Kapitel 1

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Die Nerven meiner Mutter waren zum Zerreißen gespannt. Obwohl es nicht ihre Hochzeit war, wuselte sie in ihrem maßgeschneiderten Abendkleid durch das Anwesen. Immerhin war es Jess' großer Tag. Mom überprüfte ob alles perfekt war, denn man heiratete ja schließlich nur einmal, wie sie sagte.

In ihrem Fall heiratete man allerdings nur zwei mal, denn sie hatte vor vier Monaten Sean geheiratet. Jetzt stand ich in der Garderobe meiner großen Schwester und starrte das Kleid an, dass Leah mir gekauft hatte. Es war knielang, smaragdgrün und hatte einen dünnen goldenen Gürtel um die Taille. Es war wunderschön. Ich blickte zögerlich zu Jess rüber. Leah hatte sie schon geschminkt und ihr cremeweißes Hochzeitskleid hatte sie auch schon an. Als meine Schwester meinen Blick bemerkte lächelte sie mich beruhigend an und ich ging um mich umzuziehen.

Sean nickte mir anerkennend zu, als ich aus der Garderobe trat. Ich musste zugeben, ich sah gut aus in dem Kleid, trotzdem ließ mein Ego mich heute ein bisschen im Stich. Das war lächerlich, denn es war ja nicht meine Hochzeit. Trotzdem hatte ich da so ein Gefühl... Als ich tief Luft holte und mich auf die Suche nach Mum machen wollte fiel mir draußen einer der Gäste auf. 

Er hatte blonde Locken und sah ungefähr ein bis zwei Jahre jünger aus als ich. Trotzdem schien er größer zu sein. Außerdem starrte er mich an. Sein Blick war anders als die, die mir Typen normalerweise zuwarfen. Ich hatte das Gefühl er sah durch mich hindurch, nicht so, das er mich nicht ansah, sondern so, das er mehr sah, als nur mein Äußeres. Auf einmal kam er mir unheimlich bekannt vor. Ich versuchte mich zu erinnern, aber da war nur ein dunkles nebliges Loch. Wortwörtlich. Verwundert drehte ich mich zu Sean. „Wer ist der Typ mit den Locken dahinten?" Sean folgte meinem Blick und runzelte dann die Stirn. „Das dürfte ein Verwandter von Cayden sein, wieso?" Als ich ihn musterte fielen mir seine ungewöhnlich blauen Augen auf. Unter den langen dunklen Wimpern lagen tiefblaue Augen, ... die mich fragend ansahen. Ich spürte wie ich rot anlief und drehte mich schnell weg. „Kenne ich ihn nicht irgendwo her?", sein Anblick gab mir das Gefühl etwas wichtiges vergessen zu haben. Als hätte mir jemand meine Erinnerungen genommen und stattdessen diesen widerlich kalten Nebel rein gepackt. Sean verdrehte die Augen „Was weiß ich. Geh doch einfach zu ihm und frag nach. Er wird dich schon nicht beißen." Dann machte er mich darauf aufmerksam, das es gleich losging. Mom hatte sich eigentlich eine kirchliche Hochzeit gewünscht, aber Jess und Cayden waren nicht sonderlich gläubig und hatten sich von Anfang an dagegen gesträubt. Deshalb fand die Zeremonie im Garten eines Mietanwesens statt. Ein letztes mal sah ich zu dem Jungen hinüber, aber er war einfach verschwunden. Auch nachdem ich mich nach allen Seiten umgedreht hatte, tauchte er nicht mehr auf. Egal, ich beschloss, mich von Sean zu unseren Plätzen führen zu lassen.

Während der Hochzeitszeremonie war der Junge auch nicht da, dafür aber ein ganzer Haufen anderer Leute, die einen ähnlichen Nebel in mir auslösten. Jess freute sich wahnsinnig, das Caydens Familie gekommen war. Sie stellte mir seinen Vater vor (kein Nebel), seinen Bruder (ein bisschen Nebel), der aussah wie ein Ex von Jess und einen ganzen Haufen anderer Leute mit antik-griechischen Namen, wie Hera, Apoll, Athene, Artemis und Hermes. Beim Anblick von Hermes fühlte ich mich vor lauter Nebel ganz high.

Nachdem die Vorstellrunde vorüber war nahm Leah mich beiseite. „Ist alles in Ordnung bei dir? Du siehst so blass aus. Ist irgendwas mit den Gästen?" Ich beruhigte sie mit der Versicherung, ich hätte nur schlecht geschlafen und ging zum Buffet um mir ein Glas Wasser zu holen. 

Götterfunke Fanfiction - Phoebes ZukunftWhere stories live. Discover now