Kapitel 12

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Als Thor am nächsten Morgen zu Claire ins Zimmer kam, um Loki abzuholen, war die junge Frau alleine. Sie lag mit geschlossenen Augen im Bett und kurz dachte Thor, er hätte nur geträumt, dass sie aufgewacht wäre. Leise trat er an ihr Bett heran und beobachtete, wie friedlich sie zu schlafen schien.

„Er ist nicht hier", erklärte Claire plötzlich. Ihre Augen waren immer noch geschlossen, aber sie hatte Thors Blick auf sich gespürt. „Wer sagt, dass ich wegen ihm hier bin?", fragte Thor und entlockte ihr damit ein leises Lachen.

„Du möchtest ihn zurück nach Asgard bringen, schon vergessen?", erwiderte sie und öffnete nun doch ihre Augen. „Nein, das weiß ich noch", seufzte Thor und ließ seinen Blick über den Raum wandern. „Du wirst ihn hier nicht finden", flötete Claire belustigt und schüttelte leicht den Kopf.

„Wo ist er?" hakte der Blonde nach, „Die ganze Nacht haben die Wachen vor der Tür gestanden. Er ist hier nicht raus gekommen und seine Magie ist in diesem Raum unwirksam." Thor zählte die Fakten auf, als wolle er überprüfen, ob er einen Fehler gemacht hatte. Er hatte den Wachen vertraut, dass Loki nicht entkommen war. Seinem Vater würde diese Entwicklung gar nicht gefallen.

„Das weiß er selbst nicht", kicherte Claire und stellte sich Lokis verwirrtes Gesicht vor, wenn er die Augen öffnete. „Aber du weißt, wo er ist?" Thor legte eine besondere Betonung auf das kleine Wörtchen ‚du'. Seine Vermutung, dass Claire für das Verschwinden seines Bruders verantwortlich war, bestätigte sich, als sie nickte.

„Aber ich werde dir nichts verraten. Meine Lippen sind versiegelt", meinte sie und fuhr sich mit den Fingern über den Mund. „Und warum nicht?" Langsam wurde Thor ungeduldig. Er hatte nie ein Problem mit Claire. Auch wenn er sich nie so gut mit ihr verstanden hatte, wie es sein Bruder tat.

„Weißt du", begann Claire zu überlegen, „Ich würde ihn gerne wiedersehen." „Aber ich habe Odin versprochen, dass ich ihn zurück in die Kerker nach Asgard sperre. Das ist der einzige Ort, wo er unschädlich ist", beharrte Thor.

Jetzt wurde Claire ebenfalls wütend und brüllte schon fast: „Du redest von ihm, als wäre er ein gefährlicher, schwarz magischer Gegenstand, mit dem du gespielt hast und ihn jetzt wieder zurück räumen musst. Du vergisst, dass er dein Bruder ist. Ein lebendiges Wesen mit Bedürfnissen."

Thor zuckte zurück, da diese Wort und der Nachdruck in Claires Worten gar nicht zu ihrer zarten Gestalt passten. „Du hast keine Ahnung, was er alles angestellt hat. Odin hat beschlossen, dass es das beste ist, wenn er im Kerker ist", argumentierte Thor, doch entlockte Claire damit nur ein Schnauben. Sie hielt nicht mehr viel von Odin und das konnte ihr wohl niemand verübeln.

„Sag Odin von mir aus, dass ich ihn habe. Mir ist seine Meinung nämlich herzlich egal. Ich lasse nicht mehr zu, dass er mir und Loki ständig das selbe Leid zufügt. Langsam wird es nämlich langweilig und ich habe auf das Spielchen echt kein Bock mehr", zischte sie und ihre Augen waren zu schlitzen verengt.

„In Ordnung, aber du versicherst mir, dass er keinen Blödsinn mehr anstellt. Er wird keine Welt unterjochen, sich keinen Thron schnappen, von dem er denkt, dass es sein Geburtsrecht ist und sich keine Armee aufbauen", forderte Thor.

Er war sich ziemlich sicher, dass Claire all diese Punkte unmöglich versprechen konnte. Egal, wie sehr sie an ihn glaubte. Er hatte Charakterzüge, die man in Thors Augen nicht ändern konnte. Es war immer das Gleiche mit Loki. Man vertraute ihm und er hinterging einen. Sollte Claire doch selbst diese Erfahrung machen.

„Abgemacht", sagte diese jedoch zuversichtlich und hielt dem Gott ihre Hand hin. „Und wenn er Mist baut, verspreche ich, dass ich ihn eigenhändig nach Asgard in die Kerker stecke. Von mir aus könnt ihr mich dann auch einsperren, weil ich andere Lebewesen durch mein Handeln in Gefahr gebracht habe. Mit dem Feuer von damals bekommt ihr bestimmt eine Hinrichtung durch", fügte Claire hinzu und sah Thor ernst an.

Dieser schien immer noch misstrauisch. Das wollte er eigentlich nicht erreichen, aber sie musste sich ihrer Sache sehr sicher sein, wenn sie ihr eigenes Leben dafür aufs Spiel setzte.

„Komm schon. Vertraust du mir etwa nicht mehr?" grinste Claire und wackelte mit ihrer Hand. Eine weitere Aufforderung, dass Thor einschlug. „Und du- denkst, er wird freiwillig mit dir zurück in die Kerker gehen, wenn er erst mal frei ist?", zweifelte Thor weiter. Er brauchte einen triftigen Grund, warum er, entgegen seinem Versprechen, Loki nicht zurück nach Asgard brachte. „Wird er nicht, aber du vergisst, dass ich immer noch eine gewissen Zauberkraft besitze", scherzte Claire und lies kleine Funken aus ihrer Hand sprühen. Das schien Thor endgültig zu überzeugen und er schlug ein. Claires Grinsen zog sich über das ganze Gesicht, als sie sich dann schließlich von Thor verabschiedete. Am Abend reiste er zurück nach Asgard.

Claire blieb noch knapp sieben Tage, in denen sie sich ausruhte und wieder zu Kräften kam. Sie sprach viel mit der Prinzessin, die natürlich alles über ihre Beziehung zu Loki erfahren wollte. Es war Claire unangenehm, dass sie der Prinzessin so oft Ratschläge wegen Männern gegeben hatte, aber ihr nie von Loki erzählte.

Dann kam der Tag, an dem auch sie gehen würde. „Ich werde dich vermissen", schluchzte die Prinzessin ein weiteres Mal und zog Claire in die Arme. „Ich bin nicht aus dem Universum", lachte diese, aber auch sie musste sich zusammenreißen. Es war ihr zweiter Abschied von Vanaheim und wieder nahm sie sich vor zurück zu kommen. Hoffentlich klappte dieser Vorsatz besser, als das letzte Mal.

„Du verlässt uns auch?", fragte Prinz Baoas und trat aus dem Schloss heraus. Eine der Wachen hatte ihm Bescheid gegeben, da die beiden Frauen das unter ihren ständigen Verabschiedungen und Umarmungen vergessen hatten. „Ich muss", gestand Claire und zog den Prinzen ebenfalls in eine Umarmung.

„Aber nicht aus den selben Gründen, wie das letzte Mal, oder?" fragte der Prinz weiter, während er sie vorsichtig an sich drückte. Er konnte nicht einschätzen, wie gut ihre Wunden verheilt waren, da der Heilungsprozess bei ihr so viel schneller war, als bei einem Vanir.

„Teilweise schon, aber dieses Mal zu meinen Bedienungen", lachte Claire. Prinzessin Biana hatte ihr erzählt, was der Heiler alles über sie gesagt hatte. Erst war es Claire sehr unangenehm, dass nun alle Bescheid wussten, aber es waren ihre Freunde. Deshalb nahm sie es mittlerweile mit Humor.

„Dieses Mal kommst du uns aber besuchen", forderte die Prinzessin und wieder zog sie Claire an sich. „Ganz sicher", murmelte diese leise und nun löste sich auch aus ihrem Auge eine kleine Träne.

„Und wenn du mal nicht weißt wohin mit dir, unsere Tore stehen dir immer offen", erklärte der Prinz und zog seine Schwester von Claire. Er legte ihr einen Arm, um die Schultern und strich beruhigend ihren Arm auf und ab. „Danke", hauchte Claire und hob die Hand zum winken.

„Wir sehen uns", verabschiedete sich der Prinz und neigte den Kopf ein wenig. „Bis bald", hauchte die Prinzessin und hob ebenfalls die Hand zum Winken. „Wir sehen uns." Claires Worte verklungen und sie löste sich langsam in Luft auf.

Es war nicht das erste Mal, dass die beiden Geschwister es sahen. Das war Claires Art zu reisen. Auch wenn sie nur wenige Minuten vom Schloss zu ihrem Haus hätte laufen müssen, wählte sie immer diesen Weg. Er war für sie einfach bequemer.

Ich werde nicht betteln!Where stories live. Discover now