Vorteile, die eine Weltherrschaft so mit sich bringt

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Mycroft war auf Dienstreise.
Gregory, seit einem Jahr mit ihm zusammen und seit einem halben Jahr mit ihm in einem gemeinsamen Haus wohnend, vermisste ihn ganz schrecklich und fühlte sich in dem großen Haus einsam und verloren ohne ihn. Daher hatte er John und Sherlock gebeten, einen gemütlichen Abend mit ihnen verbringen und vielleicht bei ihnen übernachten zu dürfen.
John hatte daraufhin Sherlocks zynische Bemerkungen mit einer Kopfnuss und einem Kuss unterbunden und selbstverständlich zugesagt.

So kam es, dass sie nun alle drei im Wohnzimmer in der Baker Street saßen. Greg flegelte sich auf dem Ohrensessel herum, während John auf dem Sofa saß und Sherlock sich an ihn gekuschelt hatte.
Sie hatten im Laufe des Abends ein paar Spiele gespielt, viel gelacht und zugegebenermaßen auch ein paar Bier getrunken. Nun, zumindest Greg und John. Sie beide waren angeheitert, während Sherlock, der Bier scheußlich fand, nur Tee getrunken hatte.

Nun hatten sie vom Spielen jedoch genug und John und Greg beschlossen, über die nächsten Stunden einen DVD-Abend zu machen. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, denn die meisten Filme waren nun einmal entweder völlig unlogisch oder unerträglich sentimental, hatten sie sich ausgerechnet zu einem Marathon der Zeichentrickserie „Pinky und der Brain" entschlossen.
Sherlock war nun gezwungen, sich das ebenfalls anzusehen, da John keinen Widerspruch zuließ und Sherlock im allgemeinen Johns Wünschen folgte, denn er mochte es, wenn der so bestimmend auftrat. Aber das stand auf einem anderen Blatt.

Jedenfalls musste Sherlock, nachdem sie einige Folgen angeschaut hatten, sich selbst gestehen, dass er die Abenteuer der beiden Labormäuse ganz lustig fand. Auch wenn er das natürlich selbst unter der Folter niemals laut zugegeben hätte.
Im Gegenteil, nach außen betonte er deutlich, wie grauenhaft er die Serie fände.

„Mal abgesehen davon, dass das alles jeglicher Logik entbehrt", sagte er mit dem arrogantesten Gesichtsausdruck, zu dem er fähig war, während John nur grinsend die Augen verdrehte.
„ ... kann ich die Motivation dieses 'Brain' in keinster Weise nachvollziehen. Was um alles auf der Welt sollte man davon haben, die Weltherrschaft an sich zu reißen? Sicher, es wäre gar nicht so schwierig, das zu tun. Die richtigen Manipulationen an den richtigen Stellen, einige Intrigen zur passenden Zeit ... gebt mir, nun, ein Jahr. Maximal. Und ich wäre an der Spitze der Welt."

Ungerührt von Johns und Gregs halb zweifelnden, halb amüsierten Blicken nahm er einen weiteren Schluck Tee und fuhr fort:
„Dennoch entschließt sich mir nicht, weshalb jemand so etwas wünschen sollte."
Und er schüttelte voller Unverständnis den Kopf.

„Nun ja", sagte Greg schmunzelnd, „du hättest bis an dein Lebensende unbegrenzt Wein, Weib und Gesang."
Der Blick, den Sherlock ihm daraufhin zuwarf, sagte auch ohne Worte: „Also bitte, Lestrade, sei kein Idiot!"
„Okay, okay", sagte Lestrade, „in deinem Falle wohl besser Wein, Männer und Gesang."
„Unsinn. Wein mag ich nicht. Wenn ich mich berauschen muss, gibt es da andere Dinge. Aber seit ich John habe, benötige ich derlei Substanzen nicht mehr. Und Männer? Pah. Ich hab John und der ist mehr wert, als alle anderen Männer dieses Planeten. Nichts für ungut, Lestrade."

John errötete vor Freude über diese so nebenbei ausgesprochene und doch so ehrlich gemeinte Liebeserklärung.
Greg dagegen nahm ihm die damit verbundene Missachtung nicht übel, denn es wahr nun mal Sherlock.
„Und Gesang? Nein. Die meisten Menschen können ohnehin nicht wirklich gut singen. Ein gutes Violinspiel ist schon eher nach meinem Geschmack. Aber das habe ich bereits, dafür brauche ich keine Weltherrschaft."
„Du hättest unbegrenzt Geld zur Verfügung", sagte Greg.
„Irrelevant. John und ich haben alles, was wie benötigen und wünschen. Wozu also mehr besitzen, als man tatsächlich braucht?"
„Macht?"
„Uninteressant. Ich kann auch jetzt schon die Menschen so manipulieren, dass sie tun, was ich will."

Greg ließ nicht locker.
„Du könntest selber die Gesetze erlassen. Nichts, was du tun würdest, wäre dann illegal. Du wärest weiter als Detektiv tätig und jeder Einbruch im Rahmen deiner Ermittlungen wäre durch deine eigenen Gesetze gedeckt."
„Auch das brauche ich nicht", sagte Sherlock, „denn erstens lasse ich mich nicht erwischen, und zweitens, nun, wenn es doch einmal eng wird, dann gibt es da Mycroft. Und ... dich, Grant."
„Greg!", riefen John und Greg gleichzeitig und lachten.
„Du hast recht", sagte John, „letztendlich gibt es nichts, was eine Weltherrschaft wirklich erstrebenswert macht."
Er wandte sich zu Greg.
„Oder kannst du dir vorstellen, ob es Spaß macht, über alle zu herrschen?"
„Keine Ahnung", sagte Greg und zuckte mit den Schultern, „aber ich kann ja mal Mycroft fragen."
Sie sahen sich an und prusteten los.

John startete die nächste Folge.
Ein paar Minuten später rief Sherlock plötzlich:
„Stop, John! Stop!"
Und er verdrehte genervt die Augen, weil John natürlich ein paar Augenblicke brauchte, bis er die Fernbedienung zur Hand und den entsprechenden Knopf gedrückt hatte.
„Okay, John, und jetzt spule bitte genau 10,2 Sekunden zurück."
Nun war es an John, wieder einmal die Augen zu verdrehen.
Dennoch gab er sich Mühe und schaffte es immerhin, halbwegs nahe an den von Sherlock gewünschten Zeitpunkt zu kommen.
Er startete die DVD erneut.

Und so lauschten sie alle drei dem 'Brain', wie er mit einem gleichzeitig traurig- genervt- arroganten Blick zu seinem Freund 'Pinky' sagte:
„Die Tatsache, dass dein Verstand durch keinerlei Medikamente getrübt wird, erfüllt mich nur noch mit Mitleid."

Sherlock hatte die Augen einen Moment lang geschlossen. Als er sie wieder öffnete, sagte er:
„Ich habe diesen Satz in meinem Gedächtnispalast abgespeichert, und zwar in einer Rumpelkammer, deren Tür ein Schild trägt mit der Aufschrift 'Effektive Beleidigungen für Anderson'."
„Rumpelkammer? Ernsthaft?", fragte John lachend. „Ich hatte vermutet, dein Spott für Anderson nimmt einen ganzen Flügel ein?"
„Nun, das mag früher so gewesen sein ... aber ... ich musste aufräumen. Ich habe Platz gebraucht. Und den Hauptteil meines Palastes nimmst natürlich inzwischen du ein, John", sagte Sherlock mit größter Selbstverständlichkeit.
„Oh, Sherlock", hauchte John. Und dann zog er den schwarz gelockten Mann zu sich zu einem langen, ausgiebigen Kuss.
Greg grinste.

Als die beiden wieder in der Realität auftauchten, wandte Sherlock sich an Greg.
„Mycroft hat übrigens auch einen."
„Einen ... was?"
„Einen solchen Gedächtnispalast. Und dessen Hauptteil nimmt ein gewisser DI von Scotland Yard ein."
„Ich ..." Greg war schon zu beschwipst, um noch vernünftig antworten zu können. Aber seine Ohren glühten und sein Herz pochte freudig.

Und während sie wieder den verrückten Einfällen der Zeichentrickmäuse zusahen, dachte John ein wenig benebelt:
„Ich möchte nicht die ganze Welt unter mir haben. Aber wenn ich Sherlock ab und an mal unter mir habe, dann macht mich das ganz glücklich ..." und er kicherte.
Sherlock dagegen dachte:
„Ich brauche keine Macht und kein Geld, wo ich doch John habe, der alles ist, was ich brauche."
Und Greg dachte: „Himmel, ich sehne mich so sehr nach Mr. 'Untergeordneter Posten bei der britischen Regierung', und wenn er wieder da ist, Hicks, dann werde ich ihn erobern ... oh der Begrüßungssex wird großartig sein ... „
Und während er vom Mycroft träumte, schlief er friedlich und selig ein.

Und bevor John Sherlock kurze Zeit später mit sich ins Schlafzimmer zog, deckte er Greg zu und lächelte zufrieden.

Sherlock BBC One-shotsWhere stories live. Discover now