Prolog

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PROLOG

LUKE

Mein letzer Schultag für dieses Schuljahr ist vorbei. Endlich kann ich nach Hause und meine Koffer packen. Morgen geht es los in den Urlaub mit meinem Dad und meiner Mum. Wir fahren nicht weit weg, denn wir können nicht fliegen, wegen Mum. Ihr Arzt meint sie soll nicht fliegen, während sie schwanger ist. Meine Tasche fliegt in die Ecke neben unserer Eingangstür und ich rufe ins Haus hinein, dass ich Zuhause bin.

"Mum, ich bin Zuhause!" Sie antwortet mir nicht also suche ich nach ihr in der Küche. Ein Topf mit kochenden Nudeln steht auf dem Herd, aber Mum entdecke ich nirgendwo. Meine Suche nach ihr geht weiter im Wohnzimmer, doch auch dort ist keine Spur von ihr.

Schulterzuckend gehe ich nach oben zu meinem Zimmer, bis ich Stimmen aus dem Schlafzimmer höre.

"Was soll das heißen, du kannst nicht mitfahren? Luke freut sich abgöttisch, dass er mal wieder Zeit mit dir verbringen kann", fragt Mum mit zerbrechlicher Stimme.

"Kirsten, ich habe heute einen Brief bekommen. Sie ziehen mich ein."

Sie ziehen ihn ein? Was zum Teufel, soll das bedeuten?

"Was?"

"Ich werde in einer Woche losmüssen. Ich kann nichts dagegen tun." Er geht weg? Aber das geht doch nicht!

"Wie lange?", fragt Mum unter Tränen.

"12 Monate", antwortet Dad tonlos.

Nein! Nein! Er kann nicht gehen! Er ist mein Dad, das geht nicht!

"Ich bin schwanger, Marcus! Ich bekomme in sechs Monaten ein Baby. Wie stellst du dir das vor? Was soll ich Luke sagen?", ruft Mum und ich höre ihr lautes Schluchzen und Dads Versuch sie zu trösten.

"Wie wär's mit der Wahrheit?", frage ich emotionslos und trete ins Zimmer. Die beiden schweigen. Sauer gehe ich in mein Zimmer.

"Luke!", ruft Dad und will mir folgen, aber ich schlage ihm die Tür vor der Nase zu.

"Lass mich in Ruhe!"

"Luke, bitte, ich kann doch nichts dagegen machen! Bitte, öffne die Tür."

"Nein! Du hast es versprochen! Du hast gesagt wir würden wegfahren und jetzt verschwindest du einfach. Lass mich in Ruhe!", schreie ich und beginne mein Zimmer auseinander zu nehmen. Was soll ich denn tun? Ich bin gerade mal sechszehn, ich komm damit nicht klar! Ich brauche doch meinen Dad!

"Bitte, Luke. Ich kann doch nichts dafür. Es ist mein Job. Was soll ich denn tun? Willst du auf der Straße leben? Ich kann nicht nein sagen.", versucht es mein Dad, aber ich will das nicht hören. Ich will nicht hören, dass er gehen muss. Ich will nicht, dass er geht.

"Lass mich einfach und geh."

"Bitte, Champ, lass mich rein", bittet Dad. Ich mache nicht auf.

Die nächste Woche komme ich kaum aus meinem Zimmer. Nur zum Essen oder um auf die Toilette zu gehen. Meine Eltern versuchen an mich heran zu kommen und mit mir zu reden, aber ich ziehe mich zurück und verkrieche mich in meinem Zimmer. So habe ich mein Leben lang Stress bewältigt. Erst nehme ich mein Zimmer auseinander und dann verkrieche ich mich dort drinnen. So war das schon immer. Das wissen meine Eltern.

Heute Mittag wird er gehen. Er wird mich mit meiner schwangeren Mum und meinen Problemen alleine lassen. Obwohl ich genau weiß, dass er nichts dafür kann, gebe ich ihm die Schuld. Bringen tut mir das aber trotzdem nichts.

"Luke?", mein Dad klopft an meine Tür. Ich öffne sie und betrachte ihn. Er trägt seine Uniform, bereit zu fliegen.

"Sir."

"Sag das nicht so. Bitte nicht", fleht er mich an.

"Es tut mir so leid, Dad. Ich wollte nicht, ich bin nur so-" mir fällt kein passendes Wort ein.

"Sauer? Enttäuscht? Das versteh ich doch, Champ. Komm her." Er breitet seine Arme aus und ich lasse mich hineinfallen.

"Ich werde dich vermissen, Dad."

"Und ich dich erst! Willst du mit zum Flughafen? Oder willst du hier bleiben?"

"Ich würde gerne mit", gebe ich leise zurück und umarme ihn fester.

Auf dem Weg zum Flughafen laufen meiner Mum die Tränen in Sturzbächen die Wangen hinunter. Ich will sie nicht so sehen. So verweint und am Ende. Die Fahrt ist viel zu kurz und mir bleibt immer weniger Zeit mit meinem Vater. Endlich realisiere ich, dass er wirklich gehen muss. Das hier ist kein böser Traum, das ist die pure Realität und diese Realität nimmt mir meinen Vater für die nächsten zwölf Monate. Die Flughafenhalle, des NAVY Airports ist gefüllt mit Familien von Soldaten. Ich erkenne keinen von ihnen. Jetzt geht es los, jetzt wird mir mein Vater genommen.

"Ich muss jetzt gehen", bemerkt mein Dad.

"Bitte, bleib hier", flehe ich ihn an.

"Luke, das geht nicht, das weißt du doch."

"Bitte!"

"Das geht nicht. Ich muss gehen, das ist mein Beruf ich habe mich verpflichtet, das zu tun."

Ich nicke, denn schließlich verstehe ich, dass er nicht einfach hierbleiben kann.

"Kirsten, ich liebe dich!", sagt mein Dad an meine Mum gewandt.

"Ich liebe dich auch, Marcus. Komm heil wieder zurück und melde dich bei uns. Versprich mir das!"

"Ich verspreche es."

Sie küssen sich lang und innig, es ist beinahe peinlich dabei zuzusehen.

"Komm her, Champ. Ich liebe dich, Großer! Pass auf deine Mum und das Baby auf, bis ich wiederkomme, okay?"

Ich nicke und versuche meine Tränen zurückzuhalten, schaffe es aber nicht. Als mein Dad mich fest in den Arm nimmt, beginne ich laut zu schluchzen und meine Tränen kennen kein Halten mehr. Er löst sich wieder von mir, aber ich will ihn einfach nicht gehen lassen.

"Bitte, bleib hier, Dad!", flehe ich und lasse mich auf die Knie fallen, als er geht.

Er dreht sich um, aber er verschwindet dann hinter den Glastüren des Flughafens. Er ist endgültig weg! Ich habe die ganze Woche nicht geweint, habe die Gedanken an sein Verlassen nicht zugelassen und jetzt stürzt alles auf mich ein. Ich weine haltlos, und brülle wie ein Kleinkind nach meinem Vater, der aber nicht wiederkommt.

Jetzt bin ich auf mich gestellt. Ab jetzt bin ich der Mann im Haus und ich muss mich um meine Mum und mein Geschwisterchen kümmern, wenn es da ist. Ich muss ab jetzt stark sein, stärker als zuvor!

Tackled In. [Leseprobe]Where stories live. Discover now