⚜️Kapitel 30⚜️

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Amelie

Seit zwei Tagen saß ich nun Zuhause und war ein reines Nervenbündel. Das Einzige was gut war, war die Tatsache, dass Jolanta hier war. Mein Verdacht bestestätigte sich, Jolanta und Roman waren in einander verknallt. Roman besuchte sie so oft wie es nur ging. Für beide war klar, das sie zusammen bleiben und ins Ausland auswandern wollten. Für mich bedeutete dies, schon wieder eine Freundin zu verlieren.

Es war Mitternacht und ich lag immer noch wach im Bett. Nach einer Weile beschloss ich jedoch aufzustehen und mir ein Glas Wasser aus der Küche holen. Auf dem Weg dorthin traf ich die genauso schlaflose Jolantha. Als wir Licht in der Küche sahen, zeigte ich ihr, dass sie solle mir langsam und unauffällig folgen sollte.

Am Küchentisch saß meine Mutter und redete über Skype mit Jonas. "Roman war fleißig, er hatte Informationen gesammelt, die Marco für Jahrzehnte in den Knast bringen können. Der Junge war echt produktiv." Mein Vater klang ziemlich erschöpft. Jolantha neben mir spannte sich an. Ich lächelte sie aufmunternd an und tätschelte sie an der Schulter. "War es schwer in die Festung deines Bruders zu gelangen?" Meine Mutter trank Tee und schaute hochkonzentriert den Bildschirm des Laptops an. "Wie geht's den Kindern?" Jonas murmelte etwas. Er räusperte sich und für einen Moment war die Verbindung weg.

Innerlich wurde ich nervös. Jolantha griff nach meiner Hand. Als wir wieder die Stimme meines Vaters vernahmen, hielten wir kurz die Luft an. "Dorothee hat in das Essen und die Getränke der Leute Schlafmittel gemischt. Es war kompliziert in der Durchführung, aber es hat trotzdem geklappt. Hier sah es fast wie in einem Dornröschenschloss aus. Von dem Zeitpunkt wo fast alle eingeschlafen waren, war es ein Kinderspiel. Milan und Alex hatten eben noch etwas Ärger mit der Nachtwache, aber wir sind ja noch nicht am Ziel.  Ansonsten warte ich auf ein Lebenszeichen von Roman und Ian, die beiden habe ich verloren."

Das hatte mir ausgereicht. Ich sah zu Jolantha. Sie hielt sich die Hand vor den Mund um nicht zu schreien. In ihren Augen sah ich den Schrecken, den ich versuchte zu verbergen. Ich spähte verstohlen in die Küche und als ich meine Mutter schluchzend hörte, stand mein Entschluss klar.

Ich muss los. Und das sofort!!!

Ich machte mich lang und marschierte schnurstracks und entschlossen Richtung Schlafzimmer. Jolantha tippelte hinter mir her. Als wir mein Zimmer betraten, machte meine Freundin leise die Tür hinter sich zu und lehnte sich zitternd dagegen. "Amy, was sollen wir jetzt tun?" flüsterte sie erschrocken. "Was ist das für eine seltsame Frage Joli? Geh dich umziehen, wir fahren jetzt helfen. Nimm nur die wichtigsten Sachen mit und beeile dich bitte!"

Ich ignorierte das unsichere Gestottere meiner Freundin. "Bleib von mir aus hier, wenn du Angst hast, aber ich werde hier nicht warten. Das ist ausgeschlossen." Meinen letzten Satz konnte sie wahrscheinlich gar nicht mehr verstehen, weil der von meinem Pullover gedämpft wurde. Als Joli die Tür aufmachte um in ihr Zimmer zu huschen, stand plötzlich meine Mutter vor der Tür. Ihr Arm mit der geballten Faust hing oben in der Luft. Sie schaute uns verwundert an, bevor sie sich entschlossen an Joli vorbeiquetschte. "Das ist sehr schön, das ihr bereits wach seit.  Dann muss ich ja keinen mehr wecken. Anziehen Mädchen! Und nimmt nur das wichtigste mit. Wir sehen uns in dreißig Minuten vor dem Wagen. Zack, zack!! Jede Sekunde ist kostbar." Sie drehte sich auf den Hacken um und verließ das Zimmer.  Jolantha und ich sahen einander eine Weile sprachlos an, bevor sie nickend und schniefend mein Zimmer verlies.

Eine halbe Stunde später saßen wir drei und Cockie im Wagen. Meine Mutter war am Steuer. Am Anfang traute ich mich nichts zu sagen oder zu fragen, doch dann tat ich es schließlich doch noch. "Mom. Woher weißt du wo wir hin müssen?" Meine Mutter sah schnell zu mir und grinste. "Ach mein Schatz, ich habe viel dazu gelernt. Sehr viel. Dein Vater hatte bei uns eine Camera in der Küche angebracht, nur um sicher zu gehen, das es uns gut geht. Meinst du etwa ich lasse mir alles gefallen?" Im Spiegel sah ich den verwunderten Blick meiner Freundin und sah mich gezwungen wieder nachzufragen. "Was heißt denn das schon wieder?" Meine Mutter war schon immer eine seltsame Frau, aber meistens wußte sie ganz genau was sie tat. "Ich habe deinem Vater ein kleines Ortungsgerät in die Jackentasche geschmuggelt. Er ist ein fürchterliches Gewohnheitstier und würde die hässliche Jacke, die er ständig trägt mit Sicherheit nicht ablegen, außerdem hatte er die eben, als ich mit ihm gesprochen hatte, an. Der würde niemals auf die Idee kommen, dass ich ihn auch beobachten könnte, schließlich bin ich eine hilflose und brave Frau." Sie nickte und lachte dabei voller Schalk auf. Diese Frau war mir gerade nicht nur unheimlich, sondern auch auf eine unerklärliche Art und Weise sympatisch. Ich hob den Zeigefinger. "Hier, schau mal. Das passt jetzt dazu... " Ich räusperte mich und fing an wie eine Hexe zu lachen. Meine Mom sah erst erstaunt zu mir, fing jedoch danach auch an wie eine Hexe zu lachen. Die Hexenlache meiner Mutter allerdings ansteckender. "Wo bin ich hier blos rein geraten?" Hörte ich Joli neben mir sagen. Aber auch diese Schlaftablette gab nach und lachte mit.

Das Anwesen von Marco kannten wir bereits zu genüge. Meine Mutter parkte den Wagen und wir gingen schweigend auf das verschlossene Tor zu. Wir brauchten uns gar nicht über die Sprechanlage anzumelden, denn man machte uns das Tor einfach so auf. Vor uns stand Roman und hinter ihm mehrere Polizisten. Abschätzig sahen die uns von Kopf bis Fuß an. Roman steckte seine Waffe weg. Seine Augenbraue ging hoch. "Was bitte solltet ihr darstellen? Lasst mich raten, die drei kleinen Schweinchen? Oder nein, wie wäre es mit den drei Musketieren?" Keiner von uns sagte etwas. Ich sah hinter ihn und erst jetzt fiel mir das Feuer, die Rettungswägen und die Polizisten auf. Roman wischte sich Ruß aus dem Gesicht und gab über Funk weiter, dass meine Mutter hier sei. Mich schob er zur Seite. "Ian ist nicht hier. Er verfolgt Marco. Keine Ahnung woher er wusste, dass  du hier erscheinen wirst, aber ich soll dir ausrichten, dass er allerspätestens zur Hochzeit deiner Eltern wieder da sein wird. Sorry Kleines, aber heute musst du nicht mutig sein, dein Prinz ist nicht hier."

Ian ist nicht hier, mein Vater wurde gerade in einem der Rettungswägen behandelt und ich fühlte mich elendig. "Wie kann ich helfen?" Milan, Alex und Dorothee kamen erschöpft auf mich zu. Ohne auch nur ein Wort zu verlieren wurde ich in eine Umarmung gezogen und von alldem was gerade hier voll am laufen war, weggezogen. Diese Situation war schlimm für mich. Ich fühlte mich nutzlos.

Ich wußte nicht wie es Ian ging und ob er tatsächlich zu mir zurückkehren würde. Plötzlich brach alles über mir zusammen. Mir wurde klar, dass nichts selbstverständich war. Es war nicht selbstverständlich, dass Jolantha Roman liebte. Genau so war es nicht selbstverständlich, dass Roman solange unentdeckt ermitteln konnte. Und schließlich war er genau so wenig selbstverständlich, dass   meine Eltern nach all dieser Zeit, einander, trotz Entfernung treu geblieben waren.

Das Leben war ein Geschenk und sollte Ian tatsächlich heile zu mir zurückkehren, würde ich nichts mehr in Frage stellen. Ich würde leben und das Leben in vollen Zügen genießen.

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Der VollstreckerWhere stories live. Discover now