Aufbau

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Das Hämmern des Regen weckte mich. Es war wohl noch früh und durch den Spalt zwischen den zwei Wandmatten zog ein kalter Wind. Unwillkürlich kuschelte ich mich tiefer in meinen Schlafsack, weich und warm, und versuchte noch einmal einzuschlafen. Gelang mir aber nicht. Also drehte ich mich so langsam und geräuschlos wie irgendwie möglich auf den Bauch und stemmte mich mit dem Oberkörper auf die Unterarme hoch. Dabei durchzuckte mich ein stechendes Gefühl. Mein halber Unterarm war von einem Schnitt durchzogen, den ich gestern nicht entdeckt hatte. Ich würde mich wohl irgendwie darum kümmern müssen.

Es schliefen noch alle. Sie sahen so friedlich aus mit den geschlossenen Augen und entspannten Zügen. Ich lag zwischen Amber und Serya, Elons Arm lag über ihrer Hüfte. Die beide waren vor unserer Flucht schon ein Paar gewesen, die Reise hatte sie noch enger werden lassen.

Während ich sie so betrachtete lauschte ich dem Regen und seinem Trommeln. Wenigstens war die Blache dicht. So liess ich einige Minuten verstreichen.

«Na Sonnenschein, auch schon wach?», Kjells wirren braunen Haare standen in alle Richtungen ab, als er mir müde zugrinste.

Ich lächelte und nickte. «Aber leider funktioniert das mit dem Sonnenschein nur bei dir und nicht beim Wetter», grummelte er und vergrub das Gesicht theatralisch im Schlafsack.

«Wollen wir trotzdem mal Frühstück machen?» fragte ich und der wirre Braunschopf nickte.

Also krabbelten wir so vorsichtig wie irgend möglich über die anderen nach draussen. Yasin erwachte als einziger und kam auch gleich mit. Eilig schlüpften wir in unsere Jacken. Hochwertige Anfertigung, schweinisch teuer und mit irgendwelchen neuen Technologien versehen, die sie hundert Prozent wasserdicht werden und unglaublich warb geben liess während sie doch nicht viel mehr wog als ein T-Shirt. Aber das Geld hatte sich gelohnt, auch wenn ich nicht wusste, wer in der Stadt bitte eine solche Jacke brauchte, hier draussen rettete sie uns das Leben. Im Regen war es nicht möglich, das Feuer zu entfachen um unseren üblichen Brei zu kochen. Als auch die anderen nach und nach aufwachten, beschlossen wir heute einen ersten Ruhetag einzulegen, da wir es nicht für klug hielten, bei diesem Regen, zu sähen oder zu graben. Also Zauberte Malia von irgend Kräcker her die wir uns als Frühstück in unserem Unterschlupf teilten.

«Was ist das denn?», fragte Iwen, nahm meine Hand und drehte meinen Unterarm so, dass er den Schnitt sehen konnte. Jetzt sah er irgendwie noch übler aus, als beim Aufwachen. «Das sieht entzündet aus, seit wann hast du das?».

«Ich weiss nicht», antwortete ich, «seit gestern vermutlich.»

«Ich schau mir das nachher mal an okay?», er sah mich besorgt an.

In der Stadt war er daran gewesen, Medizin zu studieren, ein langer mühsamer Weg, er hatte sich mit zwölf dazu entscheiden müssen und war jetzt seit acht Jahren an der Ausbildung in Medizin. Darum war er auch hier für unsere Gesundheit zuständig. Und diese Aufgabe passte zu ihm, er kümmerte und sorgte sich wohl am meisten um alle. Ein fröhlicher, humorvoller und wahnsinnig sozialer Mensch. Er hatte kein Bisschen in das System der Stadt gepasst, es hatte ihn kaputt gemacht und zerstört.

«Sehr gerne, danke», sagte ich und erwiderte sein Lächeln.

Nachdem wir gegessen hatten verzogen sich die meisten zurück in die Schlafsäcke um noch eine Runde zu schlafen, Yasin blieb draussen, wobei keiner wusste was er tat, er sprach nicht viel, war der der sofort am meisten anpackte. Kjell unterhielt sich leise mit Nayla und Keita versuchte aus irgendwelchen Rankenfasern ein Seil zu drehen, einen Versuch war es wert.

Ich setzte mich mit Iwen zum Ausgang, weil er dort das beste Licht hatte. Sanft berührte er meinen Unterarm und sah sich den Schnitt genauer an. Leise plauderte er mit mir, während er mit einem Stofflappen behutsam die Wunde abtupfte und auswusch. Dann tröpfelte er irgendwas darauf und strich eine Salbe über den Schnitt. Seine Handlungen wirkten so konzentriert und liebevoll, dass ich unbewusst zu Lächeln begann. Dann wickelte er meinen Unterarm in einen langen Stoffstreifen, der als Verband diente. «So jetzt passt du aber auf dich auf bitte», sagte er mit gespielt kommandierendem Unterton.

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⏰ Last updated: May 12, 2018 ⏰

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