34. Nur leicht aggressiv

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Dienstag, 14.November 2017

Zuhause

Raven

Mein Wecker reißt mich aus meinen Schlaf und schlagartig erinnere ich mich an den gestrigen Tag. Damit war meine gute Laune, die sich jeden Morgen durch meine depressiven Gedanken kämpfen muss, auch schon wieder versaut.

Ich hab echt keinen Bock auf Blake und sein Verhalten. Mal ist er so, dann wieder so. Kann er sich denn nicht entscheiden? Ach, Gott. Es hat ja auch keinen Sinn hier weiter darüber nach zu denken, zum Schluss habe ich doch kein Ergebnis außer einer Depression mehr. Ist doch egal. Er hat sich schon immer komisch verhalten, dass wird er auch jetzt noch. Entweder komme ich damit klar, oder eben nicht. Ehrlich gesagt will ich damit nicht klar kommen. Dann werde ich ihm das auch mal zeigen. Wir sind zwar nicht miteinander befreundet und da ist auch nichts am Laufen, was mir eigentlich nicht wirklich das Recht dazu gibt, mich über seine Art aufzuregen. Doch ich habe mich da noch nie richtig zurück gehalten. Wobei, wenn ich länger darüber nachdenke, auch wenn da keine Freundschaft ist sondern wir nur ab und zu was mit einander zu tun haben, braucht er mich trotzdem nicht so behandeln. Also kann er heute noch was erleben.

Motiviert springe ich auf und mache mich fertig. Danach husche ich noch schnell in die Küche um etwas zu essen, um darauf auch gleich mit meinem Bruder zur Schule zu fahren. Doch dann fällt mir wieder ein, dass wir Blake und Jade noch mitnehmen müssen. Nichts gegen Jade, ich mag sie ja, aber Blake eben nicht. Als das Auto vor dem Haus hält mache ich mich nervlich darauf gefasst, dass vermutlich ein behinderter Spruch von Blake kommt. Aber heute nicht mit mir. Blake kommt grinsend auf uns zu und hinter ihm Jade. Schnell reiße ich die Tür auf, steige aus und schmeiße sie hinter mir wieder zu.

>>Hi Raven.<<, höre ich müde von Jade.

>>Hi.<<, meine ich.

Blake setzt gerade an etwas zu sagen, doch davor öffne ich die Tür und setze mich auf die Rückbank. Alles was ich noch bemerke ist sein verwundeter Gesichtsausdruck.

Die Fahrt verläuft leise und angespannt. Mein Bruder hat zwischendurch das Radio aufgedreht um die Stimmung zu lockern, doch es war vergeblich. Er kann rein gar nichts ausrichten, wenn ich in meinen abgefuckten Element bin. Der Grund warum ich so drauf bin sitzt genau vor mir. Unruhig rutscht er in seinem Sitz hin und her und vielleicht kommt er gerade drauf, dass meine Laune was mit ihm zu tun hat. Jade, die neben mir sitzt, bekommt von dem allem gar nichts mit. So müde wie sie mich zuvor begrüßt hat, wundert es mich nicht, dass sie jetzt schlafend am Fenster lehnt. Und irgendwie bin ich froh, dass sie nichts mitbekommt. Wir reden zwar nichts, doch die Spannung hätte sie trotzdem bemerkt. Als wir endlich vor der Schule halten, mache ich mich daran, Jade aufzuwecken. Ihr Bruder hingegen ist schon ausgestiegen. Wenn er gerade flüchtet, würde es mich nicht wundern. Jedoch ist es nicht wirklich ein Flüchten sondern ein ganz normales Gehen. Das wiederum bringt mich noch weiter zum Kochen. Aus Erfahrung weiß ich, wenn ich so drauf bin geht der Tag nicht ohne einen Streit vorbei. Nachdem ich es endlich geschafft habe meine Freundin aus ihren Traumland zu holen, machen wir uns auf den Weg zum Schulgebäude. Während Jade vor sich hin schlendert und noch halb im Tiefschlaf ist, stampfe ich aggressiv vor mich hin. Wenn jetzt jemand an mir vorbei läuft und nicht schnell genug ist, wird er einfach platt getrampelt von einem Elefanten wie mir.

>>Nicht so schnell.<<, beschwert sich meine Freundin.

Als ich einsehe, dass es nichts bringt hier herum zu stampfen und die Leute zu verscheuchen, da Blake bestimmt wieder hinter der Schulecke ist, werde ich langsamer. Für einen Moment bringt mich diese Einsicht etwas herunter, doch sogleich steigt die Wut wieder in mir. Gerade vorher war er noch nervös und unsicher und jetzt ist er schon wieder abgehauen und hat sich verzogen, weil er glaubt ihm geht das nichts an. Oh doch. Eben schon. Genau wegen ihm dreh ich hier so durch. Wegen ihm. Nur wegen ihm. Die gestrige Erkenntnis war dann wohl doch nicht so gut. Naja, ich bin klüger geworden, er kann hier vor mir fliehen. Möglich das ich etwas übertreibe. Ich übertreibe laut anderen ziemlich oft. Es ist doch kein Wunder. Ich bin der Meinung es ist gerechtfertigt. Immerhin behandelt er mich hier mal wie eine seiner Nutten und dann wieder ganz anders. Als was Besseres. Mir ist bewusst, dass man von der einen und selben Person mal anders behandelt wird. Es ist ja nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Man hat bestimmt so seine Probleme und Streitereien miteinander. Das ist normal. Im Vergleich zu Blake und mir, ich bin doch immer normal zu ihm und trotzdem sieht er mich mal als Schlampe und dann wieder als eine Schwester. Das passt doch nicht zusammen. Und genau deswegen finde ich meine Aggression gerechtfertigt.

>>Was ist denn nur los mit dir?<<, will Jade wissen.

>>Bin nur leicht aggressiv. Kommt öfters vor. Braucht nicht unbedingt einen Grund haben.<<, antworte ich ihr und werde mir meiner Worte erst später bewusst. Ich hab mich gerade als jemanden mir ernsthaft schweren Aggressionen dargestellt.

Ups.

Passiert mal.

Ja, ist auch ganz normal.

Es hat doch einen Grund.

Und warum sagst du ihn Jade dann nicht?

Weil es ihr Bruder ist.

Weil es ihr Bruder ist?

Ja.

Du bist echt dumm. Du kannst ihr nicht sagen, dass du wegen ihren Bruder so abgefuckt bist, aber das du ihn umbringen willst schon. Nebenbei hat sie das neben der Couch und mit deinem sexy nassen Socken auch mitgekriegt.

Das ist doch was anderes.

Mhm. Ganz das gleiche ist es nicht. Es ist bei weitem nicht so schlimm.

Aber dann müsste ich ihr erklären warum ich wegen Blake angepisst bin.

Nimm doch die Ausrede, dass du öfters mal so aggressiv bist ohne Grund.

Hab ich doch.

Ich weiß.

Was willst du?

Ich hab dir gerade einen Grund gegeben so angepisst zu sein.

Ja. Hast du geschafft.

Ich weiß.

Danke.

Bitte. Ich weiß zwar nicht wofür, aber bitte.

Dafür das du mir einen Grund gegeben hast so drauf zu sein? Schon vergessen?

Ach. Du kannst es ihr trotzdem nicht sagen. Wie kommt denn das? Ich bin so aggressiv weil ich mit meiner inneren Stimme über so viel Scheiße diskutieren muss. Wenn sie dich dann noch immer nicht eingeliefert haben, weiß ich auch nicht. Zum Schluss hat dich deine innere Stimme dazu gezwungen freiwillig in die Psychiatrie zu gehen.

Boah. Wenn du ein Mensch wärst.

Joa. Zum Glück bin ich keiner. Sonst hätte ich mindestens eine blutende Nase.

Ja. Ganz bestimmt.

Raven - I love you betterWhere stories live. Discover now