3. Kapitel

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Lucius

Was hatte er da gerade getan? Hatte er wirklich zugestimmt, sich von einem Schlammblut behandeln zu lassen? Er musste verrückt geworden sein! Diese miese kleine Schlampe hatte ihn erpresst, hatte ihn zwischen Pest und Cholera wählen lassen. Der Vorteil war, wenn sie hierher kam, dass er immer noch in Freiheit lebte, während er sich im St. Mungos den Heilern beugen musste. Und das würde er auf keinen Fall tun! Lucius beschloss, ein paar Wochen lang so zu tun, als würde ihre Hilfe etwas bringen, dann würde sie schon bald wieder weg sein und er würde wieder seine Ruhe haben.

„Gut, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit einem Geschäftspartner Ihres Unternehmens auf und übergeben diesem alle Ihre Aufgaben für die nächsten drei Monate", setzte Granger das von ihm nicht gewünschte Gespräch fort.

„Sind Sie völlig verrückt geworden?", herrschte Lucius sie an. „Ich kann doch nicht drei Monate nicht arbeiten! Was denken Sie eigentlich, wer Sie sind, dass Sie sich in meine Geschäfte einmischen können?"

„Mr. Malfoy, Ihr Sohn ist verstorben, es muss eine Beerdigung organisiert werden und Sie brauchen Zeit zum Trauern!", erwiderte Granger in einem Tonfall, der wohl zeigen sollte, dass sie ihn für dumm hielt.

„Ich brauche keine freie Zeit, um meinen Sohn zu trauern! Ich habe weiterzuarbeiten! Und die Beerdigung kann ich auch von meinen Angestellten organisieren lassen!"

„Denken Sie, dass Draco das gewollt hätte? Dass Sie einfach weiterarbeiten und seine Beerdigung nicht selbst organisieren?"

Diese Frage traf ihn. Völlig perplex starrte Lucius die junge Hexe an. Er musste an den Abschiedsbrief denken.

...Ich wollte dich stolz machen. Aber du hast mir nie richtige Anerkennung zukommen lassen, hast mir nie deine Liebe gezeigt... falls du mich je geliebt hast.

Lucius wusste, dass Granger Recht hatte. Draco zuliebe würde er sich freinehmen und die Beerdigung organisieren müssen, damit er so wenigstens zeigen konnte, dass er ihn geliebt hatte... ihn liebte. Schmerz durchbohrte seine Brust. Ja, er liebte Draco, und er bereute es bitter, dass er ihm das nie gezeigt hatte. Es war zu spät. Er konnte sich nicht mehr bei Draco entschuldigen und ihm sagen, dass er es besser machen würde. Dass er versuchen würde sich zu ändern. Schluchzer drangen aus ihm hervor, er bedeckte sein Gesicht mit seinen Händen und überließ sich dem Schmerz. Er hatte keine Kraft, sich dagegen zu wehren.

Plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter und zuckte zusammen. „Fassen Sie mich nicht an!", zischte er. Nur weil er akzeptiert hatte, dass sie ihm helfen würde, hieß das noch lange nicht, dass sie ihn berühren durfte!

Sofort zog Granger ihre Hand zurück und wartete, bis er sich langsam wieder beruhigte.

„War es so schlimm, die Trauer rauszulassen?", fragte sie leise.

„N...nein", gab Lucius mit zitternder Stimme zu. Er fühlte sich irgendwie... ein bisschen leichter, wenn auch der Schmerz nicht verschwunden war.

„Na sehen Sie. Wissen Sie, es ist wichtig, die Trauer zuzulassen und nicht alles in sich zu vergraben, das macht alles nur noch schlimmer." Grangers Stimme zitterte nun auch.

„Klingt, so als ob Sie aus eigener Erfahrung sprechen."

Granger schloss kurz ihre Augen, um sich zu sammeln. „Ja, als... als Ron in der Schlacht gestorben ist, wollte ich das in der ersten Zeit einfach nicht wahrhaben. Ich habe nicht geweint, nicht getrauert, gar nichts. Ich habe mich beim Wiederaufbau von Hogwarts beteiligt, habe mich in Arbeit gestürzt, aber irgendwann... irgendwann bricht alles aus einem raus. Man kann es nicht ewig unterdrücken. Ich habe dann beschlossen, mir Hilfe zu holen... ach, ist ja auch egal, es geht hier nicht um mich, sondern um Sie. Ich bitte Sie nun, die Nachricht an Ihren Geschäftspartner zu schreiben."

Ein Hauch von Mitleid kam in Lucius auf, als Granger ihm etwas über ihren eigenen Verlust erzählte. Moment mal – hatte er mit einem Schlammblut Mitleid? Unmöglich! Um nicht weiter darüber nachzudenken, holte Lucius sich eine Schreibfeder, ein Pergament und Tinte und schrieb dem stellvertretenden Geschäftsführer von Malfoy Real Estate eine kurze Nachricht:

Robert, wie du sicher schon mitbekommen hast, ist Draco verstorben. Ich werde mir die nächsten drei Monate eine Auszeit nehmen, um den Verlust zu bewältigen. Kümmere dich in der Zeit um alles, was die Firma angeht.

Lucius


„Wären Sie so freundlich, mir meinen Zauberstab zurückzugeben? Ich schicke die Nachricht direkt ins Büro", fragte Lucius so höflich wie er konnte, als er fertig geschrieben hatte.

„Nur, wenn Sie mir versprechen, mich nicht mehr anzugreifen", erwiderte Granger kühl.

„Ich verspreche es."

Einen Moment lang sah Granger ihn zweifelnd an, dann zauberte sie jedoch den Stab herbei und überreichte ihn Lucius. Endlich hatte er seinen Zauberstab wieder! Mit einem Schlenker des Stabs verschwand die Nachricht.

„Als nächstes sollten wir uns an die Beerdigung machen", sagte Granger. „Ich habe gestern Abend erfahren, dass Ihre Frau nicht in der Lage ist, sich daran zu beteiligen. Also werde ich Ihnen helfen. Das Ministerium hat bereits dafür gesorgt, dass Draco von dem Bestatter Mullford & Son mitgenommen wurde, wir müssen uns nur noch in Verbindung mit ihm setzen."

„Was heißt hier ‚wir'?", sagte Lucius kalt. „Das werde ich alleine erledigen. Sie sind hier, um mich während der Trauerphase zu begleiten, nicht, um mein ganzes Leben zu kontrollieren."

„Schön, dann werde ich jetzt gehen", antwortete Granger ebenso kalt. „Es ist vorgeschrieben, dass ich jeden Tag drei bis vier Stunden vorbeikomme, bis auf Sonntags. Sie können sich die Zeiten aussuchen."

„Dann kommen Sie halt meinetwegen von 12 bis 15 oder 16 Uhr", sagte Lucius gleichgültig. „Und jetzt raus hier. Ich habe mich lange genug mit Ihnen aufgehalten."

„Gut. Dann bis morgen, Mr. Malfoy." Mit hoch erhobenem Haupt verließ Granger das Zimmer.

Endlich war er wieder allein! Was für ein Morgen. Lucius wusste gar nicht, wo ihm der Kopf stand. Er atmete ein paar Mal tief ein und aus, dann rief er Mocky zu sich.

„Master hat mich gerufen?", sagte der Elf, als er im Zimmer auftauchte.

„Sorg dafür, dass der Bestatter von Mullford & Son heute Nachmittag um 15 Uhr hier auftaucht. Es gibt einiges zu organisieren", befahl Lucius dem Elfen.

„Wird gemacht, Master", sagte der Elf und verschwand.

Lucius lehnte sich zurück und schloss die Augen. Er hatte keine Ahnung, wie er die nächste Zeit überstehen sollte.  

Lucius Malfoy's Misery - LumioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt