Kapitel 16

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  Mit vernebelten Blick schlich ich die Treppe nach oben und versteckte mich wieder hinter der einen Tür, die zu dem komischen Mann führte, da die kommende Person sich schon viel zu nahe anhörte, als dass ich noch ein Stockwerk nach oben laufen hätte können.

  Hinter der Tür wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht und versuchte mich mehrmals davon zu überzeugen, dass alles gut gehen wird. Nur funktionierte das aber nicht so gut.

  „Na, was ist dir denn über die Leber gelaufen?", sprach mich wieder dieser Typ an. „Wynola, Wynola, ich sagte dir doch, dass man nicht mit dem Teufel spielt", schüttelte er enttäuscht den Kopf.

  „Wenn du schon über 500 Jahre alt bist, solltest du dann nicht höflicher zu Frauen sein?", zischte ich ihn zu und schaute ihn wütend an. „Oh, du hast wohl etwas gesehen, was du nicht hättest sehen wollen.... oder sollen? Ich kann dafür sorgen, dass du so etwas nie wieder sehen musst, aber nur, wenn du mich herauslässt, was meinst du?", starrte er mich mit verschränkten Armen zu. Ich verdrehte nur meine Augen und lief ihn ignorierend wieder ins Treppenhaus. Der kann da bleiben wo der Pfeffer wächst. Ich muss jetzt erst einmal aus diesem Haus heraus und unter die Dusche. Und dann muss ich herausfinden, wer meine Eltern gefangen hält.

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  Das kühle Nass, das aus dem Duschhahn kommt half mir wieder klar zu denken. Ich war immer noch verwirrt. Ich habe nicht einmal bemerkt, ob mich überhaupt jemanden gesehen hat auf den Weg zurück in dieses Haus. Wenn ich nicht gerade an meine Eltern denken muss, musste ich darüber nachgrübeln, ob Sirius derjenige ist, der sie gefangen hält. Und wenn das der Fall ist, dann haben wir ein Problem. Nicht das wir sowieso schon eins haben.

  Wusste er, dass es meine Eltern sind und ist er deshalb so kaltherzig mir gegenüber?

  Wäre es wirklich Sirius, dann würde ich sogar den komischen Clown im Gefängnis frei lassen. Auch wenn er mich dann möglicherweise auch tötet, wegen dieser ganzen Luna-Sache. Der Typ hat doch den Schuss nicht gehört.

  Nach dem ich mich abgetrocknet und mir etwas übergezogen hatte, holte ich Marys Tagebuch hervor und machte ein Einband von einem anderen Buch herum, damit man nicht sofort bemerkt, dass es sich um ein Tagebuch handelt. Danach lief ich ins Wohnzimmer und machte es mir auf dem Sofa bequem. So weit ich weiß ist Sirius noch nicht da und ich bin alleine.

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  Ich verstecke mich gerade hinter einem Felsen. Ich weiß wirklich nicht auf was ich da gerade gestoßen bin. Ich wollte ihn doch nur folgen, um ihn zu fragen, ob er mit mir spielt. Er hat es mir schließlich versprochen. Und jetzt ist er in so einer Höhle mit mehreren Leuten aus unseren Rudel. Da ist Nils, Lisa, Oskar, Mareike, Anna, Melanie, Katharine, Kristin, Emanuel und noch ganz viele andere, die schreibe ich jetzt nicht alle auf. Ich seh auch nicht alle, da ich nur durch einen Schlitz in die Höhle schauen kann. Liebes Tagebuch, ich schreibe dir alles auf, damit ich auch nichts vergesse und es ihm später erzählen kann. Sorry, wenn ich deswegen etwas schlampig schreibe. Warum entschuldige ich mich bei meinem Tagebuch? Ich glaub ich hab sie auch nicht mehr alle.

  Auf jeden Fall kommt er gerade auf eine Art Bühne. Was ist das hier, eine Versammlung? Oh da sind Mama und Papa. Warum sind sie in Ketten? Was will er mit dem Messer?

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  Was ist passiert? Der Eintrag endete hier. Und wer ist dieser 'er'? Ich blätterte weiter nach hinten, doch alle Seiten waren leer, bis auf die letzte, auf der ganz groß ein Name stand.

  Jack.

  Was meint sie denn jetzt mit Jack? Außer... Sie ist Jack gefolgt um mit ihm zu spielen. Dann hat sie die Versammlung gesehen und dieser 'er' könnte Jack sein. Und Jack hatte ein Messer und hat ihre Eltern getötet. Sie ist erschrocken oder hat geschrien und ist weg gelaufen. Während sie lief hat sie eine Seite aufgeschlagen und Jack geschrieben. Das würde diese wackelige Schrift erklären. Dann ist sie auf meinen Eltern gestoßen und hat ihnen das Tagebuch gegeben. Und irgendwann hat Jack sie erwischt.

  Wow, die Theorie war jetzt aber weit hergeholt. Als ob Jack die Schwester von Sirius töten würde und seine Eltern.

  Die Phantasie geht gerade eindeutig mit mir durch.

  Ich wollte gerade den Fernseher anmachen, da hörte ich, wie jemand die Haustüre öffnete. Kam Sirius gerade? Ich presste das Buch an mich und versuchte es etwas zu verstecken. Ich hörte wie die Türe geöffnet wurde, aber nicht wie sie ins Schloss fiel. Komisch.

  Ich stand vom Sofa auf und wollte nachschauen, wer da gerade gekommen ist, als die Person auch schon um die Ecke ins Wohnzimmer bog. Ich hätte sie ja begrüßt, nur hatte ich keine Ahnung, wer das bitte sein soll. Es wäre vielleicht einfacher, wenn sie den schwarzen Mantel du die Kapuze ablegen würde. Oder natürlich diese dämliche Maske. Warum gibt es hier so viele Mantel-Menschen?

  Ich habe so ein Gefühl, dass ich gerade mega in der Scheiße stecke.

  Die Person lief in meine Richtung und hatte eine Art Messer in der Hand. Spätestens als ich das gesehen hatte machte ich kehrt und rannte die Treppe nach oben. Dort angekommen öffnete ich irgendein Zimmer und verschanzte mich dahinter. Als ob die Person meine Weg nicht riechen würde.

  Ich würde ja kämpfen, nur scheint mir, als wären hier alle über hundert Jahre alt und somit bin ich eine leichte Beute. Leider. Wo ist denn dieser dämliche Bodyguard, wenn man ihn mal braucht?

  Das Zimmer schien schon lange nicht mehr benutzt worden zu sein und als ich einen Bär auf einen Stuhl sitzen sah, wurde mir klar, dass sich es hier um Marys Zimmer handeln musste. Schnell lief ich zu dem Bär und öffnete dieses Geheimfach an dem Bären, von dem Mary in ihrem Buch geredet hatte und versteckte das Buch. Dann lief ich zu einem Schrank und nahm mir ein paar Bücher in die Hand. Keine Sekunde zu spät, denn da wurde auch schon die Tür aufgebrochen und dieser Umhangmensch kam herein. Der hat sich aber ganz schön Zeit gelassen.

  Ohne groß Nachzudenken, warf ich der Person die Bücher an den Kopf und lief gleichzeitig zum Fenster. Die Person fing bei meinem kläglichen Angriffsversuch an zu Lachen. Dadurch erkannte ich, dass die Person weiblich war. Immerhin ist es nicht Sirius. Erst jetzt fällt mir auf, dass der Geruch auch weiblich ist.

  Da ich keine Zeit hatte das Fenster auf normalen Weg zu öffnen, boxte ich mit meiner Faust eine Scheibe ein und schrie Sirius Namen.

  Warum weiß ich auch nicht genau, aber das war das Einzige, das mir eingefallen ist. Selbst wenn ich mich verteidige, ich hätte gegen dieses Mannsweib ganz bestimmt keine Chancen, schon allein, weil sie gerade so schnell hinter mir stand, dass ich es gar nicht bemerkt hatte. Ohne die Zeit zu haben mich umzudrehen, zog sie an meinen Haaren und schmiss mich an die gegenüberliegende Wand.

  Ich hoffe wirklich Sirius hat mich gehört. Ich meine mit seinem reinen Blut und so sollte er ja wenigstens ein besseres Gehör besitzen. Noch einmal rufen werde ich nicht können, da mir gerade meine Luftzufuhr abgedrückt wurde.

  Dieses ganze Rudel hat etwas an der Klatsche, wenn man mich fragt.

  Ich änderte meine Finger zu Wolfskrallen und versuchte mich zu verteidigen. Ich erwischte sie auch ein paar Mal, doch die Maske vor ihrem Gesicht wollte sich nicht treffen lassen. Ich wollte wenigstens wissen, wer gerade dabei war mich zu töten. Das ist ja wohl das mindeste.

  Meine Luft wurde knapp und meine Kraft lies nach. Bei dem ganzen Stress hier habe ich sogar vergessen mich zu verwandeln. Ich bin wirklich ein erstklassiges Ziel für Idioten.

  In dem Moment, als mir die Frau das Messer in den Bauch rammte, war es mit dem angreifen meinerseits auch vorbei. Das Messer war hundertprozentig kein normales Messer gewesen, nach den Schmerzen zu urteilen. Lachend zog sie das Messer wieder heraus und ließ auch meinen Hals los. Erschöpft fiel ich zu Boden und verkrampfte mich vor Schmerzen und die Sicht vor meinen Augen verschwamm.

  „Wynola!", hörte ich die Stimme von Sirius und anschließend eine Person, die wohl aus dem Fenster sprang.

  Wow, das war das erste Mal, dass er meinen Namen sagte.

  Mh, ich sollte vielleicht mal andere Prioritäten setzen.



Atem des HerzenOù les histoires vivent. Découvrez maintenant