11th Kiss

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11th KISS

... oder als mir klar wurde, dass ich schneller sterben würde, als ich dachte

Die Frage lautet: Soll ich oder soll ich nicht?

Hier ist niemand, den ich zu Rat ziehen kann. Hier bin nur ich. Jedenfalls in meinem Zimmer. Keine Ahnung, wo meine Eltern sind. Zu Hause wohl kaum. Denn sonst würde ich mir diese Frage mit Sicherheit nicht stellen. Und dabei haben wir schon kurz vor elf Uhr am Abend. Morgen ist wieder Schule und das Wochenende somit vorbei.

Ich verziehe das Gesicht und ziehe mir die Decke über den Kopf, während ich verstört ins Schwarze blicke. Ich hätte jetzt gerne jemanden bei mir, der mir sagt, dass das völlig normal ist und dass ich das jetzt einfach aussitzen muss.

Aber hier ist niemand und deshalb fühle ich mich genötigt, etwas zu unternehmen. Denn sonst bin ich für den Rest meines Lebens verstört. Keine Chance auf Heilung.

Ich atme noch einmal tief durch, raufe mich zusammen und stehe ruckartig auf. Dann trampele ich energisch aus meinem Zimmer, um die Treppe nach oben zu nehmen. Aber plötzlich bleibe ich stehen. Wenn ich jetzt nach oben gehe und an die Zimmertür meines Bruders hämmere, mache ich mich nicht nur unbeliebt, sondern schwimme dann praktisch in Peinlichkeit.

Und das will ich eigentlich vermeiden.

Als ich erneut ein lautes Stöhnen höre, ducke ich mich aus unerfindlichen Gründen, verziehe angeekelt das Gesicht und laufe schnell die Treppenstufen herunter, um ins Wohnzimmer einzuziehen. Wenigstens für diese Nacht.

Hailey und Ben beim Sex zuzuhören ist wirklich das Letzte, was ich will.

Ich verkrieche mich aufs Sofa, ziehe die Decke über mich und schalte die Musikanlage ein.

. . .

Mir wird über den Kopf gestrichen, aber ich bin zu müde, um die Augen zu öffnen. »Hey, mein Schatz, aufwachen«, ertönt die liebliche Stimme meiner Mutter. »Du musst dich fertig machen.«

Ich ziehe niedergeschlagen die Augenbrauen zusammen und zwinge mich, die Lider zu heben. Verschwommen sehe ich das Gesicht meiner Mom vor meines schweben. Ich reibe mir den Sand aus den Augenwinkeln und gähne.

»Es ist sechs Uhr, Tate«, informiert sie mich leise und schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln.

Nickend strampele ich die Decke von mir und strecke mich wehleidig.

Meine Mutter nimmt die Decke an sich, faltet sie und legt sie wieder ordentlich aufs Sofa. »Warum hast du hier unten geschlafen?«

»Wo wart ihr gestern Abend?«, stelle ich die Gegenfrage.

»Wir waren zum Abendessen eingeladen bei Davina und Todd«, beantwortet sie meine Frage. »Also?«

Zur Information: Davina und Todd sind die Eltern von Levin.

Ich zucke die Schultern. »Ich hatte das Gefühl, dass ich in meinem Zimmer Käfer gehört habe.«

Verblüfft hebt sie Augenbraue. »Käfer?«

Ich nicke. »Paarende Käfer. Die machen dann immer so laute, flatternde Geräusche.«

Mom sieht mich ungläubig an. »Und jetzt? Willst du Käfer züchten?«

Lachend schüttele ich den Kopf. »Solche Käfer will ich garantiert nicht haben. Ich werde sie gleich einfach aus dem Haus schmeißen«, sage ich, lächele sie an und laufe schnell in mein Zimmer, um mich fertig für die Schule zu machen.

Blind KissWhere stories live. Discover now