Kobolde

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Inzwischen hatten wir die Stirnseite der Halle erreicht, wo eine Art Hauptschalter stand. Mrs Weasley hatte diesen bereits erreicht und wartete nun auf uns. Arcturus stand ein Stückchen entfernt, sein Blick huschte zwischen Mrs Weasley und mir hin und her, darauf bedacht, nichts zu verpassen. Er wollte immer über alles Bescheid wissen.

Ich ging zu ihm und so beobachteten wir gemeinsam, wie Mrs Weasley einen kleinen, goldenen Schlüssel hervorholte, der fast aussah wie unserer. Sie gab ihm den Kobold hinter dem Schalter, der ihn musterte, nickte und ihn ihr zurückgab. Anschließend rief er einen anderen Kobold, der die Familie durch eine Tür in einem anderen Raum geleitete. Mrs Weasley, Fred und George winkten noch und bevor die Tür zuschlug, glaubte ich, Fackellicht zu erkennen.

„So, wir sind dran", sagte Arcturus und stellte sich vor den Schalter. Ich folgte ihm mit leichter Verzögerung. Der Kobold fragte gerade:

„Was kann ich für Sie tun?"

„Wir würden gerne den Besitz dieser beiden Verliese gleichmäßig aufteilen und ein wenig Geld mitnehmen", stellte mein Bruder selbstbewusst unser Anliegen vor und zeigte beide Schlüssel.

Es war nicht das erste Mal, dass ich ihn selbstbewusst erlebte, oh nein. Er konnte so selbstbewusst bei manchen Themen sein, dass es mich regelrecht nervte. Doch es war das erste Mal, dass er auch bei Fremden selbstsicher war. Das erstaunte mich. Lag es an der Gewissheit, was wir waren? Das wir nicht unnatürlich waren? Oder daran, dass dieser Kobold ihm von der Größe unterlegen war? Oder lernte ich gerade den Bruder kennen, den ich bekommen hätte, wären wir in dieser Welt aufgewachsen?

Der Kobold untersuchte beide Schlüssel sehr genau, bevor er fragte:

„Wie heißen Sie?"

„Wozu ist das wichtig?", wollte ich wissen.

„Ich gehe davon aus, das einer von Ihnen das Verlies 538" - er hielt den goldenen Schlüssel hoch – „und einer Verlies 215 in Besitz nimmt. Ich brauche Ihre Namen, um die neuen Eigentümer aufschreiben. Also, wer nimmt welches Verlies?"

„Ich hätte vorher noch eine Frage", wechselte ich das Thema. Seine Antwort hatte mich auf eine Idee gebracht. „Könnten Sie uns die vollständigen Namen der vorherigen Besitzer geben? Damit würden Sie uns einen großen Gefallen tun."

„Nein, kann ich nicht. Wir haben Schweigepflicht. Ich frage noch einmal: Wer nimmt welches Verlies?"

Arcturus und ich blickten uns an. Er seufzte lautlos und nickte mir zu. Er überließ mir die Entscheidung.

„Ich nehme das Verlies der Blacks."

„Und ich das andere."

„Trotzdem brauche ich noch Ihre Namen, schließlich kann da ja nicht nur "Ich" stehen. Also: Wie heißen Sie?", wollte der Kobold erneut wissen, diesmal eindeutig ungeduldig.

„Melania und Arcturus Black", antwortete Arcturus.

„Gut. Melania Black übernimmt das Verlies 215 der Blacks und Arcturus Black Verlies 538", murmelte der Kobold, während er es auf irgendeinem Zettel vermerkte. Sobald er fertig mit schreiben war, fragte er noch:

„Ein Teil des Goldes aus Verlies 215 soll in das Andere gebracht werden - oder habe ich das falsch verstanden?"

„Nein, haben Sie nicht. Es soll in beiden Verliesen gleich viel Geld sein", bestätigte ich.

„Ich werde es veranlassen. Und etwas Gold wollten Sie auch abheben?"

„Ja, allerdings", pflichtete Arcturus ihm bei.

„Nur aus einem Verlies oder aus beiden?", wollte der Kobold wissen.

„Ich glaube, aus einem reicht, oder?", die letzte Frage stellte Arcturus an mich.

„Würde ich auch sagen. Aus dem, was näher dran ist", stimmte ich zu.

„Also nur aus Verlies 538", teilte mein Bruder dem Kobold mit.

Ich runzelte die Stirn. Woher wusste er denn, welches Verlies näher war? Ich hätte auf das Verlies 215 getippt, schließlich fing man beim Zählen mit eins an.

„Dann wäre alles geklärt. Hier sind Ihre Schlüssel. Bitte folgen Sie Ragnok, er wird Sie zu dem gewünschten Verlies bringen." Er zeigte in die Richtung der Tür, durch die auch die Weasleys gegangen waren.

„In Ordnung. Vielen Dank für alles", verabschiedete ich mich, während Arcturus nur nickte.

Wir gingen hinüber zu diesem anderen Kobold, der an der Tür wartete. Er sah sehr grimmig aus. Mrs. Weasleys Worte fielen mir ein, dass Kobolde unhöflich waren und Georges, der erklärte, dass Kobolde Zauberer nicht besonders leiden konnten. Also uns nicht leiden konnten.

Als wir Ragnok erreicht hatten, schwang die Tür auf und Mrs Weasley kam mit ihren Söhnen wieder.

„Ihr seid ja immer noch hier!", rief sie überrascht aus.

„Ja, wir hatten noch ein paar Dinge zu klären", gab ich ihr zur Antwort.

„Achso. Naja, wir müssen los. Hat mich gefreut euch kennenzulernen." Mit diesen Worten huschte sie an uns vorbei, ihre vier Söhne hinterher.

„Tschau! Wir sehen uns in Hogwarts!", verabschiedete sich Fred, während George nickte.

Auch Ron nickte uns zum Abschied zu, als er an uns vorbei ging. Percy hatte uns nur einen Blick zugeworfen und sprach jetzt mit seiner Mutter.

„Guck doch mal ein bisschen freundlicher", bat ich Arcturus, der nun sehr angespannt wirkte. „Wir erleben gerade ein Abenteuer, dass unser ganzes Leben verändern wird!"

„Ja, das stimmt. Doch wir haben absolut keine Ahnung, worauf wir uns einlassen. Denn diese Welt hat uns unsere Eltern genommen."

Ich öffnete meinen Mund und schloss ihn wieder. Von der Seite aus hatte ich es noch gar nicht betrachtet.

Glücklicherweise schien der Kobold ziemlich ungeduldig zu sein.

„Könnten Sie dieses Gespräch auf später verschieben? Ich würde gerne heute noch fertig werden."

Ich warf Arcturus einen Blick zu und nickte dann, auch wenn ich gerne gewusst hätte, was seinen plötzlichen Sinneswandel verursacht hatte. Schließlich war er bis eben auch noch begeistert gewesen.

„An mir soll es nicht liegen", gab ich dem Kobold zur Antwort.

„An mir auch nicht", ergänzte Arcturus rasch.

„Gut, dann kann es ja los gehen."

Ragnok öffnete die Tür und wies uns an, vorauszugehen.

Der Weg von Melania BlackWhere stories live. Discover now