4° I love you and I won't leave you alone

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Jeonghan

Erneute sammelten sich Tränen in seinen Augen. "Und jetzt sag mir nicht, du kannst damit Leben. Es ist unverzeihlich. Oder doch. Sag mir, es ist nicht so schlimm. Lüg mich an. Lass mich deine Abneigung nicht spüren." Er sah mich immer noch nicht an, sondern hatte seinen Blick wieder auf den Boden gerichtet. 

Es wäre ein Lüge zu sagen, dass ich nicht schockiert war. Er hatte Recht, was er getan hatte war furchtbar. Doch das Leben hatte ihm übel mitgespielt und es war die Dunkelheit, die ihn zerbrochen hatte.

Das war vielleicht keine Entschuldigung, aber Joshua hatte nun mal einen falschen Weg eingeschlagen und er hatte niemanden gehabt der ihn davor beschützte. Niemanden, der auf ihn aufpasste und ihm Kraft und Halt gegeben hatte. Joshua ist mit nichten nicht der Einzige, der in seiner Situation zerbrochen wäre. Vielleicht wäre ich an seiner Stelle auch zerbrochen und hätte nicht anders gehandelt. Man sagte die Hoffnung stirbt zuletzt, doch ich schätze Joshuas Hoffnung hatte sich schon Jahre nicht mehr bei ihm gemeldet und sich in diesem tiefen Loch, in dem er steckte, nie blicken lassen.

Das Ganze war ein zweischneidiges Schwert, über dass man denken mochte, was man wollte. Joshua mochte kein guter Mensch sein, mit all seinen Fehlern, doch er war auch kein schlechter Mensch. Oder anders: Er war beides. Die eine Seite seiner Medaille war strahlend hell, gütig, aufopferungsvoll und einfach wundervoll und ich war mir sicher, dass war sie nicht erst seit mir. Ich hatte sie schon bei dem ersten Lächeln, dass er mir geschenkt hatte gesehen und sie hatte mich für sich eingenommen. Doch die andere Seite war dunkel, egoistisch und blutig.

Scheinbar war Joshua das perfekte Gefäß in dem sich Gut und Böse gleichzeitig breit machten, um um die Vorherrschaft zu kämpfen. Auch jetzt war das klar zu sehen. Jetzt, wo er bereit war die Konsequenzen zu tragen, doch im selben Atemzug drohte in die absolute Hoffnungslosigkeit abzurutschen.

Ich würde das nicht zu lassen. Ich würde ihn weder aufgeben, noch im Stich lassen.
Wenn einer Joshua noch Hoffnung geben konnte, dann war das ich.

Joshua weinte stumm und wieder wischte ich ihm Tränen zärtlich von Gesicht. "Ich verzeihe dir", sagte ich leise und er sah mich überrascht an. "Was?" "Ich verzeihe dir", wiederholte ich flüsternd und küsste ihn liebevoll. 

Er erwiderte den Kuss innig und ich konnte die Liebe spüren, die er für mich aufbrachte. Doch genauso schmeckte dieser Kuss nach Abschied und ließ mein Herz schwer werden. Ich liebte Joshua. Ich liebte ihn so sehr, dass es weh tat. Doch ich würde deswegen nicht damit aufhören.

Ich löste mich wieder von ihm und sah ihn an. Ich strich ihm durch die Haare und schenkte ihm ein kleines Lächeln. "Ich liebe dich Joshua. Ich liebe beide Seiten an dir. Die, die es verdient und die, die es so bitter nötig hat. Ich lüge dich nicht an." Ich schloss ihn fester in meine Arme und er erwiderte die Geste, er krallte sich an mir fest, als wäre er ein Ertrinkender. "Danke", flüsterte er erstickt.

Ich hielt ihn einfach nur fest, doch es dauerte nicht lange und er löste sich von mir. "Ich muss jetzt gehen, Jeonghan." Der Klang seiner Stimme war rau und gefasst geworden, nur meinen Namen sprach er voller Wärme und Zuneigung aus und ich versuchte es mir einzuprägen. 

"Mit Dämonen reden?", fragte ich unsicher und schluckte. Joshua entkam ein weiteres freudlos Lachen. "Die reden nicht mehr mit mir. Ich hab meinen Deal. Und ich habe ihn nicht erfüllt. Ich habe meine Karte nicht eingelöst, Jeonghan. Ich kann so nicht weiterleben. Ich will nicht mehr der Egoist sein, der sein Leben auf die Kosten anderer lebt. Damit muss endlich Schluss sein."

Ich schwieg einige Sekunden. Langsam verstand ich was er meinte, wenn er sagte, dass seine Zeit abgelaufen war. Sein Jahr war rum und er hatte die Zielperson nicht getötet. "Was passiert jetzt mit dir?", wollte ich wissen und ich konnte den leicht panischen Unterton nicht verstecken, der in meiner Stimme mitschwang. 

"Ich werde sterben." 

Joshua schon mich sanft von seinem Schoss. "Und ich tun es dir sicher nicht an, dabei zu sein. Also, ist es Zeit Lebewohl zu sagen." Er war auf gestanden und drehte sich noch mal zu mir um. Er beugte sich zu mir runter und gab mir einen letzten Kuss. "Ich danke dir für alles, Jeonghan. Du hast wenigstens einen Funken meiner verdorbenen Seele gerettet. Ich wünschte ich könnte dir irgendwas zurückgeben." Damit ließ er von mir ab und ging. 

Das war das Ende?

Joshua verwand einfach? Für immer? Er ging durch diese Tür, um einsam zu sterben und mich zurückzulassen? Das fühlte sich einfach nur falsch an. Ich erwachte aus meiner Starre und sprang auf. "Nein!" Ich machte einen Satz einfach direkt über den Couchtisch hinweg und schloss zu Joshua auf. Er war nicht mal bis zur Mitte des Raumes gekommen und musterte mich überrascht. "Jeonghan, was...?" Ich schlag meine Arme wieder um ihn und hielt ihn fest.

"Ich lass dich nicht alleine", wisperte ich. Joshua war einen Moment völlig perplex, doch dann versuchte er sich von mir zu lösen. "Jeonghan, das ist nicht richtig, dass.... nein, das geht nicht, bitte das ist der pure Wahnsinn", stammelte er, doch ich ließ nicht locker, in Gegenteil ich krallte mich nur noch fester an ihn. 

"Ich lass dich nicht alleine", wiederholte ich beharrlich,  "wenn du stirbst, dann stirbst du nicht einsam in einer Ecke, sondern bei mir." Joshua sah mich unbestimmt an. "Ich hab dir genug angetan. Ich kann nicht auch noch das von dir annehmen."

Ich schüttelte nur den Kopf. "Ich werde dir dir ohnehin keine Wahl lassen. Wenn du gehst, dann folge ich dir. Irgendwo werde ich dich schon finden, also kannst du auch gleich hier bleiben." Das war mein voller Ernst. Ich hatte nicht vor ihn jetzt hängen zu lassen. Ich liebte ihn auch, wenn es schmerzte und das würde die Hölle werden, doch ich stand zu ihm und ich würde ich das nicht alleine durchstehen lassen. 

Egal, wo es für ihn hin ging, ich wollte ihm so viel Kraft und Liebe mitgeben, wie ich konnte und das ging nur, wenn ich ihn jetzt nicht alleine ließ.

Joshua schenkte mir ein weiteres zerbrochenes Lächeln. "Ich kann das unmöglich an-" 

Die große Standuhr, die in der Ecke des Wohnzimmers stand schlug zwölf. Unser beide Blicke wandten sich der Uhr zu, als wäre sie ein Richter, der sein Urteil gefällt hatte. Mit jedem Schlag schien der grässliche Ton lauter zu werden und in meinen Ohren zu dröhnen und ich hasste die Uhr für, dass sie uns wissen ließ, dass Joshuas Zeit um war. Es war, als würde sie uns verhöhnen. 

Es machte mir Angst und ich hielt den Atem an. 

Last BreathWhere stories live. Discover now