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»Mach Schluss für heute, mein Schatz«Behutsam strich mein Vater mir über den Rücken und ich stellte das letzte Glas ins das aus Holz gebaute Regal hinter mir. Ein zufriedenes Lächeln schlich sich auf meine Lippen und ich nahm meine Schürze ab. »Wenn du noch einmal Hilfe brauchst, sag mir Bescheid.« bot ich meinem Vater lächelnd an. Ich schaute mich noch einmal um. Unser Diner war von Morgens bis Abends voll, wir machten genug Umsatz um unsere Grundbedürfnisse zu decken und ich half ihnen, um mein eigenes Geld dazu zu verdienen. Eigentlich schien alles so perfekt.

»Du hast schon genug getan, Mia. Wir wissen das zu schätzen.« Meine Mutter lehnte sich an die Theke und lächelte meinen Vater an. Viele Menschen meinen nicht sehen zu können, wie sehr sich ihre Eltern liebten.

Doch aus meinen Erfahrungen konnte ich bestens sprechen: ich habe zuvor noch nie ein Paar wie meine Eltern es waren, gesehen. Man konnte ihre Liebe förmlich von fünfzig Metern Abstand erkennen. Mit einem Lächeln verschwand ich hinter der Theke und ging die Treppen hoch.
Unsere Wohnung war direkt über dem Diner, also trennten mich achtzehn Treppen von meinen Eltern und dem Essen meiner Mutter, falls ich mal Hunger haben würde.

»Wohin des Weges?« Ich zog eine Augenbraue in die Höhe, als ich meinem älteren Bruder dabei zusah, wie er ein paar Anziehsachen in seinen Rucksack packte. Etwas überfordert fuhr er sich mit seiner Hand durch seine Haare und überlegte vermutlich, was er vergessen hatte einzupacken.

»Oh hey, Kleines« während ich mit verkreuzten Armen an seiner Zimmertür lehnte, ging er durch diese an mir vorbei und drückte mir einen Kuss auf meine Stirn. Ich hatte ein besonderes Verhältnis zu meinem Bruder. Und ich war auch froh darüber. Denn er war nicht nur mein Bruder, sondern mein Beschützer und gleichzeitig auch mein bester Freund. Wenn ich ein Problem hatte, konnte ich mich ihm immer anvertrauen. »Ich schlafe bei Kate.« erklärte Lucas, während ich ihm ins Bad folgte und sah, wie er seine Zahnbürste einpackte.

»Okay, viel Spass euch.« er lächelte mich warm an und ich verschwand in mein Zimmer. Ich hatte den ganzen Abend durchgearbeitet und hatte mir definitiv eine Mütze Schlaf verdient. Eine große Mütze, wenn ich daran dachte, dass ich morgen schon wieder in die Schule musste. Also war das einzige was ich tat, mich auf mein Bett fallen zu lassen und direkt in einen tiefen, ruhigen Schlaf zu gleiten.

Ich schrack hoch. Ich musste ein paar mal blinzeln um zu realisieren, was hier gerade vor sich ging. Zuerst dachte ich, mein Wecker würde klingeln, aber ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass es aus gewesen ist. Kam es von draußen? Mein Herz klopfte wie verrückt. Ist das unsere Alarmanlage?

Ich ging in den Flur, doch erkannte, dass meine Eltern seelenruhig schliefen und dieses nicht stoppende, sich immer wiederholende Geräuscht einfach nicht hörten. Natürlich taten sie das nicht. Sie waren wahrscheinlich erst vor einer Stunde schlafen gegangen und befanden sich gerade im Tiefschlaf. Es kam des Öfteren vor, dass unsere Alarmanlage anging doch sie waren so kaputt gewesen, dass sie diese meist nicht hörten. Sie war in letzter Zeit das ein oder andere Mal grundlos angegangen weswegen wir vor Kurzem noch einen Elektriker rufen mussten.

Ich lief die Treppen hinunter, doch es wurde immer lauter und jetzt wusste ich ganz genau: es war unsere Alarmanlage. Aber warum ging sie an?

Jeder würde oben bleiben, und einfach weiterschlafen oder so tun, als ob nichts gewesen wäre, doch meine Eltern arbeiteten hart in die Nacht hinein und ich konnte sie jetzt nicht wecken. Sie hörten doch sowieso nichts. Lieber schaute ich selbst nach. Ich weiß das kam ziemlich lebensmüde rüber und das war es auch. Ich hatte innerlich gehofftgehofft, sie würde auch diesmal nur aufgrund einer Störung angehen.

Mein Herz klopfte wie immer noch schneller als normalerweise und ich konnte mir nur allzu gut vorstellen, wie vielleicht Lucas mitten in der Nacht nach Hause kam, sich unten einen Kaffee zubereitete und die Alarmanlage aus versehen ausgelöst hatte.

Schockiert setzten meine Gedanken aus. Mein Gehirn war wie leergefegt. Es war dunkel, doch ich erkannte diese braunen, dunklen Augen mitten in unserem Laden, obwohl sie an andere Ende des Raumes funkelten. Ich starrte ungläubig zum Fenster, welches aufgebrochen war und dann wieder zum dem breit gebauten Mann, der jetzt jedoch nicht mehr an der Kasse stand, sondern genau vor mir. Ich musste laut schlucken, mein Herz setzte kurz aus und jetzt schaute er mich genau an. Er musterte mich. Er grinste. Ein Einbrecher.

Er legte zwei Finger unter meinen Kinn und zwang mich dazu, ihn genau anzugucken. Ich wäre am liebsten weggelaufen, doch ich war so in Trance, weil ich nicht realisieren konnte, dass gerade wirklich ein Einbrecher vor mir stand und mir näher als gewollt war. Er hatte schwarze Haare und sehr viele Tattoos auf seiner Haut, unteranderem an seinem Hals. Ein Tattoo stach mir direkt in mein Auge, es war eine Linie, die seinen Hals entlangfuhr und hinter seinem Ohr verschwand. An seinem Ohr hatte er ein Piercing und ich beobachtete für eine kurzen Moment diesen Mann vor mir. Nein, nicht diesen Mann. Diesen Kriminellen. Man spürte seine Bosheit förmlich schon, wenn man ihn nur ansah.

»Sehr mutig von dir, hier hinunter zu kommen, obwohl die Alarmanlage an ist.« Seine Stimme war tief, seine Stimme hatte mir augenblicklich eine Gänsehaut auf meinem ganzen Körper gejagt und sein ernster und böser Blick unterstrich diese Tatsache. Wenn Blicke hätten töten können, wäre ich schon längst unter der Erde. Sollte ich jetzt antworten? Mich mit einem Einbrecher unterhalten? Hey, ich bin Mia, und du?

»Hör zu kleine, du tust was ich sage.« Seine Augen schweiften durch den ganzen Raum. Er fand das Kabel der Alarmanlage und schnitt es mit einem Messer durch, welches er aus seiner Tasche gekramt hatte. Die Alarmanlage war leise, kein einziger Ton erfüllte noch diesen Raum. Wahrscheinlich hatte er gedacht, wir würden keine Besitzen. Oder er hatte erwartet, sie würde nicht angehen. Er schien etwas verärgert und wandte sich nun mir seiner erhobenen, wütenden Stimme zu mir. Ich schien ihm seinen Plan zu zerstören.

»Verstanden?« Ich zuckte wieder zusammen und schaute zu ihm, ohne ihm eine Antwort auf seine Frage zu geben. Er schob seine Jacke zur Seite und zückte eine Waffe. Er hielt die Waffe hoch und sie berührte meine Schläfe. »Verstanden?« Er drückte sie fester gegen meine Stirn und schaute mich eindringlich an. »Ja.« brachte ich nur eingeschüchtert aus mit heraus. Ich war mir sicher, dass keine anderen Wörter meinen Mund verlassen konnten.
In diesem Moment war ich zu paralysiert gewesen und ich konnte weder reden, noch mich aus seinem Griff befreien.

»Du wirst weder schreien, noch irgendjemandem sagen, wie ich aussehe. Ansonsten töte ich dich und jeden anderen, denn vergiss nicht das ich weiss, wo du wohnst.« Tränen sammelten sich in meinen Augen und ich biss mir ängstlich auf die Lippe. Der Druck an meiner Schläfe wurde immer größer und ich nickte schnell, weshalb er sie endlich runternahm. Etwas erleichtert atmete ich aus.

Ich atmete noch einmal ein und aus und kam ins schwitzen, als er sich der Kasse näherte. Er entleerte sie komplett und schaute dann wieder zu mir. Wie angewurzelt stand ich an der gleichen Stelle und er bewegte sich an mir vorbei auf den Safe zu. »Code?« Meine Augen weiteten sich. Würde er das Geld mitnehmen, hätten wir nichts mehr. Meine Eltern vertrauten der Bank nicht, weshalb sie alles dort hineintaten. Es war unser Vermögen.
»Ich.. Ich weiss es nicht.« Er blieb stehen und drehte sich wieder ernst zu mir. Eine Träne verließ mein Augenlid und floss den ganzen weg hinunter bis zu meinem Hals. »Sag mir den Code!« forderte er mich nochmal auf, diesmal war er ernster und ich glaube, er würde mich ungern noch einmal auffordern. Dann würde es wahrscheinlich etwas setzen. Als er wieder die Waffe auf mich zielte, fing ich an zu zittern. »14090210« meine Stimme bebte unglaublich und ich kniff meine Augen zu, als ich sah, wie viel Geld er aus dem Safe in seinen Rucksack stopfte.

Schein für Schein, Münze für Münze. In diesem Moment wusste ich, dass ich ein sehr großes Geheimnis mit mir tragen würde. Ich wusste, ab morgen würde sich unser Leben von grundauf ändern. »Niemand wird erfahren, dass ich hier war, verstanden? Du weisst von nichts, du hast geschlafen.« Er kam immer näher an mein Ohr. »Ansonsten komme ich in diesen Laden und schieße alles tot, was sich auch nur bewegt.« Flüsterte er in mein Ohr und mehr Tränen rollten meine Wangen hinunter. Ungewollt nickte ich und er setzte seinen Rucksack auf.

Er ging zurück zum Fenster und bevor er so hinaus ging, wie er hinein gekommen war, schaute er mich genau an. Meine Tränen liefen ununterbrochen und er sprang aus dem Fenster. Ich hörte seine Schritte, die immer leiser wurden. Und irgendwann war alles ruhig. Nur mein Wimmern erfüllte den Raum.

criminally in love | ✔️Where stories live. Discover now