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Vor knapp einer halben Stunde hat sie sich auf dem Weg zum Arbeitsplatz ihrer Mutter gemacht, vor einer Minute hat der Bildschirm nur noch schwarz angezeigt. Mona hat darauf die Platine in ihrer Hülle aus der Manteltasche gezogen und bei den beiden leuchtenden LEDs bemerkt, dass das ganze System gecrashed war. Als sie die Hülle geöffnet und den Lüfter entfernt hat, war ihr schon die heiße Luft entgegengekommen und sie tippte auf Überhitzung. Die war mit Vorsicht zu genießen.

Und von der einen Sekunde auf die andere, als sie auf der Eisplatte unter ihren Füßen leicht zur Seite gerutscht war, glitt aus ihrer Hand die kleine Platine und drohte zu Boden zu fallen. Wochenlange Arbeit wird ins Nichts zersplittern, wenn die Speicherkarte den Sturz nicht überleben würde. Alleine bei dem Gedanken, stiegen ihr schon Tränen in die Augen.

Eine Hand an ihrer Schulter, eine andere, die in die Luft griff und ein Körper ganz nahe an ihrem. Es ging alles zu schnell, um reagieren zu können, weder noch zu realisieren, was vor sich ging.

Leicht lächelnd, hob nun der junge Mann die vorerst noch gefallene Platine auf seiner Handfläche. Mit der anderen Hand hatte er sich an Mona festgehalten, um nicht selbst zu fallen und sie außerdem vor dem Sturz zu bewahren.

"Bitteschön, Mi..."
Während seines Satzes bemerkte er nun, wie heiß der kleine Computer auf seiner Haut war und er hielt den Atem an. Mona realisierte nun erst einmal, wer vor ihr stand und befahl ihm, die Platine fallen zu lassen, doch er schüttelte den Kopf. Immer wieder redete sie auf ihm ein, bis er schlussendlich die primitive Legohülle aus ihrer Handfläche nahm und die Platine kopfüber hineinlegte. Er schüttelte die rechte Hand, die nur so brannte vom heißen Plastik.

"Bist du verrückt?!", klang ihre Stimme zugleich wütend, wenn auch besorgt und ohne nach der ihr entgegengestreckten Platine im sicheren Behälter zu greifen, nahm sie seine Hand. Vorsichtig legte sie beide ihrer Hände sanft um seine und musterte den leicht rechteckigen Brandfleck zwischen Daumen und Zeigefinger. Wenn er es sich einbildete, war dort sogar das kleine Zeichen des Platinenherstellers vertreten.

"Anata wa osoraku kanojo o okora semasu", murmelte Kento hinter Ryoyu, der alles nur beobachtete. Die beiden scheinen wohl vertraut, anders würde er sich diese Geste seines Zimmerkollegen nicht erklären können, wo er sonst der schüchternste des ganzen Teams war.

"Hontōni?", schmunzelte Kobayashi über die Schulter und zog eine Augenbraue nach oben. Diese Kommentare konnte Sakuyama sich wirklich sparen. Ryoyu war einfach nur froh, dass Mona kein Japanisch verstand, somit konnte sein Freund unendlich lange in der Muttersprache reden und nur Ryoyu würde es auf den Wecker gehen. Mona lag ihm irgendwie am Herzen und Ryoyu glaubte, dass es ihre fröhliche, angenehme Art war, offen auf Menschen zuzugehen. Eine Sache, die er nicht konnte.
Außerdem hatte er sich für etwas noch nicht bedankt.

"Entschuldige, ich...", stotterte er hervor und wurde bei dem kurzen Schniefen aufmerksam. Er beugte sich etwas ihr entgegen, um in ihre Augen sehen zu können, die sie tief auf die Verletzung gesenkt hielt, verweigerte den Blickkontakt.
"Mona?"

Sie begann leicht zu kichern und spürte nur die Tränen über ihre Wangen kullern, die sie eigentlich zurückhalten wollte. Doch seine Aussprache ihres Namens klang zu einzigartig, als es unkommentiert zu lassen.

"Der Tag ist zu schön um zu weinen", stopfte er die Platine in der Legohülle nun in seine Jackentasche, um seine Hand auf ihre beiden legen zu können, die sie schützend um seine Hand gelegt hatte. Als würde sie damit Fehler versuchen, rückgängig zu machen, für die sie sich die Schuld zuschrieb. Sie war zu besorgt um ihn, für seinen Geschmack.

Als hätte Kento sich verschluckt, brach er in einem Hustenreiz los und murmelte ein Hareruya dazwischen hervor, worauf er einen geschickten Tritt ins Schienbein, von Ryoyu ausgeteilt, kassierte. Auch wenn Sakuyama der ältere war, lag es an Kobayashi ihn ein wenig zu erziehen. Ihm war es immer noch ein Rätsel, wie Kento eine Freundin gefunden hat, bei diesem manchmal kindischen Verhalten.

[ryoyu kobayashi] etānitīWo Geschichten leben. Entdecke jetzt