Prolog

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#Smilla

Heute war es so weit: der erste Tag in meinem neuen Kindergarten und ich war wirklich aufgedreht und freute mich sehr. Es war alles so neu - die neue Stadt, unser neues Haus, die neuen Nachbarn. Alles neu neu neu. Und ich liebte neue Sachen, auch wenn ich die alten manchmal vermisste. Aber ich glaubte auch ein Neuanfang ist gut, weg von allem alten und rein ins neue Leben. Mommy und Daddy waren schon wieder am Streiten, als ich am Morgen die Treppe hinunter gehüpft kam und lauschte. Dieses Mal fiel auch das Wort 'Scheidung' und trotz meiner niedlichen drei Jahre wusste ich was das Wort bedeutet. Tiffany, meine aller beste Freundin, hatte es mir erzählt, als ihre Eltern nicht mehr zusammen lebten. Ich trat vorsichtig in die Küche und bemerkte, dass Daddy schon weg war ohne mir Tschüss zu sagen, was er noch nie getan hatte. Aber ich ließ mir vor meiner Mum nichts anmerken. Brav aß ich mein Müsli leer und wartete darauf, dass meine Mum in die Küche kam. ,,Smilla, Oma holt dich heute vom Kindergarten ab.", sagte sie ganz hektisch und sie sah aus, als hätte sie ganz viel geweint. ,,Mama, Du weinst!", sagte ich mit großen Augen, denn ich hatte sie noch nie zuvor weinen sehen. Meine Mum war stark und ich dachte nichts könnte sie je verletzen, bis ich begriff, dass es mein eigener Vater war. Er wollte damals die Scheidung. Ich wurde von meiner Mutter umarmt. Als ich klein war stellte ich mir so viele Fragen, so viele Gedanken schwirrten in meinem Kopf: Warum weinte Mommy? Werden Mommy und Daddy sich scheiden lassen? Nein, das durfte nicht passieren. Dann konnte ich nur bei einem leben und das wollte ich nicht! Bevor Mum und ich los fuhren, tauchte Daddy doch noch auf und verabschiedete sich von mir und ich gab ihm, wie jeden Morgen, einen Kuss auf die Wange.

Der Kindergarten war einfach nur riesig und ich kam aus dem staunen gar nicht mehr raus. Es war bestimmt dreimal so groß wie mein alter Kindergarten und ich hüpfte nur noch aufgeregt herum. Mama und ich wurden von einer alten Dame empfangen und herum geführt. ,,Smilla, das hier ist deine Gruppe.", sagte die Frau und deutete zu einem Raum,"Die Regenbogen-Gruppe." Ich strahlte, als ich sah wie die anderen Kinder alle spielten und Spaß hatten. Oh Gott, war ich aufgeregt! ,,Mama? Darf ich spielen gehen?", fragte ich ganz lieb. Meine Mum nickte und weg war ich. Mein Weg steuerte direkt auf eine Gruppe von Mädchen, die an einem großen Puppenhaus spielten, zu. Ich stellte mich neben sie und lächelte mein zuckersüßestes Lächeln:,,Darf ich mit spielen?" ,,Nein!", gab es von allen Mädchen gleichzeitig als Antwort. Das traf mich wie ein Schlag, man will mich hier nicht haben. Ich versuchte es bei anderen Kindern, aber so ging das eigentlich bei allen. Keiner wollten mit mir spielen. Ich war kurz vorm Heulen. Entmutigt hier Freunde zu finden, verbrachte ich den restlichen Vormittag alleine im Gemeinschaftssaal, wo auch gegessen wurde. Ich malte ein Mandala nach dem nächsten aus, aber keiner gesellte sich zu mir. Hier und da liefen ein paar andere Kinder an mir vorbei, doch keiner fragte ob ich mit spielen wolle. Eine Träne landete auf dem Clown, den ich gerade am ausmalen war. Schöner erster Tag. Eine Gruppe von Jungs betrat den Raum. Überall wurde der Atem angehalten, so kam es mir vor. Ganz vorne an der Spitze ein Junge mit leicht blasser Haut und schwarzen Haaren, die ihm leicht ins Gesicht hingen. Seine großen, runden saphirblauen Augen waren der reinste Traum. Sie strahlten so viel Freunde und Liebe aus, aber auch ein wenig Distanz und Ärger. Die Jungs umringen ihn, als wäre er ihr Anführer und die Mädchen hinter mit tuschelten. Irgendwann bemerkte ich, dass ich die Luft angehalten hatte. Ich hörte die Eine zu der Anderen sagen:,,Da ist Damien! Sprich ihn schon an." ,,Damien?", fragte eines der Mädchen schüchtern und trat nach vorne zu ihm. Er grinste:,,Sí, mi amor? [Ja, meine Liebe?]" Das Mädchen kicherte. Ich wette, die hatte damals nicht verstanden was er gesagt hatte, trotzdem sprach sie weiter:,,Wir fahren mit meinen Eltern in Urlaub, kommst du mit?" Ihre Familien waren alle in Ordnung und so etwas zu hören versetzte mir ein Stich ins Herz, als ich an meine Eltern dachte, die sich in letzter Zeit nur stritten. Wir fuhren auch nirgends mehr hin. Die Tränen hatten sich in meinen Augen versammelt. Ich stand so schnell von meinem Platz auf, dass der Stuhl mit einem lauten Knall umfiel, und rannte in die Toilette, damit niemand meine Verletzbarkeit sah. Erst dort ließ ich meinen Tränen freien lauf. So gern hätte ich wie alle anderen eine glückliche Familie aber nein, bald war die Scheidung meiner Eltern. Ich ließ mich gegen die kühle Wand gleiten und fing an zu schluchzen, wimmern bis mich die Tränen zu überströmen ließen. Ich hatte das Gefühl innerlich zu sterben und niemand war an meiner Seite und stand mir bei. Keiner war für mich da.. nur er. ,,Belleza [Schönheit], ist alles okay?", jemand klopfte gegen die Tür und trat ein. Wer war das? Ich schaute auf. Damien? Warum war er mir gefolgt? ,,Lass mich!", schluchzte ich und schlug um mich. Aber er ging nicht, wofür ich ihm heute dankbar bin. Stattdessen nahm er mich einfach in den Arm, obwohl wir uns nicht kannten. Und dann.. ich konnte es nicht fassen: weinte er mit mir. ,,Warum weinst du?", fragte ich ihn verwirrt und schniefte. Er streicht mir meine Haare aus dem Gesicht und wischte mir meine Tränen weg:,,Ich will nicht, dass du alleine leiden musst und wenn ich mit dir weine, nehme ich dir den halben Schmerz." Mein Mund klappte auf, denn er wirkte so reif und schlau trotz seiner so jungen Jahre. Nach einer halben Ewigkeit hatte ich mich dann wieder etwas beruhigt. Damien saß immer noch neben mir, den Arm um mich gelegt, mein Kopf an seiner Schulter. Er schaute mich mit seinen strahlend blauen Augen an, die so ein krasser Kontrast zu seinen dunklen Haaren schien. Er streichelte meine Schulter und fragte:,,Magst du mir erzählen was passiert ist?" Ich nickte und fing an zu erzählen. ,,Meine Eltern haben sich heute Morgen wieder gestritten, eigentlich wie jeden morgen, aber es war diesmal heftiger.. Sie werden sich bald scheiden lassen. Ich will das aber nicht." ,,Ich weiß was du meinst. Ich kenne das nur zu gut.", sagte Damien traurig, stand auf und reichte mir seine Hand. ,,Mi amor[Meine Liebe], kommst du wieder mit?" ,,Bleibst du bei mir?" Er lächelte mich freundlich an und in seinen Augen war ein leichtes Funkeln zu sehen. ,,Sí[Ja]." Hand in Hand liefen wir gemeinsam nach draußen.

Amore ricambiato - Damien und SmillaWhere stories live. Discover now