Kapitel 30

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Halb blind vor Wut stolperte Morpheus durch die Flügeltüren in seine Suite. Krachend ging der Globus auf dem Eisengestell in der Mitte der Bibliothek zu Boden, als er daran hängen blieb.

Ein unmenschliches Fauchen entwich seinem Mund, als Morpheus es packte und herumschleuderte.

Schwer atmend taumelte er auf seinen Schreibtisch zu, seine Wut nährte die Schatten um ihn herum, sodass sie zu einer Woge aus pechschwarzer, peitschender Gier anschwollen. Schweiß trat ihm auf die Stirn, als er versuchte, seine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Was macht sie nur mit mir? Ich kann nicht mehr!

»Anthony!«

Er starrte auf seine weißen Fingerknöchel, die die Ecken des Tisches umklammerten, in der Hoffnung, dass der Schmerz ihn wieder ein Stück in die Realität zurückbringen würde. Fehlanzeige.

Das Tier in ihm knurrte und warf sich gegen seine Gitterstäbe. Morpheus stöhnte auf. Er wusste, dass seine Augen die Farbe wechselten.
Aber noch war es nicht so weit. Noch hatte er die Kontrolle.

Aber warum regte er sich so auf? Malia hatte ihn lediglich gefragt, ob sie gehen durfte...

Eher, ob sie endlich von mir wegkommen könnte. Als wäre ich wirklich so ein Monster.

Das Holz knackste unter seinen Händen, gerade als Anthony außer Atem hereinstürmte.

»Himmel, was ist passiert?«, fragte er mit bleichem Gesicht, als er Morpheus Gesicht sah.

Bitter lachte Morpheus »Ich bin ein Idiot. Aber das ist nichts Neues, hm?«

Vorsichtig und mit besorgt gerunzelter Stirn trat Anthony näher »Es war das Mädchen, stimmt's? Mann, ich habe dir gesagt, sie ist nicht gut für dich!«

Morpheus fuhr herum und bevor er blinzeln konnte, lag seine Hand um der Kehle seines Freundes »Und wenn schon. Was schert es dich?« Erwartungsvoll schwappten die Schatten über seine Füße.

Angst trat in die Augen von Anthony und Morpheus blinzelte verwirrt. Sofort lösten sich seine Finger und Anthony sank hustend auf den Boden.

Morpheus presste seine Knöchel auf die Augen und drehte sich weg »Ich- Scheiße, warum kann ich sie nicht einfach loslassen? Sieh nur, was mit mir passiert!« Eine Hand legte sich auf seine Schulter und drehte ihn wieder herum.

»Lass sie gehen. Du brauchst dringend Abstand, Morpheus. Weißt du, wie kurz du davor bist, Amok zu laufen? Und der einzige Grund ist dieses Mädchen! Lass sie los, bevor du dich ernsthaft an sie bindest.«

Zu spät.

»Ich kann nicht...«

Anthonys Augen wurden hart »Doch, du kannst. Du kannst und du wirst. Ich setzte nicht das Schicksal dieses Landes und das Leben unzähliger Seelen aufs Spiel, nur weil ein Mädchen dein Herz bricht. Erneut!«

Jetzt sah Morpheus ihm ins Gesicht. »Ich sagte, ich kann nicht! Es fühlt sich jetzt schon so an, als hätte man mir jeden einzelnen Knochen gebrochen, weil ich sie alleine in ihrem Zimmer zurückgelassen habe! Was glaubst du passiert, wenn ich sie tatsächlich wegschicke?«, zischte er.

Anthony richtete sich auf »Du bist völlig neben der Spur, du kannst nicht denken.« Er schüttelte den Kopf »Ich weiß nicht, wie ich zu dir durchdringen kann.«

»Dann verschwinde doch einfach!«, fauchte Morpheus.

»Keine Sorge, ich bin schon weg.«, knurrte Anthony und kehrte ihm den Rücken zu.

Dann war er verschwunden und Morpheus war alleine mit seinen zerstörerischen Gedanken.

Er brüllte zornig auf und fegte alle Gegenstände und Blätter vom Tisch. Die Schatten stoben aufgeregt auseinander und verkrochen sich schleunigst in alle Ecken und Ritzen, die sie finden konnten.

Geladen wie ein Pulverfass ging er um das Chaos, das er gestiftet hatte herum und setzte sich auf den wuchtigen Stuhl. Mit zitternden Fingern holte er die Holzkiste hervor und fuhr über die Schnitzereien.

Warumtat das Loch in seiner Brust weh, obwohl dort eigentlich nichts mehr war, dasetwas empfinden könnte?    

GefangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt