Namjoon - 13. Juli, Jahr 22

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Ich lehnte meinen Kopf gegen das Busfenster. Von der Bibliothek bis zur Tankstelle. Die Strecke, die ich jeden Tag fuhr, die langweilige normale Landschaft, an der ich vorbeifuhr. Werde ich eines Tages dieser Landschaft entfliehen? Es schien unmöglich den Morgen zu beurteilen, oder gar nach etwas zu wünschen.
Vor mir sah ich ein Mädchen mit einem gelben Gummiband sitzen. Als würde sie seufzten hob sich ihre Schultern bevor sie sie fallen ließ. Und dann lehnte sie ihren Kopf an dem Fenster. Seit einem Monat schon lernten wir in der selben Bibliothek und stiegen immer in den gleichen Bus an der gleichen Bushaltestelle ein. Und auch wenn wir noch nie ein Wort miteinander gewechselt haben, sahen wir die gleiche Landschaft, durchlebten die gleiche Zeit und seufzten den gleichen Seufzer. Der Haargummi befand sich immer noch in meiner Hosentasche.
Das Mädchen stieg immer drei Haltestellen vor mir aus. Wann auch immer sie ausstieg, fragte ich mich, ob sie wieder Flyer verteilen würde. Was für einen Tag wird sie wohl haben, was für eine Art von Arbeit wird sie wohl machen müssen. Wie frustriert wird sie sich wohl fühlen, auf ein „morgen“ zu warten, der sich anfühlte, als würde er niemals kommen; als würde so etwas wie „morgen“ nicht existieren. An solche Dinge dachte ich.
Wir kamen näher an der Haltestelle, an der sie aussteigen musste. Jemand drückte auf den Halteknopf und Passanten standen von ihren Sitzen auf. Aber das Mädchen war keiner dieser Menschen. Sie lehnte sich weiterhin ans Fenster und blieb sitzen. Es schien so, als wäre sie eingeschlafen. Sollte ich sie aufwecken? Ich war für einen Moment hin und her gerissen. Der Bus hielt an der nächsten Station. Das Mädchen bewegte sich immer noch nicht. Passanten stiegen wieder aus. Die Türen schlossen und der Bus fuhr weiter.
Das Mädchen wachte in den nächsten drei Haltestellen auch nicht auf. Als ich mich auf dem Weg zum Ausgang machte, war ich wieder hin und her gerissen. Wenn ich jetzt ging, würde sich niemand um sie kümmern, da war ich mir sicher. Das Mädchen würde aufwachen, weit weg von wo sie eigentlich sein müsste und ihr Tag würde im Endeffekt noch ermüdender sein als es normalerweise schon war.
Als ich an der nächsten Bushaltestelle ausstieg, lief ich in Richtung der Tankstelle. Der Bus fuhr wieder los und ich sah nicht zurück. Ich legte den Haargummi auf ihre Tasche drauf, aber das war auch alles. Das war nicht der Anfang, oder gar das Ende. Da war von Anfang an nicht wirklich was und es sollte auch keinen Grund geben, dass da jetzt was war. Also sagte ich mir auch, dass dies wirklich nichts war.

HYYH (花樣年華) The Notes: TEAR [German/Deutsch] Where stories live. Discover now