20 Die Sache mit Jäger und Sammler (Ethan)

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„Danke", brachte ich schweren Herzens hervor. Manchmal hasste ich dieses Wort, weil es für mich eine Art ehrkränkende Unterwerfung war. „Hat sich noch nie jemand getraut, meiner Mutter gegenüberzutreten geschweige denn ihr zu widersprechen." Selbst du traust dich das nicht ...

Nie hätte ich gedacht, Streberlein könnte derartig rebellisch sein, wobei sie sonst die perfekte Schwiegertochter verkörperte mit ihrem Einserdurchschnitt, vorzeige Moral und Schleimverhalten, dennoch hatte sie mich so eben erneut vom Gegenteil überzeugt, schließlich hatten sie und meine Mutter gerade eben förmlich einen Krieg mit Worten geführt, der ohne mein Einschreiten nicht mehr lange bloß wörtlich geblieben wäre ...

„Kein Problem, ich fand's einfach unglaublich, wie sie mit dir umgegangen ist, gerade weil du mir die Vorgeschichte neulich gezwungenermaßen geschildert hast", kurz stoppte sie und fixierte meine Augen. Im Moment waren ihre Augen frei von Abwertung, Unbehagen und gewissem Hass. Mich blickten lediglich zwei schimmernde tiefbraune Rehaugen an.

Nur zu gern verdrängte ich, dass ich Harper von meinen Eltern und meiner Beziehung – nicht vorhandenen Beziehung – zu ihnen erzählt hatte und mich somit verletzlich und schwach gegenüber ihr gezeigt hatte. Nie hatte ich mit jemandem darüber geredet – nicht einmal mit Taylor, der wie ein Bruder für mich war. Ich versuchte es immer mit mir selbst zu vereinbaren, jedoch hatte sich herausgestellt, dass es milderte, wenn man drüber sprach. Dabei war ich immer davon ausgegangen, durch Verdrängung erledige es sich irgendwann von selbst. Und erst recht hätte ich nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet Nerdi meine Seelsorgerin spielte.

Blue Moon, you saw me standing alone, without a dream in my heart, without a love of my own.

„Das ist dann wohl mein Stichwort: Das Spiel beginnt in drei Minuten", kommentierte ich die schrillen Laute. Und nein, es war nicht übertrieben, dass ich mir einen Alarm mit der Manchester-Hymne eingestellt hatte ...

Wie gewohnt schmiss ich mich auf die Couch und machte es mir für ein perfektes Fußballspiel gemütlich.

„Du stellst dir extra einen Wecker?" Harper musterte mich mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Natürlich, darf schließlich keine einzige Sekunde verpassen", argumentierte ich entschlossen. Fußballschauen war neben selber zu spielen und Partys zu feiern, dass Spannendste, was ich mir vorstellen konnte. Zugegeben, dabei wurde ich zum psychopathischen Fanboy.

„Das werde ich wohl nie verstehen", gab sie auf und setzte sich neben mich.

Amüsiert über ihre Fügung schaltete ich den Fernseher an und stellte den Kanal ein, der die geschichtsträchtigen Spiele Europas übertrug.

Sicher, Fußball war beliebt in den USA, trotzdem längst nicht derartig wie Football oder Baseball. In Europa jedoch war es der Nationalsport schlecht hin. Nirgendwo gab es so viele Premier League Vereine wie dort. Selbst wenn wir an der Weltmeisterschaft teilnahmen, wurde dies bei uns nicht gefeiert wie in Europa, wo die ganze Bevölkerung mitfieberte und ihre Nationalmannschaften anfeuerte. Zudem gewann meistens eine europäische Mannschaft.

„Im heutigen Spiel treten FC Barcelona und Manchester City gegeneinander an. In der Champions League messen sich die besten Mannschaften europäischer Staaten miteinander", sprudelte ich voller Feuer und Flamme. Fußball war ein Thema, über das ich Stunden lang labern konnte.

Seit ich ein kleiner Junge gewesen war, schaute ich bei jeder Gelegenheit Matches und träumte davon, irgendwann mal selbst inmitten eines randvoll gefüllten Stadions zu stehen, während ein Spiel zweier erstklassiger Teams stattfand, das von Millionen von Menschen verfolgt wurde.

Nerd vs. Athlete - Geek vs. Player I : Liebe auf den nicht ganz ersten BlickDonde viven las historias. Descúbrelo ahora