Politisch sein

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Ich habe mich schon immer informiert. Über die Vorgänge in unserer Regierung und den Parlamenten. Mich haben auch die großen politischen und gesellschaftlichen Fragen, die unsere Zeit prägen, begeistert. Die Strukturen zu hinterfragen und sich zu überlegen, was für mich, Deutschland und die Welt wichtig ist. Ich habe diese Überlegung immer für sehr wichtig gehalten, aber letztens etwas an mir festgestellt, was ich eigentlich nie sein wollte: Unpolitisch.

Das wirkt wie ein Widerspruch in sich. Zu allen möglichen Streitpunkten eine Meinung haben aber unpolitisch sein. Dabei ist es relativ einfach: Ich denke viel nach und diskutiere auch gerne aber etwas aktiv dafür tun, dass sich etwas ändert tue ich nicht. Und nur Wählen zählt nicht. Dieses Privileg sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.

Dabei gibt es aber auch noch einen Unterschied zwischen richtig und wichtig. Beispielweise halte ich es für richtig, dass Frauen politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich den Männern gleichgestellt werden. Politisch sind das auch der Fall. Frauen dürfen wählen und politische Ämter bekleiden. Aber gerade in machtvollen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Positionen gibt es immer noch Defizite. Ich finde, dass dort eine Regierung entgegenwirken und diese Defizite ausgleichen sollte. Aber ich brenne nicht für dieses Thema, setzte mich nicht aktiv dafür ein. Wahrscheinlich weil es mich als Mann nicht direkt betrifft. Deshalb bin ich kein Feminist, sondern nur ein Mensch, der viele feministische Positionen als gute Positionen anerkennt. 

Ich verspüre keinen Drang, Feminist zu werden. Allgemein weiß ich nicht, für welche Position ich aktiv einstehen soll. Wahrscheinlich geht es mir dafür zu gut. Als männlicher, weißer, christlicher, heterosexueller Student gehöre ich zu den Gewinnern der Gesellschaft. Natürlich könnte ich mich für eine Minderheit einsetzen, aber dann komme ich vor, als sei ich deren Sprecher, der sein Image durch so etwas aufbessern. Darauf habe ich ehrlich gesagt keine Lust und das halte ich auch für nicht wirklich ehrlich.

Themen die mir wirklich wichtig sind, ist freie Bildung wo jeder die gleichen Chancen bekommt. Denn nur wenn jeder an einem fairen Wettstreit teilnimmt, kann eine Marktwirtschaft wirklich sozial sein. Auch wichtig sind ein Gesundheit- und Sozialsystem, dass einen im Notfall auffängt und zurück ins geregelte Leben hilft. Außerdem der Schutz von Frieden, Demokratie und der Umwelt. Mit diesen wertvollen Gütern wird in diesen Zeiten viel zu leichtfertig umgegangen.

Warum ich mich für diese Themen interessiere, mich aber nicht aktiv engagiere ist ziemlich einfach. Ich bin mir zu bequem. Sind mir dann diese Themen doch nicht so heilig oder sage ich nur, dass ich diese Dinge wichtig finde, um mich in ein besseres Licht zu rücken? Letztlich weiß ich es nicht genau. Wahrscheinlich beides.

Was ich jedenfalls festgestellt habe: Ich bin unpolitischer, als ich gedacht habe und gehöre damit zur großen Mehrheit in Deutschland. Sicherlich wären manche Probleme längst bewältigt, wenn jeder Bürger aufstehen würde und etwas verändern will. Ich werde nicht alleine die Welt verändern, aber jeder könnte immer mehr tun. Ich auch.

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⏰ Last updated: Apr 20, 2018 ⏰

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