Sternenmeer

292 19 2
                                    

S t e r n e n m e e r.

Der Himmel wird dunkler, aber mein Herz bleibt so schwer wie zuvor.

Ich kann es nicht wahrhaben. Odin hat Naor tatsächlich in mir verbannt. Das habe ich nicht nur geträumt, Lokis und Naors Worte haben mir diese schmerzhafte Tatsache offenbart. Der Allvater möchte nicht bloß mein Tod, Naors endgültige Vernichtung ist ein weiteres Ziel seines mörderischen Akts. Es tut nicht deshalb so weh, weil mich Odin schamlos ausgenutzt hat. Es tut so weh, weil ich für ihn wie für einen liebevollen Ziehvater empfinde und trotz der letzten Unglücksfällen geglaubt habe, er würde in mir etwas wie eine geliebte Tochter sehen. Doch ich bin für ihn wohl nichts weiteres mehr als das Gefäß einer mordlustigen Schlange, die er dringlichst erledigen will.

Odin hat mich – ausgenommen von meiner Mutter und Frigga – gewissermaßen großgezogen.

Odin hat mir Sicherheit geboten, als mein Planet auf unerwarteter Weise ausgelöscht worden ist.

Ich will nicht glauben, dass er diese fürchterliche Schreckenstat begangen hat, dass er nur einer von vielen ist, die mit der Macht der gefälschten Liebe spielen. Ist seine Furcht vor Naor wirklich größer als seine Liebe zu mir? Hat er mich je geliebt? Ich hasse diese Art von niederschmetternden Gedanken und drücke mein glühendes Gesicht tiefer gegen meine Knie, während ich im hohen Gras sitze.

Allerdings fühlt es sich nicht so an, als würde ich fest auf dem Boden sitzen. Eher falle ich gerade. Tiefer und tiefer. Und nichts kann mich aufhalten. Die scharfen Klippen rufen nach meinem angebrochenen Herzen.

Vermutlich nimmt der Allvater an, dass Naor am jenen Abend in mir ausgebrochen ist, dass ich über diese mächtige Schlange keine Kontrolle habe. Aber das habe ich.

Sie unterliegt meiner Kraft als Himmelsflüsterin.

Sie ist ein Teil von mir, und deswegen werde ich sie auf jeden Fall vor Odin beschützen. Wenn er sie töten will, dann muss er zuerst an mir vorbei. Das ist das letzte, was ich noch gegen Odins Grausamkeit tun kann. Mein letzter Griff nach Halt vor dem vollendeten Fall. Selbst wenn die Schlange keine guten Absichten bevorzugt, kann ich es nicht zulassen, dass sie unter Gottes Hand sterben wird. Ich will nicht zu Odins Zufriedenheit dienen.

Ich bin weit genug gefallen, um den Mut zu finden, gegen diesen grausamen Gott anzutreten.

Nur wünsche ich mir, Naros Gift könnte in diesem Augenblick dieses fürchterliche Brennen in meiner Brust betäuben. Der Schmerz sitzt dornig auf meinem Herzen, das aufgelöste Geheimnis ist unerträglich und zerstörerisch. Ich will es nicht fühlen, nicht ständig daran erinnert werden, dass mir mein Ziehvater so in den Rücken gefallen ist.

„Wir müssen bald weiter, mein Sternenkind." Loki setzt sich neben mich in das wilde Gras. Kurz mustert er mich, die Regenaugen von einem besorgten Schleier besetzt, ehe er mein leises Wimmern hinnimmt und auf den funkelnden Bach vor uns blickt. Früher sind wir öfters hier gewesen und haben die leuchtend blauen Frösche versucht, zu fangen, die dort fröhlich herum quaken. Aber mir ist es nicht nach Fröhlichkeit oder Fröschefangen. Mir ist es erschreckenderweise nach Weinen und Aufgeben, und Loki spürt das. Er kann in solchen Augenblicken nicht viel sagen, dann nimmt er lieber einfach meine Hand aus meinem feuchtem Gesicht auf seinen Schoß und streichelt beruhigend mit dem Daumen über die weiche Handoberfläche. So lässt er mich verstehen, dass er für mich da ist, dass es ihm leidtut und er gerne den Kummer von meinem Herzen genommen hätte. Doch selbst einem Gott vermag es nicht, den Kummer eines anderen verschwinden zu lassen oder zu übernehmen. Sie sind eben menschlicher als man glaubt. „Sie werden nicht lange brauchen, um uns zu finden. Heimdall wird ihnen unser Aufenthaltsort verraten, sobald sie ihn darum bitten."

Die letzte Himmelsflüsterin (Loki with a bit of Thor FF)Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum