifte mir mein Trikot mit der Nummer 53 über den Kopf und starrte danach dann auf Steffens Sixpack. Er stand nur wenige Meter weg von mir und hielt gerade noch sein Handy in der Hand. Ich konnte meinen Blick nicht ablassen… und da streckte Disse seinen Kopf durch die Türe. Natürlich fiel sein Blick auf mich und er folgte der Richtung. Dann grinste er fett und breit über das ganze Gesicht, wünschte uns viel Glück und ging wieder.
Wieso immer er?
„Also Jungs, wir haben echt hart trainiert, ihr habt gut mitgezogen und heute machen wir es besser! Wir beginnen mit Emil auf Linksaußen, Niko Rückraum links, Miha startet heute auf der Mitte und kommt dann in der Abwehr raus, dann haben wir Steffen auf rechts und Niclas beginnt Rechtsaußen. Patrick am Kreis und Rene, du kommst in die Abwehr für Miha. Andi startet im Tor“, erklärte Alfred und klatschte dann in die Hände. Wir motivierten uns noch ein letztes Mal vor dem Spiel gegenseitig und liefen dann den Gang vor, von dem aus wir in die Arena einlaufen konnten. Wir hörten schon von draußen die Fans. Leider auch einige Pfiffe. Wen wunderte das?!
Es ging los. Der Schiedsrichter pfiff an und Bammbamm passte zu Miha. Dieser spielte mich auf halb an und ich leitete den Ball weiter auf Emil. Paris wirkte heute etwas müde und ausgelaugt – ganz im Gegensatz zu uns. Miha zog die Abwehr auseinander und spielte einen Zuckerpass auf unseren Kreisläufer, der den Ball sicher im Tor unterbringen konnte. 1-0.
Nach einem zwischenzeitlichen 10-7 konnte Paris bis zur Halbzeit allerdings noch zu einem 14-14 ausgleichen und mit diesem Unentschieden ging es dann in die Pause. Hier war noch nichts gewonnen. Das wussten wir, das wussten unsere Fans, das wusste Paris.
Paris legte vor und führte schnell mit 16-14, doch dann kam unsere Wende. Gegenstoß um Gegenstoß rollte auf das pariser Tor zu. Egal, ob über links, über rechts, oder über die Mitte. 21-17 für uns der neue Spielstand. Es waren noch etwas mehr als fünfzehn Minuten zu spielen. Paris konnte verkürzen, doch im Angriff hämmerte ich den Ball beherzt in die Maschen, Miha passte auf den eingelaufenen Ole Rahmel, der nun für Niclas Ekberg im Spiel war, hinten parierte Niklas Landin und wenige Minuten später entschärfte Andi Wolff einen Siebenmeter von Uwe Gensheimer. Die Halle stand Kopf. Fünf Minuten waren es noch zu spielen und unsere Führung ist auf mittlerweile sieben Treffer angewachsen.
Souverän spielten wir den Sieg über die Zeit und rannten danach wie die gestochenen Hühner über das Spielfeld. Die zum Zuschauen verdonnerten Christian Dissinger und Rune Dahmke stürmten auf das Feld runter und schmissen sich einfach auf uns drauf. Dule klopfte Alfred anerkennend auf die Schulter. Alle Fans standen, jubelten uns zu und waren zufrieden mit der Leistung, die wir heute an den Tag gelegt haben. Paris verließ die Halle mit hängenden Köpfen, während wir alle noch Interviews gaben.
„Herr Bilyk, vor zwei Wochen hat es noch eine herbe Niederlage gegen die starken Pariser gegeben. Was war heute ausschlaggebend für den Sieg?“
„Unsere Mannschaftsleistung. Ganz klar. Vor zwei Wochen war kein Zusammenspiel zu sehen, jeder hat für sich selbst gespielt. Heute war das anders, wir haben als Team agiert und zusammen das Spiel gewonnen“
„Aber woran liegt das?“
„Wir waren im Trainingslager und da ist es vielen von uns erst wieder bewusstgeworden, dass man alleine nichts in einem Team reißen kann“
„Christian Dissinger im Hinspiel vor zwei Wochen noch der einzige Lichtblick im Team, heute hat er gar nicht gespielt. Hat das die Mannschaft nochmal enger zusammengeschweißt?“
„Was soll das für eine Frage sein? Jeder hat mal einen guten und einen schlechten Tag und da spielt es keine Rolle, wer in dem oder in dem Spiel besser war. Alles beginnt wieder bei null und man hat ja auch gesehen, dass wir es auch ohne zwei Leistungsträger geschafft haben. An dieser Stelle kann man Emil wirklich loben, er hat seine Sache auf Linksaußen echt sehr gut gemacht“
„Vielen Dank für das Gespräch“
„Danke
Ich verdrehte die Augen und hoffte inständig, dass das keiner gesehen hat. Wie ich so Reporter einfach hasste…

Geheime LiebeWhere stories live. Discover now