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Lorie ist ein nervtötendes, kleines Blach. Sie ist unglaublich verwöhnt und selbstverliebt. Sie ist wirklich sehr niedlich und in ihren Kleidchen sieht sie süß aus. Aber wenn sie sich stundenlang vor dem Spiegel dreht würde ich ihr am liebsten den Kopf abbeißen oder sie  im ganzen schlucken. Tötungsphantasien kommen von ganz allein wenn ich mit Lorie zusammen bin. Ihre Puppensammlung ist aus einem Gruselkabinett entsprungen.
Lorie liebt es mich mit Kleider aussuchen in den Wahnsinn zu treiben. Übellaunig und knurrend sitze ich dann oft neben ihr. Die Shopping Tour mit Nicolae war ein einziger Alptraum. Stundenlang habe ich mit Lorie nach Kleidern gesucht. Lorie fand an allem etwas auszusetzen. Da ich ein Arsch sein kann habe ich mit ihr nach den Fehlern gesucht. „In diesem siehst du aus wie ein Bonbon!" habe ich zu einem knallrosanem gesagt das ihr gut gefiel. „Bist du dir sicher? Das sieht aus wie für Babys!" zu einem niedlichen geblümten. „Oh, mein Gott, Querstreifen machen fett!" quietsche ich bei einem gestreiften. Nicolae wird langsam ungeduldig. „Punkte? Bist du ein Käfer?" Nicolaes Augen fangen an böse zu funkeln und klein Lorie ist den Tränen nahe. Ich rede ihr noch drei weitere Kleider aus und Nicolae fährt mich an: „such du eins aus!" Ich schaue blasiert und sage: „Keins aus diesen Läden!" Lorie schaut verzweifelt. „Aber ich will eins haben!" ruft sie laut. „Wenn ich dir eins nähe siehst du aus wie eine Prinzessin. Wenn du hier eins kaufst wie ein kleines Mädchen." Lorie schaut erst skeptisch, dann aber begeistert. Nicolae schaut als habe ich ihm einen Goldschatz geschenkt.
Als Lorie im Bett liegt frage ich Nicolae ob ich übers Wochenende frei haben könnte. Er schaut zwar unglücklich nickt aber nach einer kurzen Pause. „Du hast mehr als genug Stunden mit Lorie verbracht. Du kannst dir gerne frei nehmen. Darf ich fragen wo du hin möchtest?" „Ich würde gerne nach Hause fahren und meine Nähmaschine holen und Stoff für Lories Kleid kaufen. In Mystery Spell habe ich keinen gefunden der mir gefällt." Nicolae schaut belustigt. „Du scheinst noch wählerischer als Lorie zu sein." neckt er Suya. Sie schaut ihn verständnislos an. Nicolae lächelt schief. „Grüß deine Eltern bitte ganz lieb von mir. Und darf ich dich was bitten?" Suya schaut ihn überrascht an. „Du kennst meine Eltern?" fragt sie entsetzt. „Nein, aber dich und da ist es nur höflich deine Eltern grüßen zu lassen, oder?" Suya sieht aus als habe sie einen Geist gesehen. Sie greift sich an die Brust und lässt sich in einen Sessel plumpsen. Nachdenklich starrt sie auf den Boden. „Vermutlich" sagt sie mehr zu sich selbst als zu Nicolae. Eine unangenehme Pause entsteht zwischen den beiden. Nicolae fragt sich die ganze Zeit was er falsch gemacht hat und Suya versucht nicht zu verzweifelt auszusehen. Es fällt ihr nicht leicht an ihre Eltern zu denken und nicht zu verzweifeln. „Was wolltest du mich bitten?" fragt sie plötzlich. Nicolae ganz aus seinen trüben Gedanken gerissen starrt sie an. „Bitte?" fragt er weil er sie nicht versteht. „Du fragtest ob du mich was bitten dürftest?" sagt Suya unsicher. Nicolae schaut sie an. Sie ist zwar nicht klein aber fragil gebaut. Ihre Rundungen versteckt sie in weiter Kleidung. Ihr Gesicht ist das einer Puppe, die schwarzen langen Haare glänzen und umrahmen ein bleiches, weißes Gesicht. Dass sie unnatürlich blass ist fällt bei den Bartholys ja eher weniger auf. Ihre Augen sind schwarz und groß die dunklen Wimpern scheinen endlos lang. Nicolae hat ihr Badezimmer durchsucht um einen Hinweis darauf zu finden ob sie bei den Wimpern nachhilft. Er hat nichts gefunden. Nicht einmal einen Eyeliner, geschweige denn Mascara. Ihre Augen scheinen Tore zu sein.
Nicolae wüsste gerne in welche Welt sie führen.
„Äh, würdest du gerne in Mystery Spell studieren? Dann könntest du hier weiter wohnen." Nicolae fragt zaghaft und fast ohne Hoffnung in der Stimme. Suya schaut ihn an und dann fangen ihre Augen an zu leuchten und ihre Lippen verziehen sich zu einem Lächeln das ihm den Atem raubt. Bei seinem Anblick wird sie sofort wieder ernst. „Ehrlich? Darf ich hier bleiben?" Suyas Stimme klingt misstrauisch als würde sie erwarten dass er „April! April!" sagt. Nicolae nickt stumm. „Danke." sagt Suya leise und geht aus seinem Zimmer. Nicolae bleibt nachdenklich zurück. Was hat dieses Mädchen an sich dass sie so unnahbar wirkt? Sie ist keine die er verführen und dann beißen wollte. Eher eine die man nicht sieht und dennoch anbetet. Oder eine für die man durchs Feuer geht. Nicolae ist verwirrt. Ist es ein Fehler sie hier zu behalten?
Suya läuft fröhlich die Treppen rauf. Im Flur trifft sie auf Peter. „Schön dass du heute fröhlich bist." stellt er fest und lächelt sie an. „Ich darf übers Wochenende nach Hause." erklärt sie ernst. „Oh" sagt Peter und schaut sie aus seinen grünen Augen prüfend an. „Soll ich dich fahren?" bietet er ihr galant an. „Nein das brauchst du.." Suya stoppt ihren Redefluss den sie automatisch begonnen hat. Sie schaut Peter sehr ernst an. „Ja, bitte." sagt sie. Sie ist froh dass sie ihre Sachen nicht alle tragen muss. Sie würde im Auto schon einiges von ihren Sachen mitnehmen können.
Die Fahrt von Mystery Spell zu Suyas zu Hause dauert lange. Peter ist kein Plappermaul und Suya ist ebensowenig gesprächig. „Darf ich Musik anmachen? Fragt Peter. Suya nickt. „Was hörtest du denn gerne?" fragt Peter. Suya schüttelt den Kopf als wolle sie eine Fliege vertreiben. „Von Leonin und Perotin über Klassik bis hin zu Punk und Metal eigentlich alles. „Wie wäre es mit einem Klavierkonzert?" Suya nickt. Als die ersten Töne erklingen lächelt Suya ihr seltenes Lächeln. „Rachmanioff, wie schön." Peter strahlt sie an doch sie hat die Augen geschlossen und lauscht. „Spielst du das?" fragt sie unvermittelt. „Ja, warum?" fragt Peter erstaunt. „Es ist dein Spielstil." erklärt sie. „Aber das Piano ist ein anderes." Peter nickt. „Es ist das aus der Uni. Ich habe dort letztes Jahr ein Konzert gegeben. Das ist der Mitschnitt." Suya nickt und lauscht. „Das ist aber kein Steinway, oder?" Peter schaut sie erstaunt an. „Nein, ein Bösendorfer." „Ein Imperial?!?" Suya schaut ihn plötzlich begeistert an. Peter muss schmunzeln. „Ja." „Wie cool ist das denn." freut sich Suya. „Ich habe noch nie einen gesehen." verrät sie ihm. „Darfst du den nur zu den Konzerten spielen oder auch daran üben?" fragt ihn Suya aus. „Ich übe daran." erklärt Peter. Suya schaut ihm mit einem Blick an der verrät dass es ein Privileg ist auf so einem Instrument spielen zu dürfen. „Spielst du Klavier?" fragt Peter interessiert. „Nein." antwortet Suya. „Ich höre lieber zu."
Dass sie nicht spielt ist eine fette Lüge. Suya spielt seit sie denken kann Klavier. Die Musik war in den Heimen ihre Zuflucht. Wenn sie nichts mehr gefühlt hat konnte sie sich mit der Musik wieder lebendig machen. Wenn sie geprügelt oder missbraucht worden war, den Schmerz und den Schmutz von der Seele spielen. Die Wut konnte sie mit der Musik zähmen oder locken. Je nachdem. Doch Vater hat ihr beigebracht die Wut einzuschläfern. Das ist viel besser als mit ihr zu spielen. Suya hat keine Lust sich an der Wut die Finger zu verbrennen.
Den Rest der Fahrt schaut Suya traurig aus dem Fenster. Sie vermisst ihren Vater. Aber viel mehr noch vermisst sie die Musik. Ohne die Musik fühlt sie sich nicht richtig lebendig. Doch die Angst vor der Wut ist größer als die Sehnsucht wieder Klavier zu spielen.

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