Kapitel 1 - Über neue Anfänge

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Kapitel 1 - Luca Alighieri

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Definition: in·di·go·blau /índigoblau/Adjektiv

1. tiefblau

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Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr schwimmt und schwimmt, das Ufer aber einfach nicht näher kommt?

Wenn die Welle über euren Kopf kracht und ihr nicht mehr wisst, wo unten und wo oben ist?

Die Beine und Arme zu kribbeln beginnen, weil euch schlichtweg der Sauerstoff fehlt?

Ihr so verzweifelt Luft braucht, ihr aber Wasser statt Luft atmet?

Bestimmt. Aber kennt ihr das Gefühl, wenn der Albtraum einfach nicht aufhört? Der Schreckensmoment geht nicht vorüber und euer ganzer Körper schreit auf, kann sich irgendwann nicht mehr bewegen.

Ertrinken.

Ich weiss nicht wie sich das anfühlt. Ihr hoffentlich auch nicht.

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Als der Wecker schrill durch mein Zimmer erklang, öffnete ich die Augen. Ich fuhr mir durch mein blondiertes Haar, das mir im Nacken und auf der Stirn klebte. Ich knallte meine Hand auf den Wecker um ihn zum Schweigen zu bringen und realisierte, dass ich völlig verschwitzt war. Laut und herzzerreissend seufzend, versuchte ich den Albtraum zu vergessen, der mir noch tief in den Knochen steckte. Ich roch frischen Kaffee und Toast aus der Küche, was mich motivierte um die Füsse auf den kalten Steinboden zu legen und aufzustehen. Ich hüpfte in die Dusche, die unter diesen Umständen bitter notwendig war. Das heisse Wasser half mir mit meinem Traum eher wenig und jedes Mal wenn ich einatmete, fühlte ich Wellen auf mich nieder krachen. Es war deshalb auch nicht erstaunlich, dass ich rekordverdächtige drei Minuten brauchte, um mich sauber zu waschen und das Wasser wieder abzustellen.

Stimmt ja, heute war erster Schultag meines letzten Jahres an der Highschool. Ich betrachtete mich im Spiegel, während ich mir die Zähne putzte. Meine dunkelbraunen Augen starrten mir dumpf entgegen. Meine sommerliche Bräune, die mich Ende Sommer normalerweise erstrahlen liess, war so gut wie nicht vorhanden. Kein Wunder. Den ganzen Sommer hatte ich in der Eisdiele gestanden oder geschlafen. Ich bürstete mir mein schulterlanges Haar und zog mir dann eine Jeans und ein olivgrünes Shirt an. Einen Atemzug lang, widmete ich mich meiner Goldkette, dessen Anhänger unter meinem Shirt verschwunden war. Ich holte den kleinen goldenen Anhänger hervor. Es war eine kleine Muschel.

„Guten Morgen, Peanut." Abraham Alighieri grinste mich aus seinem ergrauenden Bart an. Mein Vater – nur so zur Info. Meine grossen dunklen Augen hatte ich von ihm. Seine Haut war braun gebräunt und umrahmt von schwarzgrauem Haar, welches er sich aus der Stirn gestrichen hatte. Er hielt einen Topf in der Hand mit paratem French Toast.

„Morgen, Pap." Ich gähnte und setzte mich an den Frühstückstisch, der im Wintergarten stand.

„Wieso machst du French Toast in einem Topf und nicht in der Pfanne?" Stirnrunzelnd sah ich ihn an und der lachte sein helles Lachen, welches ich schon lange nicht mehr gehört hatte. Er war bei guter Laune.

„Ich habe den Karton mit den Pfannen nicht gefunden", entgegnete er, während er mit einer Gabel einen French Toast aus dem Topf fischte und ihn auf den Teller vor mir fallen liess. Ich trank meinen Orangensaft aus, ohne etwas zu erwidern.

„Was ist? Freust du dich nicht auf deinen ersten Schultag?", fragte er zu enthusiastisch und setzte sich ebenfalls an den runden Steintisch, den er liebevoll mit allem geschmückt hatte, was ich zum Frühstück gerne ass. Ein grosses Glas Nutella, frisch gepresster Orangensaft und Erdbeeren. Normalerweise gab es nicht so ein aufwendiges Frühstück, er hatte sich wirklich Mühe gegeben.

«Indigo reminds me of you»Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt