Kapitel 7

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Alles war finster. Es war kalt und in der Luft lag ein Hauch von Gefahr. Plötzlich griff eine kalte Hand nach ihrem Hals und würgte sie. Ihre Luft wurde knapp, da erschien Leyas Gesicht vor ihr. „Du! Du bist schuld! Du alleine! Wärst du nur besser und schneller gewesen, würde ich noch leben. Ich hasse dich, du bist ein Monster!" Die Hand drückte immer fester zu, sie wollte schreien, aber kein Ton kam über ihre Lippen. Ihr Sichtfeld schwand und schließlich wurde ihr schwarz vor Augen.

Schreiend wachte Josie aus ihrem Alptraum auf und sah sich erstmal um. Es dauerte einige Sekunden, bis sie sich wieder vollkommen zurechtfand. Sie war gestern offensichtlich über ihren Unterlagen eingeschlafen und inzwischen war es schon kurz vor Sieben Uhr morgens, wie der Blick auf ihre Uhr verriet. Seufzend und mit einem schmerzenden Rücken, erhob Josie sich. Sie setzte sich vor ihr Whiteboard und brütete wieder angestrengt über den Unterlagen. Sie wollte einfach nicht wahrhaben, dass ein psychopatischer Mörder direkt vor ihrer Nase reihenweise Schüler umbrachte, und sie ewig nur auf der Stelle traten mit ihren Ermittlungen. Sie warf wieder einen Blick auf die Fotos der Tatorte, eingeschlossen dem gestrigen. Bei der Erinnerung daran zog sich ihr Herz zusammen, doch sie kontrollierte ihre Emotionen. Plötzlich traf sie ohne Grund eine Erkenntnis wie der Schlag. Auf jedem Tatortfoto sah man leichte Reifenspuren im Gras oder in der Erde. Reifenspuren, wie sie nur ein Rollstuhl machen konnte. Der Schokoriegel, den Leya gegessen hatte, war Träger der Säure gewesen. Und genau diese Schokoriegel gab es im Glas des Sozialpädagogen Billy Stone. Ebenso wie alle anderen Süßigkeiten, die Träger der Säure waren. Stone hatte ihr auch Süßigkeiten angeboten. Josie wusste zwar, dass sie Matthews Verdacht so vehement abgelehnt hatte, aber gerade schien es für sie keine andere logische Erklärung zu geben. Sie sah sich nochmal genau alle Fotos mit den Spuren an, die Süßgkeitenverpackungen aus den Taschen der Opfer legte sie daneben und kreiste den Namen Billy Stone auf ihrem Whiteboard fett ein. Mit einem Satz sprang sie auf, fuhr nach Hause, zog sich um und raste zur Schule, um noch vor Schulbeginn dort zu sein. Es gelang ihr, bereits eine halbe Stunde eher da zu sein. Mit schnellen, leisen Schritten lief sie zu Stones Büro. Auf dem Weg dahin überfielen sie allerdings Zweifel. Waren das alles nur Hirngespinste, die ihr übermüdeter und immer noch geschockter Kopf hervorgebracht hatte? Es klang wirklich mehr als unlogisch, Stone zu verdächtigen. Und was, wenn sie jemand erwischte? Dann wäre ihr Undercover Einsatz im Eimer. Aber irgendwas sagte ihr, dass sie dieser Spur unbedingt nachgehen musste und ihr Entschluss war gefasst. Sie erreichte sein Büro und bemerkte, dass die Tür angelehnt war. Sie klopfte, erhielt keine Antwort und sah nach dem Betreten des Büros auch, dass Stone noch nicht da war. Langsam, mit einem Anflug von schlechtem Gewissen machte sie kleine Schritte in Stones Reich. Als sie von draußen ein Geräusch vernahm, zuckte sie zurück und stieß dabei an einen kleinen Schrank, der sich selbst ein kleines Stück verrückte. Mit schweren Atemzügen beruhigte sie sich wieder und lauschte, ob noch ein Geräusch zu hören war. Als es mehrere Minuten still geblieben war, drehte sie sich langsam um, um das Regal wieder an Ort und Stelle zu rücken, als sie eine kleine, flache Schatulle unter dem Regal entdeckte, diese vorsichtig aufhob und öffnete. Mit einem erschrockenen Keuchen wich Josie zurück. In der Schatulle lag eine Spritze, ein Fläschchen Säure, ein paar Süßigkeiten und diverse Fotos von Schülern. Auch die Mordopfer waren auf den Bildern zu finden und diese Bilder beinhalteten noch ein kleines rotes Häkchen. Josies Hände zitterten bei dem Anblick des offensichtlichen Mordgeständnisses. Sie hatte den Mörder der Jonston High-School gefunden.

„So sieht es also aus. Die kleine Mary ist eine Schnüfflerin." Mit einem Knall schloss sich die Tür hinter Billy Stone und Josies Herz setzte ein paar Schläge aus. Mit einem Satz war sie auf ihren Beinen und blickte ist das längst nicht mehr freundliche Gesicht des Sozialpädagogen. „Sie! Sie waren es. Immer schon. Wie konnten Sie nur?" Josies Stimme zitterte, aber sie war einfach nur schockiert darüber, wer der Mörder war. „Ja, ich. Der liebe, behinderte Sozialpädagoge tötet Schüler. Mein Gott, alle machen ein riesen Drama aus dem Ganzen. Ihr versteht es alle nicht oder? Ihr versteht nicht, dass ich ein Held bin. Ich bin ein Erlöser und helfe den armen Seelen der Schüler, frei zu kommen. Sie werden mir auf ewig danken für meine Wohltat." Stone war immer eindringlicher geworden und starrte Josie intensiv an. Sie wich zurück, bis ihr Rücken die Wand traf. „Sie sind krank, sie brauchen Hilfe!" flüsterte Josie. „Oh nein, meine liebe Mary. Ich treffe in dieser Welt einfach auf so viel Unverständnis, aber es ist meine Berufung, ich muss diese armen Seelen erlösen, nur dann ist meine Mission erfüllt. Ich selbst wurde aufs äußerste in meiner Kindheit gemobbt, hatte keine Freunde und war immer nur der krüpplige Außenseiter. Ich habe zwei Mal versucht mir das Leben zu nehmen, aber bin immer gescheitert und danach hatte ich keinen Mut mehr für diesen Schritt. Aber dieser Mut ist nun zurückgekehrt und ich helfe allen, die das gleiche durchmachen, wie ich damals. Sie sind noch so jung und so voller Schmerz und Leid, ich gebe ihnen einfach den fehlenden Mut und erlöse sie endlich von ihrem elendigem Dasein." Josie bewegte sich langsam, Millimeter für Millimeter, auf die Tür zu. „Bitte, ich verspreche Ihnen, Sie werden alles besser verstehen, wenn Sie sich Hilfe holen. Es wird Ihnen besser gehen!" Mit einem Blick schätzte sie ihre mögliche Fluchtchance ab. Sie musste es nur bis zur Tür schaffen, diese aufbekommen und dann Hilfe holen. Allerdings stand Stone immer noch mitten im Raum. Aber sie hatte keine Wahl. „Ach Mary, so wie ich das sehe, bist du auch ein tiefunglückliches Mädchen. Aber ich könnte dir helfen." Das war genug für Josie. Mit einer ruckartigen Bewegung sprintete Sie Richtung Tür, nur um im nächsten Moment einen stechenden Schmerz an ihrem Hinterkopf zu spüren und bewusstlos zu Boden zu gehen. Die Brechstange in Stones Hand fiel klirrend zu Boden.

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