Sage Snowdrop | Kapitel 9

982 68 2
                                    

Wir wurden in ein fast schon kahles Gebäude, nahe des Bahnhofes geführt. Auf dem ganzen Weg dahin wurden wir angestarrt. Wir schienen nicht die ersten Tribute zu sein, die sie sahen, aber interessiert waren sie trotzdem. Während Acer und Snake um die Wette lächelte, starrten Kale und ich stur gerade aus. Ich wusste nicht was jetzt auf uns zukam, aber ich war mir nicht sicher ob es mir gefallen würde.

Im Gebäude angekommen, begrüßten uns 6 aufgeregt aussehende Vögel. Zumindest sahen sie so für mich aus. Bund, schräg und in einer Tonart schnatternd, die kein gewöhnlicher Mensch aushielt, ohne Kopfschmerzen zu bekommen, konnte ich sie nicht anders beschreiben. 

Acer stellte uns kurz vor, wobei ich nicht mal ansatzweise die Namen der Gestalten mitbekam, und dann zogen drei von ihnen, ich glaube es waren zwei Frauen und ein Mann, mich auch schon in die eine Richtung, während Kale von den anderen drei in die andere gezerrt wurde. Wir konnten einander nur noch einen hilfesuchenden Blick zuwerfen, bevor wir durch Türen von einander getrennt wurden.

Was danach kam, konnte man nur als Folter bezeichnen. Sie steckten mich als erstes in eine übelriechende Flüssigkeit, die dafür sorgte das meine ganze Haut juckte. Danach entfernten sie alles Haar an meinen Körper, was sie irgendwie erwischen konnten. Während sie an meinen Augenbrauen zupften und gleichzeitig meine Beine enthaarten, redeten sie unentwegt weiter. Sie sprachen so schnell, das ich nur Fetzen verstand. Irgendwie ging es darum, dass das Filet von irgendeinen Tier zur Zeit komplett überteuert wäre. Nicht dass das ein Problem wäre, aber man schien sich trotzdem darüber aufregen zu müssen. 

Als ich dachte, dass mein Kopf als nächstes von ihren Stimmen einfach explodieren wurden, steckten sie mich in die nächste Badewanne. Die Flüssigkeit roch nicht und war durchsichtig wie Wasser, aber was immer es war, es brannte wie die Hölle. Wenn ich gedacht hatte, dass das enthaaren schon schlimm gewesen war, wurde ich nun eines besseren belehrt. 

Ich biss die Zähne zusammen, um keinen Laut von mir zu geben. Danach zogen sie mich aus der Wanne und stellten mich unter die Dusche, um mich mit Peelings und Shampoos einzureiben, bis ich nicht mehr wusste, wie viele Hautschichten sie jetzt schon abgerieben hatten. Danach kamen noch Lotions und Öle, bis ich von den Düften fast den verstand verlor. Gerade als ich aufschreien wollte und die drei von mir weg stoßen wollten, traten sie zurück und begutachteten ihr Werk. Es war mir unangenehm wie sie mich alle anstarrten. Nicht nur das ich nackt war, ich fühlte mich auch schutzlos.

Nach einer Weile nickten sie sich zu. "Das wird erst mal gehen.", erklärte der Mann. Zumindest war ich mir fast sicher das er ein Mann war, aber unter den ganzen Tätowierungen und Piercings konnte man dies nicht wirklich ausmachen. 

Sie schoben mich durch eine weitere Tür, in einen kargen Raum und schlossen die Tür hinter mir. 

Keine Kleidung? Hallo?

Als eine weitere Tür aufging, zuckte ich erschrocken zusammen und versuchte zumindest mich ein bisschen zu bedecken. So viel zum Thema, dass sie mir nicht meine Würde nahmen.

Gott sei Dank war es nur Kale, der ebenfalls nackt, in den Raum gebracht wurde. Nachdem sich hinter ihm die Tür geschlossen hatte, schaute er auf und sah mich. 

Wir waren Geschwister und wir hatten uns schon oft genug nackt gesehen. Deswegen überquerte ich die wenigen Meter zwischen uns auch mit großen Schritten und war mich an seine Brust. Seine Arme umschlossen mich fast augenblicklich.

"Geht es dir gut?", fragte er leise und ich nickte nur. Den Umständen entsprechend stimmte das sogar und solange wir beide nur hier waren konnte ich kurz die Augen schließen und vergessen was hier mit uns passierte. Aber man gab mir nur wenige Sekunden, bevor die dritte und letzte Tür im Raum aufging. Reflexartig schob mich Kale hinter sich, damit ich von seinen Körper verdeckt war. Auch wenn wir in der Arena gegen einander kämpfen müssten, würde er mich doch hier und jetzt noch beschützen.

Die Erscheinung die Eintrat war erstaunlich. In einen langen, weißen Mantel gekleidet, wirkte sie fast grotesk groß. Es war ein Mann, trotz unglaublich zarter Gesichtszüge. Sein Haar war lang, dick und glatt, in verschiedenen Farben. Da war natürliches schwarz, zwischen weißen Strähnen und verschiedenen Blautönen. Seine dunkle Haut, stand im Kontrast zu den hellblauen, fast weiß wirkenden Augen. Als er eintrat, sah ich, dass er zwar groß war, aber gleichzeitig Schuhe trug, die erhöht waren um ihn größer wirken zu lassen. Ich hoffte er würde mich nicht auf solche Dinger stellen, da ich mich damit wahrscheinlich selber umbringen würde aber zumindest die Beine brechen. Hinter ihm kam ein kleiner Junge in den Raum getippelt, bevor der Mann die Tür schloss. Der Lockenkopf des Kindes sprang hin und her aber da er die gleichen Augen wie der Mann hatte, zeigte ihre Verwandtschaft und das Zeichen, dass diese Augen anscheinend echt waren. Oder veränderten sie sogar schon die Kleinkinder. Der Junge war nicht älter als fünf. 

Das Kind starrte uns an. Wir starrten zurück.

Er war unglaublich süß aber ich fragte mich was er hier machte.

"Verzeiht die Prozedur, aber es musste sein." Die tiefe und gleichzeitig unglaublich sanfte Stimme des Mannes, riss mich vom Anblick des Kindes los und lies mich auf den Mann starren, der gerade auf uns zu kam und dabei seinen Mantel auszog. Darunter kam eine weiße Hose, eine weiße, halblange, dünne Jacke und ein schwarzes Hemd zum Vorschein. 

Kale wollte sich schon noch ein bisschen mehr vor mich schieben, als der Mann seinen Mantel in meine Richtung hielt und dabei meinen Blick gefangen hielt. Er schaute nicht meinen Körper an, wie die anderen. Schnell griff ich nach den Mantel und zog ihn an, bevor er es sich anders überlegen konnte. Tat er aber nicht. Im Gegenteil. Er zog auch noch seine zweite Jacke aus und hielt sie meinen Bruder hin, der genauso schnell danach griff wie ich und sich bedeckte. Der Man ging wieder zurück zu dem Kind, hob ihn hoch und setzte ihn auf das Sofa, welches in dem Raum als einziges Möbelstück stand. Dabei erklärte er uns: "Ich hoffe es macht euch nichts aus, dass mein Sohn dabei ist aber ich hab niemanden der sonst auf ihn aufpasst."

"Wo ist seine Mutter?", rutschte es mir raus, bevor ich es mir selber denken konnte.

"Sie starb Ende der Rebellion.", erklärte er. Als er seinen Sohn noch einmal die Haare durcheinander brachte, hätte ich mich am liebsten selber geschlagen.

Super, Sage. Erinnere ihn nur daran. Dann wird er dich noch mehr leiden können.

Zu meiner Verwunderung drehte er sich trotzdem mit einem Lächeln zurück zu uns.

"Ich bin Clayton, euer Stylist und ihr seit?"

"06-01-17.", ratterte ich brav herunter, wie es uns Acer beigebracht hatte, doch unser Stylist schüttelte, immer noch lächelnd seinen Kopf. 

"Ich weiß das Acer gesagt hat, dass ihr immer nur eure Nummer sagen sollt, aber ich möchte eure Namen wissen."

Kale und ich schauten uns kurz verwirrt an, bevor er anfing: "Kale."

"Sage.", erklärte auch ich danach leise.

"Zwillinge, nicht wahr?", fragte Clayton und wir nickten beide. Wieder lächelte er und zeigte auf uns. "Eure Augen verraten euch. Viele sagen wahrscheinlich, ihr seht nicht sehr gleich aus, aber eure Augen sind genau die selben. Eure Nase, eure Hautfarbe, alles gleich."

"Ja gleich blass.", brummte Kale.

"Nein.", warf Clayton ein. "gleich schön trifft es wohl eher."

Dieses Argument ließ Kales Augenbraue nach oben schießen, wodurch Clayton nur lachte und sein Sohn einstimmte.

"Wartet bis ich mit euch fertig bin, dann werdet ihr euch selber nicht wiedererkennen."

Ja, das glaubte ich ihn sogar. Ich war mir nur nicht sicher ob das positiv oder negativ war.

Sage Snowdrop | Die ersten Hungerspiele Where stories live. Discover now