Drei Gesichter

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D r e i  G e s i c h t e r


„Kniet nieder vor der letzten Himmelsflüsterin!"

Es ist dunkel. Die tiefste Schwärze des bloßen Nichts. Sie hat mich gänzlich eingenommen, gefolgt von einer schrecklich schweren Müdigkeit. Ich fühle sie bis in meinen Zehen verharren, dass jegliche Bewegung unmöglich erscheint. Atmen – einst, was so einfach und gedankenlos selbstständig vorangeht – ist unheimlich schwer wie ein offengelegtes Gelübde an meinem Tod. Er holt mich. Irgendwie tut er das, ja.

„Wir werden vor niemanden knieen!" Ich bin verwundert, eine komisch vertraute Stimme in der Finsternis hören zu können. Aber vermutlich habe ich Asgard noch nicht völlig verlassen, schwebe zwischen Götter und Sterne, bis mich der unendliche Grund packt und mit sich in seine Kammer der Einsamkeit zieht. Dort werde ich für immer bleiben, alleine und zurückgelassen von allen, was mich am Leben gehalten hat. Dort bin ich tot und nicht mehr.

Sterben ist schwerer, denn ich habe es mir viel einfacher und schneller vorgestellt. Dass da von einer Sekunde nichts weiter von einer Person übrigbleibt, bloß Staub und verwickelte Erinnerungen mit anderen, noch lebendigen Personen. Diese würde einen noch für ein Weilchen am Leben erhalten, ihn vermissend und das Herz schwer jauchzend nach einem Zeitumkehrer, und kaum sind die ersten Monate herum beginnt das Vergessen. Ständig wird die eigene kostbare Bedeutung im Herzen anderer sinken, verliert an Wärme und Macht, und dann bekommen Gegenstände, die sonst immer einander erinnert haben wie ein gemeinsames Lied, das man sehr oft miteinander gesungen hat, eine ganz andere und neue Bedeutung.

Und dann wird man schließlich vergessen.

Sterne sind nur noch Sterne, die Sonne bloß ein weiterer und der Mond einfach der helle Punkt bei Nacht. Der eigene Name ist nur noch ein Name, irgendeiner von vielen, und die geliebte Melodie bloß eine Melodie, die plötzlich zufällig gespielt wird. Sie berührt das verschlossene Herz ein wenig, versucht durchzudringen, aber wir werden immer stärker und ignoranter.

Werden Tode erst eins vergessen, erlöschen sie wie die Flamme einer Kerze. Mitten in einem Windhauch. An einem heißen Sommerabend. Sie kehren nie wieder zurück und ihnen ist es für immer verwehrt, ihre zurückgebliebene Herzensmenschen zu sehen, weil diese sie einfach vergessen haben.

Doch ich bin noch hier, und ich glaube, dass ich sogar zu viel bei Verstand bin – für einen frisch Verstorbenen. Ich bin sogar so erbärmlich anzunehmen, einen sehr nahen und polternden Herzschlag zu hören. Allerdings ist das albernd, allein aus dem Grund, da ich schließlich von einem Kometen erschlagen worden bin. Niemand außer ein Gott hätte den Einschlag überlebt. Vor allem nicht ein Himmelsflüsterer. Zwar bin ich auf eine spirituelle Art und Weise mit dem Universum verbunden, doch ein Komet hat in diesem keine Bedeutung. Er besteht aus Resten des Sonnensystems, die bereits vom Weltall entbunden worden sind.

Es ist gar nicht schlimm von einem Kometen getötet zu werden. Schließlich haben wir beide keine Bedeutung im Universum mehr, werden nicht länger gebraucht. Uns kann man einfach hinfort schmeißen, ohne dass etwas im kinetischen System zusammenbricht. Nur die Magie zwischen mir und Loki zerbricht wie ein Haus, das bereits deshalb zum Einstürzen verurteilt gewesen ist, weil es nie robust genug gebaut worden.

Ich will vor Frustration seufzen. Oder einen Schmerz spüren. Irgendeinen, nur, um die Bestätigung zu erhalten, dass ich noch lebe. Aber ich fühle nichts davon, ausgenommen von eisiger Kälte und einer Taubheit, die mich ganz orientierungslos macht. Wo bin ich hier? Das ist nicht der Himmel.

Es ist etwas anderes.

„Sssssssteh auf, Ssssternenkind." Nun spricht die erste und tiefste Stimme wie ein Grollen zu mir. Es ist ein fallendes, polterndes Echo, und wäre schwaches Gestein nahe, hätte er einen Steinbruch verursacht. Ich warte einen Moment darauf noch die anderen, allerdings vertrauten Stimmen zu hören, doch sie sind in beunruhigender Stille getaucht. „Du darfssst nicht wegssssehen."

Die letzte Himmelsflüsterin (Loki with a bit of Thor FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt