2. Kapitel

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Flamme schlich vom Lager weg und sprang auf eine Mauer. Geschickt balancierte sie auf dieser, bis sie an einer Wiese am Waldrand ankam. Sie sprang leise in das weiche Gras und rannte zu den Bäumen. Dort angekommen roch sie den Geruch des EisClans, der auch an Steinpfotes Fell gehaftet hatte. Es war eine harmonische Kombination aus den Düften des Waldes und der frischen, kalten, felsigen Luft der Berge. Der Schüler hatte erzählt, dass die Grenze zwei mal täglich kontrolliert und die Duftmarken erneuert werden. Da aber Fang schon die Abendpatrouille abgefangen hatte, glaubte die Kätzin kaum noch eine Katze zu treffen. Entschlossen übertrat sie die Grenze und jagte durch den Wald in Richtung der Berge. Steinpfote hatte ihr verraten, dass das Lager geschützt auf einem Felsplateau lag. Er hatte auch erwähnt, dass sie sich am besten an einem Bach orientieren könne, da dieser vom Plateau durch das ganze EisClan Territorium fliese. Etwas nervös war Flamme schon. Sie wusste, dass man ihr womöglich nicht trauen würde. Doch diesen Gedanken verdrängte sie. Sie musste um jeden Preis den Clan finden!
Kurz darauf stieß sie auf den Bach, den Steinpfote ihr genannt hatte und trabte gegen den Strom weiter.
Sie lauschte dem gurgeln des Wassers und den nächtlichen Geräuschen des Waldes, als sie ein knacken über sich hörte. Doch ehe sich Flamme dem Geräusch zugewandt hatte, landete ein Gewicht auf ihr und drückte sie in den von Blättern bedekten moosigen Boden.
,,Wer bist du, und was hast du im Gebiet des EisClans zu suchen?!", fauchte das Etwas, das auf Flamme gelandet war und ließ zu erkennen, dass es eine Katze war.
,,Windschweif, hast du den Streuner?", fragte eine weitere Stimme, die einer Kätzin gehörte.
,,Ja. Hol Eispfote und Nebelwolke.", jaulte der Kater, der Flamme zu Boden drückte.
,,Nicht nötig, wir sind schon da.", miaute eine weitere Kätzin.
,,Hat sie schon was gesagt?", fragte ein jüngerer Kater.
,,Wie denn?", fragte Flamme sarkastisch, was leider nicht so gut ankam. Ihr Angreifer drückte sie nämlich noch fester in den Boden.
,,Windschweif, lass sie. Sie hatte doch wirklich noch keine Change zu sprechen. Lass sie los, aber bleibt wachsam.", warf die Kätzin ein.
Das Gewicht ging von den Schultern der jungen Streunerin. Sie stand auf und sah auf eine kleine Patrouille von vier Katzen. Die offensichtliche Anführerin war eine hübsche graue Kätzin mit einem ruhigen, wachsamen Blick. Neben ihr war der jüngere Kater, der sein weißes Fell aufgestellt hatte und Flamme zornig mit seinen Bernsteinaugen anfunkelte. Etwas abseits stand eine schwarze Kätzin, die mit der Dunkelheit des Waldes verschmolz, sie aber genau im Blick hatte. Der Kater, der sie entdeckt hatte, stand neben ihr und war getigert.
,,Wer bist du, und was tust du auf unserem Gebiet?", fragte die Graue.
,,Mein Name ist Flamme. Ich gehöre zwar zu den Streunern, komme aber in friedlicher Absicht. Ich möchte dem EisClan helfen Steinpfote zu befreien.", antwortete sie ruhig, aber sie hatte Angst.
Die graue Kätzin runzelte verwirrt die Stirn.
,,Sagst du die Wahrheit? Geht es meinem Bruder gut?", fragte der weiße Kater besorgt.
Flamme erinnerte sich, dass Steinpfote ihr von seinem Wurfgefährten erzählt hatte.
,,Ja. Noch geht es ihm gut. Er hatte sich gegen Kralle behaupten müssen und hat deshalb ein paar schmerzende Wunden, aber sonst ist er wohlauf.", antwortete sie dem Kater.
,,Schon ungewöhnlich, dass sie uns aufsucht. Es könnte eine Falle sein.", meinte der Getigerte.
,,Nein, Windschweif. Das glaube ich nicht. Sie erzählt offen und ehrlich, das sie Steinpfote helfen will. Ich denke, sie sagt die Wahrheit.", wiedersprach der Schüler.
,,Ich denke zwar nicht, dass sie lügt, aber ich finde, Firnstern sollte über sie urteilen. Was sagst du dazu, Nebelwolke?", fragte die schwarze Kätzin.
,,Zugegeben, es scheint noch so seltsam, aber ich glaube das du recht hast, Nachtschweif. Ich denke, dass sie nicht lügt, aber wir sollten Firnstern das Urteil überlassen.", entschied die Graue und gab mit einem Schwanzschnippen das Signal zum Abmarsch.
Die rote Kätzin lief hinter Nebelwolke her, die die Patroullie anführte. Um sie herum liefen die anderen Katzen, mit einem stetigen Blick auf sie. Sie zogen weiter am Bach entlang, wichen aber bald in den Wald. Flamme bemerkte, dass es bergauf ging und nicht selten mussten sie Steine hinauf klettern. Der Wald wurde immer lichter und bald darauf erreichten sie einen schmalen Pfad, auf dem sie entlangliefen.
,,Eispfote, lauf vorraus und sag Bescheid, dass Firnstern gleich Besuch bekommt.", befahl Windschweif dem Schüler. Dieser nickte und stürmte an ihnen vorbei, in Richtung eines
Felsplateaus in der Ferne. Dort muss das Lager sein...
Flamme fiel aber auf, dass hinter dem Plateau noch mehr Berge waren. Vielleicht waren sie dem Lager doch nicht so nah, wie sie dachte. Vor ihnen hörte der Wald nun auf, und sie liefen auf einer großen Ebene weiter. Die Kätzin sah hinauf zum Himmel. Er war wolkenlos und das Silbervlies glänzte in unnatürlicher Schönheit über ihnen. So klar hatte Flamme den unendlichen Himmel noch nie gesehen.
,,Das ist ja der Wahnsinn.", hauchte sie.
,,Hast du das Silbervlies noch nie so gesehen?", fragte die schwarze Kätzin und kam näher zu ihr.
,,Nein. Im Zweibeinerort brennen Lichter, die die Nacht erhellen. Deswegen kann man den Himmel nie in seiner ganzen Pracht sehen. Aber an solche Schönheit habe ich nie zu träumen gewagt."
,,Ist dir aufgefallen, das, je länger du das Silbervlies ansiehst, mehr Sterne erscheinen?", miaute sie.
Flamme nickte.
,,Nachtschweif!", zischte Windschweif mahnend.
,,Lass sie doch mit ihr Reden.", meinte Nebelwolke, die ihren Kopf zurückgeworfen hatte.
,,Genau das sollten wir tun. Wenn wir über unsere Probleme und Lebensweisen reden würden und einander verstehen, dann könnten wir friedlich miteinander leben. Das habe ich schon immer gesagt, aber es hört ja keine Katze auf ein Junges.", bestätigte Flamme die graue Kätzin.
,,Du glaubst an Frieden?", fragte Nachtschweif verwundert.
,,Ja. Wir sind gar nicht mal so verschieden. Ich habe mich den ganzen Mittag mit Steinpfote unterhalten. Er hat mir viel vom Gesetz der Krieger und den Clans erzählt. Unser Streunerdasein ist nicht mal halb so ehrenhaft wie das Kriegerdasein. Nein, man kann das gar nicht mal vergleichen."
,,Hört sich so an, als würdest du gerne deine Streunerbande verlassen.", meinte Nebelwolke, die sich hat zurückfallen lassen.
,,Ja, aber ich traue mich nicht. Vor zwei Monden hatte uns Flick verlassen. Ein paar Tage später war ich mit Fang unterwegs und er hatte Flick aufgespürt und getötet. Wenn ich die Streuner verlassen würde, wäre ich genau so dran.", schauderte es der Roten.
,,Klingt hart.", meinte Windschweif mit besorgnis.
Flamme sah den getigerten Kater verwirrt an. Vorhin war er doch noch so feindlich gewesen...?
,,So, ich hoffe, du hast keine Höhenangst. Wir gehen jetzt diesen Pfad nach oben.", kündigte Nebelwolke an.
Sie waren unten am Plateau und ein schmaler Pfad führte dort nach oben. Die graue Katzin ging leichtpfotig voran, Flamme folgte ihr. Hinter ihr reihten sich Nachtschweif und Windschweif ein. Der Pfad wand sich im zickzack nach oben und Staub und kleine Steinchen rieselten bei jedem Schritt nach unten. Doch die Gruppe kam sicher oben an.
Flamme wagte einen Blick in die Ferne. Alles sah so weit weg aus, das sie nicht glauben konnte, dass sie diesen weiten Weg gelaufen war. Der Zweibeinerort umfasste nur ein paar Lichter hinter dem Wald und sonst war alles von Wald, Wiese und Fels bedeckt.
,,Komm, es ist nicht mehr weit.", spornte Nebelwolke an und die Kätzin wand sich ab.
,,Dort hinten bei den Felsen ist unser Lager.", erklärte Nachtschweif.
In der Dunkelheit erkannte die Rote tatsächlich ein paar Felsen. Aber sie lagen nicht nur wahllos in der Gegend herum, sie bildeten teilweiße auch Höhlen und Unterschlupfe für Katzen. Außerdem wuchsen dort auch ein paar Büsche, die Schutz boten. Als die Gruppe sich näherte, konnte Flamme im fahlen Mondlicht Katzen erkennen. Ein stolzer, weißer Kater mit langem Pelz und leuchtenden hellblauen Augen kam gefolgt von Eispfote und einer alten silbergrauen Kätzin mit michig weißen Augen auf sie zu.
,,Du bist also die Streunerin, von der Eispfote uns erzählt hat?", fragte er kühl.
,,Ja. Ich komme aber nicht, um euch zu schaden. Ich will euch helfen Steinpfote zu befreien.", antwortete Flamme ehrfürchtig.
Der Kater musterte die junge Kätzin und sie bekam Angst, das er ihr keinen glauben schenken würde. Doch es kam nicht so. Der Kater lächelte sie freundlich an.
,,Du scheinst die Wahrheit zu sprechen. Mein Name ist Firnstern und ich führe diesen Clan. Kannst du mir auch deinen Namen nennen, und auch, warum du uns helfen willst?"
,,Äh... ja. Ich heiße Flamme und ich will helfen, weil ich an Frieden glaube. Wenn Steinpfote bis zum Halbmond noch bei uns im Lager ist, wird er sterben und das würde die Feindschaft noch mehr schüren."
,,Flamme. Ein ungewöhnlicher Name. Warum heißt du so?", fragte die alte Kätzin, die sich bisher noch nicht gemeldet hatte.
,,Fang, unser Anführer hat ihn mir gegeben. Meine Mutter hat mir erzählt, das mein Bruder und ich inmitten eines Feuers geboren worden sind. Und weil mein Fell so rot ist, wie das Feuer, heiße ich Flamme. Mein Bruder wurde aber nach der Geburt von dem Feuer im Gesicht verletzt, sodass er die Narbe heute noch trägt. Deshalb wurde er von Fang Narbe genannt.", erklärte die Kätzin.
Die Alte sah den Anführer an. Den Blick der beiden konnte die Kätzin nicht deuten, aber es war wohl nicht von Bedeutung für sie.
,,Flamme, wie hast du gedacht uns zu helfen? Fang hatte uns Angeboten Steinpfote laufen zu lassen, wenn wir ihm einen großen Teil unseres Jagtgebietes überlassen. Wir wollten morgen Nacht zuschlagen, um ihn zu befreien.", berichtete der Anführer.
,,Das wäre nicht sehr klug. Nachts sind nämlich unsere stärksten Kämpfer im Lager und Fang würde nicht zögern Verstärkung anzufordern. Über Mittag ist fast keine Katze im Lager. Ich habe den Auftrag Steinpfote Tags über zu bewachen. Zu dieser Zeit ist außer mir und ihm noch Flieder mit ihren Jungen und etwa zwei bis drei andere Katzen im Lager. Da wäre es geeigneter zuzuschlagen. Aber Steinpfote kann im Moment kaum laufen, weil er zerkratzte Hinterläufe hat.", überlegte Flamme.
,,Sind es nur Kratzwunden?", fragte die silbergraue Kätzin.
,,Ja."
,,Behandle die Wunden mit Ampfer. Falls es tiefere Krater gibt, wäre Studentenblume ein besseres Kraut. Weißt du, wie die Kräuter aussehen?"
Sie nickte.
,,Gletscherwasser ist blind.", flüsterte Nachtschweif der Kätzin zu.
,,Taub bin ich aber noch nicht.", konterte sie.
,,Ja, ich weiß, welche Kräuter das sind.", gab Flamme dazwischen.
,,Halbmond ist schon in fünf Tagen. Denkst du, dass du es schaffst ihn in drei Tagen soweit zu haben, dass er laufen kann?", fragte Firnstern.
,,Ich denke schon. Wenn sich die Wunden nicht infizieren."
,,Dann ist es beschlossen. In drei Tagen greifen wir an.", beschloss der Anführer.
Flamme nickte entschlossen.
,,Ich danke dir für deine Hilfsbereitschaft. Ich hoffe, dein Handeln führt uns nicht in eine Falle."
,,Das wird es nicht, das schwöre ich im Namen des SternenClans."
Die Clan Katzen schmunzelten.
,,Steinpfote vertraut mir. Er hat mir vom Gesetz der Krieger erzählt, und auch von euren Ahnen.", klärte die Kätzin auf.
,,Er ist so mausehirnig...", murmelte Eispfote.
,,Ich hoffe, du weißt in welchem Namen dein Schwur steht. Wenn du uns belogen haben solltest, dann wird das Konzequenzen für dich haben.", mahnte Firnstern sie.
,,Ich bin mir da durchaus im Klaren. Ihr könnt mir vertrauen.", versprach Flamme mit ernstem Blick.
,,Nun gut. Eispfote, Windschweif. Ihr bringt sie sicher zur Grenze.", befahl der Anfüher, bevor er sich mit einem Nicken abwand. Gletscherwasser, Nebelwolke und Nachtschweif folgten ihm.
Gemeinsam mit den Katern ging sie den Weg zurück über die Ebene und durch den Wald. An der Grenze verabschiedete sie sich kurz von den Clankatzen und schlich so leise zurück in ihr Nest, wie sie es verlassen hatte.

Warrior Cats - Flammenwinds BürdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt