Kapitel 9

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Währenddessen trat Loki an Claires Bett und betrachtete sie. Vorsichtig nahm er ihre Hand in seine. „Was machst du denn?", fragte er leise und zog sich mit der freien Hand einen Hocker heran.

„Ich weiß, dass wir uns in den letzten Jahren nicht besonders oft gesehen haben und vielleicht tut es mir sogar ein bisschen leid." Er stockte einen Moment und lauschte dem regelmäßigen Piepen, welches ihren Herzschlag anzeigte.

„Der Heiler meinte, dass du nicht zurück möchtest. Warum?" Loki ließ die Frage eine Weile in dem ruhigen Raum und wartete auf eine Antwort, aber Claire reagierte nicht. Sie hatte die Augen weiterhin geschlossen und regte sich nicht. Seine reine Anwesenheit reichte also nicht, um sie dazu zu bringen wieder aufzuwachen. „Er meinte auch, dass du spürst, wenn ich lüge, aber das hast du früher schon immer.

Obwohl ich dich nie angelogen habe." Er biss sich auf die Unterlippe. Es gefiel ihm deutlich besser, wenn sie ihm antwortete. Er hörte ihr gerne zu, wenn sie sprach. „Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht so richtig, was ich dir erzählen soll. Du hast bei unseren Treffen meistens geredet." Ein leises Lachen verließ seinen Mund. Er dachte über seine Worte nach und da fiel ihm etwas auf. Seine Augen weiteten sich und er ergänzte: „Das war kein Vorwurf. Ich hab dir gerne zugehört und ich fand es faszinierend, mit welcher Leichtigkeit, du Gesprächsthemen gefunden hast."

Für den Bruchteil eines Augenblicks dachte Loki, dass sich Claires Mundwinkel erheben würden, doch dann war es wieder vorbei. Ihr Gesicht lag unbewegt da und sie schlief einfach weiter. „Du hörst mich also", stellte Loki erleichtert fest und klammerte sich an diese kurze Reaktion von ihr. „Das geht nicht", hauchte er und schüttelte vorsichtig den Kopf. Seine andere Hand legte sich an ihre Wange und stricht langsam darüber. „Du musst wieder aufwachen. Der Gedanke, dich zu verlieren ist unerträglich." Er musste Schlucken, bevor er weitersprechen konnte.

„Es gibt noch so viel, was ich dir sagen wollte, was ich dir schon viel früher hätte sagen sollen." Wieder stockte er. „Ich habe dir nie erzählt, was mein erster Gedanke über dich war, oder?" Sie gab keine Antwort, aber Loki spürte, dass sie ihm aufmerksam zuhörte. Er konnte nicht genau sagen warum, aber er war sich sicher.

„Ich fand dich echt interessant, als Odin dich zu uns geholt hatte. Und hübsch. Ich hatte noch nie jemanden gesehen, der so schön war wie du. Eigentlich hatte ich dich da schon abgeschrieben. Jemand wie du hatte normalerweise kein Interesse an jemandem wie mir. Ich stand immer im Schatten von Thor. Er hat das bekommen, was ich wollte und sich in den meisten Fällen nicht mal darüber gefreut. Ich dachte du würdest dich auch nur für meinen Bruder interessieren. Du hast mich eines Besseren belehrt und ich habe jeden Moment mit dir genossen. Ich fand es damals wirklich schön, Zeit mit dir zu verbringen." Lokis Miene verdunkelte sich etwas. „Dann habe ich dieses dumme Feuer gelegt, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Heute weiß ich schon nicht mehr, was ich mir für einen Grund eingeredet hatte, der das Ganze rechtfertigte. Die schlimme meiner Tat ist mir erst aufgefallen, als du mich gedeckt hast. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Vorwürfe ich mir damals gemacht habe. Auch wenn du mir immer wieder gesagt hast, dass ich das nicht tun sollte. Vielleicht hätte ich damals allen die Wahrheit sagen sollen, doch das konnte ich einfach nicht."

Loki wand seinen Blick von ihr ab, um einen der Monitore anzustarren, auf dem er doch nichts lesen konnte.

„Das einzige, dass man als positiven Punkt aus der Aktion herausziehen könnte ist: Wir waren bei unseren weiteren Treffen alleine. Wir waren unter uns und mussten keine Bedenken habe, von irgendwem gestört zu werden. Ich habe das sehr genossen. Ich hatte dich ganz für mich. Es waren die schönsten Tage meines Lebens. Warum bist du dann eigentlich von hier weg gegangen, um auf Midgard zu leben? Diese Entscheidung habe ich nicht verstanden. Ich meine, wir konnten uns hier so oft treffen, wie ich mich aus dem Palast schleichen konnte. Natürlich war es schön, dich in Midgard mit Odins Wissen besuchen zu dürfen, aber da ging es dir doch nicht gut. Das habe ich gemerkt. Egal, wie sehr du versucht hast, es zu verstecken."

Wieder verließ ein kleines Lachen Lokis Lippen und er strich Claire eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Irgendwie haben wir uns dann aus den Augen verloren. Naja, hauptsächlich wohl, weil ich dich auf Midgard nicht mehr besucht habe. Aber du warst plötzlich auch nicht mehr in dem kleinen Haus am See." Ein leichter Vorwurf schwang bei diesen Worten in seiner Stimme mit. Er wusste noch, wie sehr er sich erschreckt hatte, als nicht Claire, sondern eine alte Dame die Tür geöffnet hatte.

„Ach, dieses ganze Gerede bringt doch gar nichts. Ich meine, du warst dabei. Du weißt das alles selbst. Hast es selbst miterlebt. Außerdem habe ich keine Ahnung, ob du mich wirklich hörst." Sein Blick war wieder zu ihrem Gesicht gewandert und starrte es an. Wie oft hatte er sie schon angesehen und jedes Mal fiel ihm eine neue Kleinigkeit auf, die sie noch attraktiver machte. Die Narbe an ihrer Augenbraue hatte sie in ihrem letzten Gefecht erhalten und irgendwas daran gefiel Loki. Es lies sie nicht nur süß, sondern auch stark wirken.

„Du hast mir oft genug gesagt, dass du mich magst und ich glaube, jetzt bin ich dran. Wenn du wirklich nicht mehr aufwachst, lass mich wenigstens das noch sagen", bat er und strich ihr erneut über die Wange.

„Erinnerst du dich noch, als du mir gezeigt hast, was ein Film ist? Wir lagen nebeneinander auf deinem Sofa und haben uns diesen Weltuntergangsfilm angesehen. Wie hieß der noch?" Loki überlegte. „Armageddon, oder? Du bist nach der Hälfte ungefähr eingeschlafen und hast dich an mich gekuschelt. Ich habe dich zugedeckt und du hast zum ersten Mal gesagt, dass du mich liebst. Um ehrlich zu sein, war es das Schönste, das je jemand zu mir gesagt hat. Ich weiß noch, welche Angst ich in diesem Moment hatte, dass du wieder wach wirst, weil mein Herz so laut geschlagen hat. Seit dem hast du es immer mal wieder gesagt. Ich habe dir nie erzählt, wie viel mir das bedeutet oder es gar erwidert, aus Angst, du würdest mich auslachen. Aber die Wahrheit ist, ich liebe dich auch. Mehr als du denkst."

Das Lächeln auf Lokis Gesicht war unmöglich zu entfernen und wieder schlug sein Herz in doppelter Geschwindigkeit. Seine Stimme war zum Ende immer leiser geworden, aber das war egal. Es fühlte sich gut an, dass er es endlich gesagt hatte und er bereute es, dass es so lange gedauert hat.

Das regelmäßige Piepen von Claires Herzschlag, war schneller und mittlerweile zu einem durchgängigen Ton geworden. Die Tür wurde aufgerissen und der Heiler kam, gefolgt von Thor in den Raum gestürmt. „Was hast du gemacht?" brüllte Thor aufgebracht und zog seinen Bruder von ihrem Bett weg. „Nichts", hauchte Loki irritiert und sein Blick fokussierte Claire.

Der Heiler begann an dem piependen Gerät herumzudrücken und fühlte mir seiner anderen Hand Claires Puls. „Wie konntest du?" keifte Prinz Baoas und es sah aus, als wolle er Loki einen Kinnhaken verpassen. Allerdings hielt Thor ihn zurück. „Er geniest es, wenn andere in seiner Gegenwart die Kontrolle verlieren. Lass es", meinte er und die beiden Herren führten Loki aus dem Raum.

Der Heiler hatte das Piepsen abgestellt und betrachtete Claire. Es hatte seine Vermutung, dass sie noch hier lag und nicht ins Licht gegangen war, bestätigt. „Was machst du nur?" hauchte er und stöpselte das Gerät wieder an. Sofort erklang das gleichmäßige Piepsen und erfüllte den Raum.

Ich werde nicht betteln!Where stories live. Discover now